▪ Sprechen als Handeln
▪
Überblick
▪
Handlungsarten
▪
Sprechen als kommunikatives Handeln
▪
Kommunikationspsychologie
▪
Vier-Seiten-Modell der zwischenmenschlichen Kommunikation
Sprechen, ist nicht nur einfach etwas sagen
"Wenn
du jetzt aufhörst, mich zu ärgern, verrate ich Papa nicht, dass
du geraucht hast", sagt der Junge im nebenstehenden Bild. Er
sagt, was er sagt mit einer bestimmten Laut- und Wortfolge: er
spricht.
Was er dabei allerdings sagt, was er damit meint und was er mit
seiner Äußerung bei seinem Gegenüber bewirkt, ist mit der
sprachlichen Artikulation der Laute noch nicht "gesagt" bzw.
kann durch das einfache Hören von seinem Gesprächspartner nicht
verstanden werden. Damit die Kommunikation gelingt, müssen eine
ganze Reihe anderer Gesichtspunkte berücksichtigt und etliche
Regeln befolgt werden.
Mit solchen Fragen beschäftigt sich auch die ▪
Kommunikationspsychologie, die aber dabei anderen Ansätzen
folgt und eigene Modelle wie z. B.
▪
Vier-Seiten-Modell der zwischenmenschlichen Kommunikation
das entwickelt hat, das ▪ in der
Schule zur Analyse von mündlichen Kommunikationsereignissen
sicher eine größere Verbreitung gefunden hat als die
pragmatisch-linguistischen Konzepte der Sprechakttheorie.
"Willst du mir drohen?", könnte der Angesprochene antworten, um
mit der Antwort auf diese
illokutive Rückfrage in Erfahrung zu bringen, was der Kleine gemeint
hat und von ihm erwartet. Es könnte sich schließlich auch um
eine Art Hilferuf des Kleinen handeln, ihn einfach mal in Ruhe
zu lassen. Der Kleine hätte aber auch klipp und klar sagen
können: "Ich warne dich, wenn du mich jetzt nicht in Ruhe lässt
..." dann wäre das, was er mit seiner Äußerung meint, noch
klarer.
Indem er die Formal "ich warne dich" voranstellt, drückt er mit
einer sogenannten ▪
explizit-performativen Formel aus, was er mit seiner
Äußerung " tut", d. h. welche Handlung er damit "performed" (to perform
= vollziehen) bzw. "vollzieht":
Er will nicht einfach nur ▪ einen
Rat geben, nicht nur ▪ mitteilen,
was ihn beschäftigt, sondern mit seinen Worten zugleich eine ▪
Drohung
zum Ausdruck bringen, in der Erwartung, dass sein Gegenüber tut,
was er von ihm verlangt. Dabei schwingt, wie bei vielen solchen
Sprechhandlungen alles mit. Natürlich teilt der Kleine etwas
mit, ganz egal ob er das Ganze als "guten" Rat oder als klare
Drohung verstanden haben will.
Auch wenn der Kleine, wenn er seine Intentionen explizit macht,
das Verb warnen verwendet, handelt es sich im Kern um eine ▪
Drohung.
Vielleicht noch leichter lässt sich intuitiv nachvollziehen, was
unter einer Sprechhandlung und einem Sprechakt zu verstehen
sind, wenn man sich klarmacht, was wir tun, wenn wir jemanden
▪ beleidigen oder eine Beleidigung zurücknehmen.
Dies soll die nebenstehende Abbildung verdeutlichen.
Werden
Beleidigungen Gegenstand von privatrechtlichen
Gerichtsverfahren, kann man sich jedenfalls nicht damit
herausreden, dass man nur ein paar Geräusche gemacht habe. (vgl.
Meibauer
22001, S.84) Und bei der "Majestätsbeleidigung"
die in etlichen Staaten der Welt in dieser oder jener Form noch
ein Straftatbestand ist, bei dem man, egal ob man mit seinen
Worten die "Majestät" überhaupt beleidigen wollte, ins Gefängnis
wandern kann, ist dies nicht anders. Wer schließlich
berücksichtigt, was große Teile der islamischen Welt unter der
Beleidigung des Propheten verstehen, erkennt auch, dass
Sprechhandlungen in verschiedenen Kulturen ganz unterschiedlich
konventionalisiert sind.
Wenn wir davon sprechen, dass Sprechakte vollzogen werden,
meinen wir also nicht damit, dass nur etwas gesagt bzw.
geäußert wird. Die jeweils vorgenommene Äußerung ist daher auch
nicht der Sprechakt, "sondern vollzieht (realisiert,
konkretisiert) einen Sprechakt." (Krämer
2001, S.68) Anders ausgedrückt: "Der Sprechakt ist nicht das
tatsächlich Gesagte, sondern etwas, das in der einzelnen
Äußerung angewendet wird." (ebd.,
S.70)
Bei unseren
Sprechhandlungen folgen wir Regeln
Auch wenn uns
das, wenn wir miteinander sprechen "weder bewusst noch
unbewusst" (ebd., S.58) ist: Wir folgen dabei stets bestimmten Regeln
nach denen wir unsere Sprechhandlungen gestalten oder die
Sprechakte anderer verstehen. Dabei sind solche Regeln nicht wie
ein sprachlich fixiertes normatives Regelwerk mit regulativen Regeln zu verstehen, sondern wir folgen ihnen
einfach, wenn wir sprechen. Das ist ganz ähnlich wie bei einem
Schachspiel, dessen Regeln "das, was sie regulieren, überhaupt
erst hervorbringen" (ebd.),
nämlich das Spiel selber. Wie sich Searle dies vorstellt, wird
an seiner ▪ Theorie der indirekten
Sprechakte deutlich.
