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Schulische Schreibformen: Didaktische und methodische Aspekte
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Themabereich: Lesen »
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Lese- und Rezeptionsstrategien
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Lesen und Textverstehen
(CI-Modell)
"Es kann niemals das Ziel einer Didaktik sein [...]
fachwissenschaftliche Theorien und Methoden für das didaktische
Handeln in Schule und Unterricht gleichsam in einem
1:1-Verhältnis umzusetzen und diese damit auch als didaktische
Leitbilder zu etablieren. Vielmehr ist für das spezifische
Anliegen jeder Didaktik eine grundlegende Didaktisierung
theoretischer Einsichten unerlässlich, eine Umformung, d. h.
Anpassung an die Spezifika von Alter sowie psychischen und
sozialen Voraussetzungen der Lernenden."
Diese Äußerung von
Wolfgang Heinemann (geb. 1926) in einem Aufsatz
"Textdidaktik als angewandte Textlinguistik" (2006, S.22)
beschreibt die elementare Aufgabe, denen sich eine
Didaktisierung der Grundlagenwissenschaften gegenübersieht. Bei
der Konzipierung einer Textdidaktik geht es also nicht primär um
deren wissenschaftstheoretische Ausrichtung an den Kategorien
und Methoden der Textlinguistik, die im didaktischen Umfeld
allzu leicht den Charakter normativer Setzungen annehmen können
(vgl. Haueis
2006, S.11), sondern vornehmlich "um das konkrete und
pragmatische Vermitteln einer relativ kleinen Menge
textlinguistischer Einsichten an bestimmte Lernergruppen –
gekoppelt mit erzieherischen Zielsetzungen."
(Heinemann 2006, S.22, Hervorh. d. Verf.) Daher sei es Aufgabe der
Textdidaktik, Einsichten der Textlinguistik so umzuformen, "dass
die Lernenden Schritt für Schritt zur kommunikativen Kompetenz
geführt werden."
(ebd.)
Prinzipien und methodische Postulate der
Textlinguistik als Basisthesen und Leitlinien für die Textdidaktik
Bei der Umformung textlinguistischer Einsichten im Sinne der
Textdidaktik sollten nach
Heinemann (2006, S.22) folgende Maximen gelten:
"a. Kommunikation ist Handeln mit Texten, denn Texte – nicht
Sätze — sind die Grundeinheiten der sprachlichen
Kommunikation. Sie fungieren als Instrumente kommunikativen
Handelns. Folglich sollten auch die didaktischen Prozesse
von Textganzheiten ausgehen und auf sie bezogen sein.
b. Alle Texte – auch die im Unterricht verwendeten
Textexemplare – sind textsortenspezifisch geprägt. Sie
weisen typische Strukturen (teils auch als
Formulierungsmuster) auf. Anzahl und Qualität der von den
Lernenden zu interiorisierenden Textmuster (dazu gehören als
Teilmuster auch intentionale und situative Muster sowie
Textstruktur- und Formulierungsmuster) bestimmen nicht
unwesentlich den Grad der kommunikativen Fähigkeiten der
Lernenden.
c. Alle Texte sollen bei Prozessen der Textproduktion und
der Textrezeption nicht nur zeichenbezogen (also im Hinblick
auf Oberflächenstrukturen und die Semantik), sondern auch
interaktionsbezogen (mit Bezug auf die Partner, die
kommunikativen Situationen und die Intentionen der am
Interaktionsprozess Beteiligten) gekennzeichnet werden."
Statt sich nur an den herkömmlichen didaktischen Prinzipien wie
Anschaulichkeit, Altersangemessenheit etc. zu orientieren,
müssten zur Ergänzung weitere Prinzipien gelten, nämlich:
"– grundsätzliche
Textbezogenheit aller didaktischen Prozesse
–
Interaktionsgebundenheit. Sie impliziert die
Situationsangemessenheit und die grundsätzliche
Partnerbezogenheit.
– Textsortenadäquatheit,
d. h. usuelle Textmuster sollten für den Unterricht
aufbereitet und mit dem für sie jeweils typischen Spielraum
der Ausgestaltung dieses Rahmens gekennzeichnet werden, Es
muss sorgfältig geprüft werden, welche Textsorten sich für
die Verfolgung bestimmter didaktischer Ziele in bestimmten
Altersstufen als sinnvoll erweisen.
– Praxisnähe, Lebensnähe
– Vernetztheit
aller Lernprozesse (Textverstehen und Textanalyse,
mündliche und schriftliche Kommunikation, Reflexion über
Texte und Sprache" (ebd.,
Hervorh.. d. Verf.)
