▪ Sprechen als Handeln
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Sprechen als kommunikatives Handeln
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Kommunikationspsychologie
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Vier-Seiten-Modell der zwischenmenschlichen Kommunikation
Das Gelingen bzw. "Glücken" von Sprechakten hat
»John R. Searle (geb. 1932)
in seiner ▪ Sprechakttheorie am
Beispiel des performativen Verbs versprechen entwickelt
und das Gelingen des entsprechenden Sprechakts «Versprechen» an
neun verschiedene Bedingungen gebunden.
Aus diesen für das
Versprechen entwickelten Bedingungen lassen sich verschiedene
Bedingungen ableiten, die auch über die Gruppe der
Kommissive hinaus für andere Sprechakte gelten können.
Grundsätzlich kann man im Rahmen der Sprechaktanalyse festlegen,
ob man die notwendigen Bedingungen für das Gelingen oder Glücken eines
Sprechakts vom Hörer oder vom Sprecher aus formuliert, oder man,
wie Searle, hörer- und sprecherseitige Bedingungen ansetzen will.
(vgl.
Hindelang
42004, S. 87)
Die Darstellung von Bedingungen und die Abhängigkeit eines
Sprechakts von ihnen zeigt sich sich in seiner einschlägigen
sprechakttheoretischen Definition des Versprechens.
"Wenn ein Sprecher S
im Beisein seines Zuhörers
H einen Satz T äußert, dann verspricht er dem Zuhörer H durch
die wörtlich gemeinte
Äußerung von T richtig und
aufrichtig, dass p [=
propositionaler Gehalt, d. Verf.], dann und nur dann, wenn
die folgenden Bedingungen 1-9 erfüllt sind." (Searle
1969/1971, S.88, zit. n.
Hindelang
42004, S. 85)
Bedingungen, die
für alle Sprechakte gelten
Wenn man von dem besonderen Sprechakt des Versprechens
abstrahiert, lassen sich sechs Gruppen von "Erfüllungsbedingungen" (Krämer
2001, S. 62) unterscheiden (man spricht hier in Anlehnung an
Searle auch von "Glückensbedingungen"). Sind sie in ihrer
Gesamtheit erfüllt, kann man von einem
gelungenen oder
geglückten Sprechakt ausgehen.

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Diese sechs notwendigen Bedingungen sind (vgl.
ebd.,
S. 62ff):
-
Normalitätsbedingungen
-
Bedingungen
für den propositionalen Gehalt
-
Einleitungsbedingungen
-
Aufrichtigkeitsbedingungen
-
Wesentliche Bedingung
-
Bedeutungstheoretische Bedingung
Die
Normalitätsbedingungen
Die
Normalitätsbedingungen (auch:
"normale Eingabe- und
Ausgabebedingungen" (Searle
1969/1971, S.88) stehen für "eine nach Searles Auffassung
durchaus unbegrenzte Reihe von Bedingungen [...], die so etwas
wie die Möglichkeitsbedingungen jedweder Kommunikation bilden."
(Krämer
2001, S. 62)
Die Bedingungen
sehen vor, dass die
Kommunikation mit Sprache nicht durch physische oder
psychische Störungen so beeinträchtigt sein darf, dass der
Hörer nicht verstehen kann, was der Sprecher sagt.
Zugleich
muss der Sprecher "mit vollem Bewusstsein", aber auch ohne
irgendeinen äußeren oder inneren Zwang "sowie frei von
Furcht" (ebd.) sprachlich handeln.
Und schließlich gehört
dazu, dass er, was er sprechhandelnd tut, auch ernsthaft
tut. Äußerungen, "die in Spielen, als Beispielsätze im Sprach-
oder Linguistik-Unterricht oder in scherzhafter Rede gemacht
werden" (Hindelang
42004, S. 85), gelten demzufolge als nicht
ernsthaft und konstituieren demzufolge auch keinen Sprechakt.
Die Kategorie
der Ernsthaftigkeit und des
wörtlich Gemeinten
hat damit auch große Auswirkungen auf die sprechaktanalytische
Sicht auf "sekundäre, »parasitäre«, nicht buch-buchstäbliche
Formen der Kommunikation" (Krämer
2001, S. 62) und führen in der Konsequenz dazu, dass "die
psychischen und sozialen Gegebenheiten, die unser Sprechen im
Alltag immer auch prägen" (ebd.,
S.63) ausgeblendet wird. Die Tatsache, dass sich Sprechen und
Schreiben stets unter Beteiligung von Gefühlen vollzieht, gerät
dabei ebenso aus dem Blick wie die Tatsache, dass auch
assymetrische Beziehungen im Sinne eines Machtgefälles zwischen
Sprecher und Hörer Bedingungen sind, die die
Normalitätsbedingung unterminieren. Die Unterstellung einer
quasi "emotionsfreien Selbsttransparenz" (ebd.)
der sprechenden Akteure, "die sprechend wissen, was sie tun"
(ebd.)
vor dem Hintergrund, dass wir häufig einfach in Gespräche
verstrickt sind, ohne sie planvoll zu steuern, macht deutlich,
dass solche die Normalitätsbedingung auch leicht zu einer fast
weltfremden Idealisierung führen kann.