Weil wir bei
unseren Sprechhandlungen also den kulturell und gesellschaftlichen
Gepflogenheiten folgen, die mit solchen Sprechhandlungen
verbunden sind, können sie von einem Sprecher so vollzogen
werden, dass die Person, an die sie gerichtet sind,
sie verstehen kann.
Allerdings spielen dabei etliche Faktoren
(▪
Illokutionsindikatoren)
eine Rolle, die dazu beitragen, dass ein Hörer erkennen kann,
was gemeint ist. Und: Diese Faktoren sind nicht allein
sprachlicher Natur, sondern sind auch von der
Situation abhängig, die letzten Endes
genau bestimmt, was mit der sprachlichen Äußerung gemeint ist.
Situation bedeutet dabei nicht nur die ganz konkrete
Verwendungs- bzw. Kommunikationssituation, in der die Äußerung
gemacht wird, sondern den "ganzen sozialen und kulturellen
Rahmen" (ebd.,
S.69). Man kann sie im textuellen Zusammenhang auch als
"Kontextindikatoren" (Brinker
41997, S.91f.)
bezeichnen.
Allerdings kann es auch aus vielerlei Gründen
dazu kommen, dass das, was wir beim Sprechen tun, auch nicht so
klar ist, wie es sich Sprecher und Hörer eigentlich vorstellen.
Das kann schon daran liegen, dass die Kommunikation daran
scheitert, dass der Hörer/die Hörerin akustisch überhaupt nicht
mitbekommt, was an ihn adressiert wird, sei es weil er/sie zu
weit weg, die Äußerung von ihrem Sprecher nur so hingenuschelt oder
der Hörer/dieHörerin unter Einfluss von
Alkohol einfach nicht mehr "einordnen" kann, was man ihm/ihr
sagt.
Die von Searle als grundlegend angesehene ▪
Bedingung für
eine glückende Kommunikation ist, dass das, worauf man als Sprecher hinauswill (▪ illokutionärer Akt),
sich unter ▪ normalen sprecher- und hörerseitigen Bedingungen
("normale Eingangs- und Ausgangsbedingungen")
vollzieht,wäre in den geschilderten Fällen nicht erfüllt.
Ebenso wäre es ein Bruch der
▪ Regeln, wenn der Mieter einer Kleingartenparzelle in einer
Ansprache an die Nachbarn Russland den Krieg erklärt. (sS. Abb.) Dieser
Sprechakt der
Deklaration einer Kriegserklärung
bleibt in der Sprachgemeinschaft eines bestimmten politischen
Systems sozial einer dazu legitimierten politischen Institution
(Präsidenten, Parlament o. ä.) vorbehalten, die mit diesem
Sprechakt gleichzeitig die legitimierte Institution
repräsentiert und den
propositionalen Gehalt der Äußerung (Kriegserklärung) in dem
Sprechakt vollzieht.
Wir handeln, wenn wir sprechen
(oder schreiben)
Der entscheidende Gedanke, auf dem die Sprechakttheorie
beruht, ist der Gedanke, dass Sprechen stets eine ▪
Form
kommunikativen Handelns darstellt. Die Sprechakttheorie hat
sich aber nie als eine allgemeine
Kommunikationstheorie verstanden.
Sie kann aber einige relevante Aspekte
der Kommunikation erklären und dazu dienen, sie unter ihren
Prämissen zu analysieren. (vgl.
Heinemann 2008, S.121) Sie "untersucht) die Relation
zwischen einer Äußerung (eines Satzes mit einer sprachlichen
Struktur) und einem Handlungstyp (Sprechakttyp) in einer
Äußerungssituation (...)." (Meibauer
22001, S.85) Sie setzt dabei "die Kenntnis
grammatischer Strukturen voraus" und "definiert die
Sprechakttypen einer Sprache, und sie erklärt, wie Äußerungen
Sprechakttypen zugeordnet werden können." (ebd.)
Die Sprechhandlungstheorie geht dabei mit zwei Fragen an
sprachliche Phänomene heran, nämlich:
"(1) Was tun wir,
wenn wir sprechen?
(2) Was tun
wir, indem wir sprechen?
Für die Sprechhandlungstheorie gibt es den Gegensatz also
zwischen 'tun' und
'sprechen' nicht, der im Alltagsbewusstsein besteht und
sich in Äußerungen wie z. B. (3) zeigt:
(3) Jetzt haben wir lange genug geredet, lasst uns endlich
etwas tun!" (Hindelang
42004, S. 4, Hervorh. d. Verf.)