Methodische Aspekte der Textdidaktik
Die
oben dargestellten Basisthesen und Leitlinien lassen sich, so
Heinemann (2006, S.24) auf vielfältige Art und Weise
umsetzen.
-
Das betrifft zunächst einmal die alters- und
entwicklungsgemäße Auswahl von Textganzheiten in ihrer
jeweiligen textsortenspezifischen Prägung, die an bestimmten
Lernzielen orientiert ist. Ob die Texte, die dabei
ausgewählt werden, "authentische" Texte aus bestimmten
Kommunikationsbereichen sind, oder ob sie didaktisierte
Texte sind, spiele dabei nur eine untergeordnete Rolle.
(vgl.
ebd., S.24) (vgl. ▪ "Reibetexte" auf
teachSam)
-
Was die Methodenauswahl betrifft, gilt als "Faustregel", die
Kompetenzorientierung. Auch wenn Heinemann den Begriff
vermeidet, sollen vor allem solche Methoden ausgewählt
werden sollten, bei denen davon auszugehen ist, "dass aus
dem Wissen der Lernen (auch dem Wissen über Texte) ein
Können wird, ein Anwenden-Können in immer neuen Situationen
(wird)." (ebd.)
-
Außer traditionellen Methoden sollten nach Ansicht
Heinemanns "auch spezifische Verfahren der
Textidentifikation (Textsortenerkennung und -kennzeichnung)
bzw. zur Gestaltung von Texten (und Teiltexten mit
spezifischer Prägung" (ebd.)
zum Zuge kommen.
-
Ferner gehören dazu auch die gemeinhin als ▪
produktive Textarbeit
o. ä. bezeichneten
methodischen Verfahren dazu. Von Heinemann werden dazu als
Beispiele, die erweitert werden können, ausdrücklich
genannt:
Zu
ergänzen wären unter dem Aspekt der ▪
prozedurenorientierten Didaktik Übungen zur Ermittlung von
textsortentypischen ▪
Textprozeduren und Prozedurausdrücken in den jeweiligen
Texten und ihre Anwendung bei der Produktion eigener Texte sowie
Übungen zur ▪
stilistischen Auswahl bestimmter sprachlicher Varianten (z. B. durch das Füllen von Lückentexten, vgl.
Sandig
2006, S.61)
Textdidaktische Überlegungen zum Verstehen von
Sachtexten
Die Analyse von Sachtexten stellt das Ergebnis eines umfassenden
Texterschließungsprozesses dar, bei dem Texten nicht einfach
Sinn entnommen werden kann. Die ▪
Sinnkonstruktion, die ein Leser in der Interaktion mit dem
Text dabei vornimmt, beruht immer auch auf extratextuellen
Bezügen, mit denen das erschlossen werden muss, was im Text
nicht ausformuliert ist, aber ebenso zu dem gehört, was ein
Textproduzent sagen will. Um also den Sinn eines Textes zu
konstruieren, müssen auch diese nichtformulierten
Bedeutungselemente jedes Textes ▪
elaborativ inferiert werden.
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Bezogen auf didaktisch relevante Prozesse bei der Rezeption von
umfangreicheren Sachtexten sollte nach Ansicht von
Heinemann (2006, S.25f.) daher der Versuch unternommen
werden, in einem ersten Schritt "möglichst viele
Vorab-Informationen (Layout, Interaktionsrahmen, Textsorte) zu
erfassen. Als 2. Schritt empfiehlt es sich – z. B. in der
Sekundarstufe II – eine thematische Aufgliederung des
Gesamt-Textes in Teiltexte vorzunehmen. Und erst danach sollte
jeder einzelne Teiltext detailliert – bei besonderer
Interpretation der sogenannten 'schweren Wörter' und bestimmter Stilmuster – im Hinblick auf seine Bedeutung erschlossen werden.
Abschließend erlaubt dann eine Zusammenfassung aller
Teiltextbedeutungen das eigentliche Anliegen des jeweiligen
Gebrauchstextes zu erfassen."
Das etwas grobschlächtige Arbeitsschrittemodell Heinemanns kann
durch eine differenziertere Betrachtung verschiedener ▪
Lese- und Rezeptionsstrategien (▪
Primär- und Stützstrategien,
▪
SQ3R-Technik,
▪
PQ4R-Methode,
▪
MURDER-Schema)
ersetzt werden, die ggf. angepasst an bestimmte Sachtextarten (▪
kontinuierliche, ▪ diskontinuierliche
Sachtexte)
und Sachtexte mit unterschiedlicher ▪
Textfunktion bzw. Textintention zu einem vertieften Textverständnis führen
sollen.
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Themabereich: Lesen »
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Lese- und Rezeptionsstrategien
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Lesen und Textverstehen
(CI-Modell)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
30.12.2023
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