Die
Normalitätsbedingungen Searles sperren sich auch gegen die
Einbeziehung sämtlicher Formen von
Uneigentlichkeit wie
sie z. B. bei ironischen,
sarkastischen,
metaphorischen,
allegorischen,
parabolischen Texten mündlicher und schriftlicher
Sprache vorkommt. Obwohl gerade beim alltäglichen Sprechen
sichtbar wird, dass "die Grenzen zwischen dem Buchstäblichen und
Nicht-Buchstäblichen fließend" (ebd.),
versucht die Normalitätsbedingung das Rhetorische konsequent aus der
Sprechaktanalyse auszuschließen, weil sie unter
uneigentlichem Sprechen wohl vor allem Ausdrucksformen eines
"eines abweichenden, poetischen Sprachgebrauch(s)" versteht. (vgl.
ebd.,
S.63)
Bedingungen für
den propositionalen Gehalt
Ganz allgemein
bedeuten diese Bedingungen
(propositional
content conditions), dass ein Sprechakt überhaupt zum
Ausdruck einer Proposition dient. Allerdings gibt es auch
Sprechakte wie z. B. grüßen, schimpfen oder fluchen,
durch die keine Proposition (..., dass p) ausgedrückt wird (z.
B. Hallo! Grüß Gott! Verdammter Mist! Verflucht nochmal!
Verflixt und zugenäht!) Beim Versprechen muss also auch der
Gegenstand des Versprechens deutlich gemacht werden. (vgl.
Meibauer
22001, S.90)
Für
»John R. Searle
(geb. 1932) ist der propositionale Gehalt stets unselbständig, weil
seine sprachliche Form ("In der Äußerung T drückt S die
Proposition aus, dass p." –
Searle
1969/1971, S.88) nur in einem Nebensatz dargestellt
werden kann; dahinter steht die Pragmatisierung des
propositionalen Gehalt durch den ▪
Referenz- und ▪
Prädikationsakt
und damit seine Abhängigkeit von seiner
▪ illokutionären Verwendung (vgl. (Krämer
2001, S. 64)
Einleitungsbedingungen
Einleitungsbedingungen
(preparatory conditions)
beziehen sich auf zu erfüllende
Sachverhalte, damit ein Sprechakt überhaupt Sinn
macht. Sie werden auch als "vorbereitende
Bedingungen" aus dem Englischen übersetzt, können aber auch
als "Präferenz-Bedingung" (Hindelang
42004, S. 86) bezeichnet werden.
So macht es
keinen Sinn, jemanden zu einem Tun aufzufordern, das er bereits
tut, oder wenn sich jemand für etwas entschuldigt, was er gar
nicht getan bzw. zu verantworten hat. Und wenn ein Versprechen
gegeben wird, macht das nur Sinn, wenn das, wozu sich der
Sprecher damit selbst verpflichtet, auch von dem Hörer gewünscht
und nicht sowieso passieren wird (Relevanzbedingung). (Komplizierter wird dies freilich, wenn man Sprechakte wie
den folgenden berücksichtigt: Hör damit auf, oder ich
verspreche dir eine Tracht Prügel!) In diesem Falle wird der
Hörer wünschen, dass das Versprechen, das hier im intensivierend
verwendet wird, eben nicht in die Tat umgesetzt wird.
Aufrichtigkeitsbedingungen
Aufrichtigkeit
als Bedingungen (sincerity
conditions) zielen darauf, dass eine Äußerung nicht einfach
nur dahingesagt sein darf, sondern, wenn die Äußerung als
Sprechakt gelten soll, "auch die feste Absicht (im Sinne einer
psychischen Einstellung)" (Meibauer
22001, S.91) zum Ausdruck bringen muss, "etwas
Bestimmtes zu tun." (ebd.)
Bezieht man dies auf das Versprechen, dann muss man allerdings
ernstgemeinte, von nicht ernstgemeinten bzw. nicht wörtlich
gemeinten Versprechen unterscheiden. (Hindelang
42004, S. 88
Grundsätzlich
gesehen geht es bei den Aufrichtigkeitsbedingungen um "mentale
Zustände: Die Absichten und Meinungen von Sprechern müssen mit
dem dem übereinstimmen, was sie sagen." (Krämer
2001, S. 64) Diese mentalen Zustände bringen den beim
Vollzug eines Sprechaktes "»zugrunde« liegenden psychischen
Zustand" zum Ausdruck" (ebd.).
Dabei ist es unerheblich, "ob dieser psychische Zustand nun
tatsächlich vorliegt oder nicht." (ebd.)
Wesentliche
Bedingung (illokutionärer Punkt)
Wesentliche
Bedingungen (essential
conditions) streichen die besondere Rolle des
illokutionären Akts heraus.
In der Praxis bedeutet, das man
z. B. nichts versprechen kann, was ganz offenkundig überhaupt
nicht passieren kann oder dass man, wenn man eine Mitteilung
macht, auch bereit ist, auf Nachfrage zu beweisen, was man
gesagt hat, oder auch Fragen, auf die Antwort auf die Frage
schon weiß, nicht stellt.
Im Grunde geht
es also mit dieser Bedingung, die Searle später auch den
illokutionären Punkt genannt hat (vgl.
ebd.),
um die Notwendigkeit, den illokutionären Zweck der
Sprechhandlung klar auszudrücken. So drückt man beispielsweise
beim Versprechen und anderen ▪
Kommissiven wie z. B.
drohen, anbieten, garantieren, schwören usw. aus, dass
man sich als Sprecher auf ein bestimmtes Verhalten festlegt bzw.
damit zu einer bestimmten Handlung verpflichtet.
Bedeutungstheoretische Bedingung
Die
bedeutungstheoretische Bedingung für das Gelingen eines
Sprechakts zielt darauf, dass
aus der Äußerung, die ein Sprecher macht, auch auf dessen Intentionen geschlossen werden
kann. Im Grunde geht es dabei um die Erkenntnis des Hörers,
dass der Sender einen bestimmten illokutionären Effekt bei ihm
bewirken will. Dies wird nach Searle dadurch ermöglicht, dass
die "Bedeutung des Geäußerten (...) durch die Konventionen mit
der Erzeugung des illokutionären Effekts verbunden (wird)". (ebd.,
S.65)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.08.2022
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