Wir können also etwas praktisch tun (z. B. kochen, schreiben,
tanzen, etc.), das kann man als "praktische Handlungen" (ebd.)
bezeichnen kann oder sprachlich handeln (z. B. behaupten,
bitten, beleidigen, auffordern etc.), was dann "sprachliche
Handlungen" (ebd.) sind.
Sprechakte gehören
zu einem bestimmten Handlungstyp
Die Sprechhandlungen, die wir dabei vollziehen, folgen dabei
einem bestimmten ▪ Handlungstyp
und werden auch als ▪
Sprechakttypen bezeichnet.
Die unten abgebildete Word
Cloud stellt eine Auswahl solcher Sprechakttypen dar. Dabei
handelt es sich allerdings ausschließlich um Verben.
Die
Intentionen von Sprechhandlungen (illokutionärer Akt) können
aber auch ohne Verben ausgedrückt werden. (z. B. das "Ok"
in der Antwort auf die Äußerung des COVID-Leugners in der obigen
Karikatur). Mit anderen Worten: Die Klassifikation von
Sprechakttypen ist also nicht mit der Klassifikation von Verben
zu verwechseln. (vgl.
Meibauer
22001, S.96)

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Sprechakte vollziehen sprachliche Handlungen in der
Kommunikation. Wenn wir jemanden sagen "Tu das nicht", können
wir im Vollzug dieses Sprechakts ganz unterschiedliche
Sprechhandlungen vollziehen, die man in "Handlungstypen"
(Engel
22009, S.35) von Sprechakten zusammenfassen kann.
Die fachwissenschaftlichen Typologien von
Sprechakten unterscheiden sich freilich voneinander.
In diesem Arbeitsbereich befassen wir uns mit zwei
verschiedenen klassifikatorischen Ansätzen:
Hier nehmen
wir Bezug auf die von »Ulrich
Engel (1928-2020) (1988,
31996,
S.35-79; Neubearbeitung 2004,22009,
S.35-58)
Ob mit
der Äußerung "Tu das nicht" also eine ▪
Drohung
ausgesprochen
oder ein
▪
Ratschlag
gegeben werden soll, hängt davon ab, ob der
Sprecher die eine oder die andere Handlung mit seinem Sprechakt realisieren will.
Der
jeweilige ▪ Handlungstyp ist dabei aber kein Sprechakt,
sondern dieser zeigt sich nur in einem seiner Teilakte, dem sogenannten
▪ illokutionären Akt. Der Handlungstyp gibt,
wenn man so will, nur vor, in welchem Handlungsschema der
Sprechakt erzeugt und vollzogen wird. So
gibt es z. B. für die in der oben stehenden Abbildung
ausgedrückten ▪
Drohung
natürlich etliche Varianten, mit denen dieser Handlungstyp
ausgedrückt werden kann.
Als Sprecher
einer Äußerung und als ihr Hörer nehmen wir die Äußerung stets
als eine Ganzheit wahr. Sieht man indessen genauer hin,
wie die Kommunikation beim Sprechen funktioniert, so wie
wir das anhand des obigen Beispieles schon zum Teil gemacht
haben, dann
sind verschiedene Aspekte eines Sprechaktes von Bedeutung,
nämlich
Diese
vier, etwas salopp formulierten Aspekte, führen dazu, dass man
einen Sprechakt in vier unterschiedliche Teilakte unterscheiden
kann.
Das ist aber eine "künstliche" Unterscheidung, denn
während wir eine Äußerung zu kommunikativen Zwecken machen,
während wir also sprechen, passiert das, was man zum Zweck der
Analyse auseinanderhält, stets gemeinsam.
Man unterscheidet
folgende
▪ Teilakte eines Sprechaktes:
Nimmt man eine gewisse Vereinfachung in Kauf, die auch allen
Reformulierungen eigen ist, "lässt sich sagen, dass der
Äußerungsakt dem eher formalen Aspekt der syntaktischen,
morphologischen und phonologischen Betrachtung entspricht, der
propositionale Akt dem inhaltlichen Aspekt der semantischen
Betrachtung und der illokutionäre und perlokutionäre Akt dem
eigentlichen handlungsbezogenen Aspekt der pragmatischen
Betrachtung entsprechen." (Bayer
1982, S.37)
Linke/Nussbaumer/Portmann (2. Aufl., 1994, S.187) haben die vier
Teilakte eines Sprechaktes (nach J. R. Searle) in einer Matrixdarstellung
am Beispiel der Äußerung ▪
<Der Hund ist bissig> dargestellt.
▪ Weitere
Beispiele
▪ «Das
Haus ist schön»
▪ «Der will
doch nur spielen»
Die Tabelle umfasst die
zentralen Aspekte, die bei der "klassischen" Sprechakttheorie
von Bedeutung sind:

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Überblick
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Handlungsarten
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Sprechen als kommunikatives Handeln
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Kommunikationspsychologie
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Vier-Seiten-Modell der zwischenmenschlichen Kommunikation
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
15.08.2022
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