Lesen hat eine
genderpolitische Seite. "Männer fürchten lesende Frauen", behauptet
Elke
Heidenreich (2007, S.14) in ihrem Vorwort zu dem Buch "Frauen,
die lesen, sind gefährlich von
Stefan Bollmann
(2007), weil sie nie gern an Frauen gesehen hätten, wenn "sie zu
sehr durchblicken." (ebd.,
S.13)
Aus diesem
Grunde habe man noch im 18. Jahrhundert in die Einbände mancher
Romane Faden und Nadeln eingelassen, um die Frauen daran zu
erinnern, was ihre eigentliche Bestimmung sei: "nicht lesen, sondern
den Haushalt in Ordnung halten. Lesen ist verschwendete Zeit,
verschwendetes Geld, und wer weiß, wohin das führt - eigene Ideen,
Aufruhr, erotische Phantasien, ja, sonst noch was. »Als eine Frau
lesen lernte, trat die Frauenfrage in die Welt«, sagte Marie von
Ebner-Eschenbach. Weil die lesende Frau hinterfragt, und das
Hinterfragen zerstört fest gefügte Regeln." (ebd.,
S.15) Aus welcher Ecke die moralisierenden Einwände gegen das
Lesen, insbesondere das weibliche Lesen auch kamen, sie konnten "den
Siegeszug des Lesens, auch und gerade des weiblichen Lesens, nicht
aufhalten." (Bollmann
2007, S.25)
Weibliches Lesen
ist, seit sich das weibliche Lesepublikum im 18. Jahrhundert
allmählich entwickelt, dabei ▪ stilles
Lesen.

Dass dem so war, lag nicht allein, daran, dass sich Frauen in ihrer
Geschichte gegen die Abwertung ihrer Lektüre erfolgreich zur Wehr
setzten, sondern auch an allgemeinen gesellschaftlichen Prozessen
bei der Herausbildung moderner Gesellschaften wie z. B.
Industrialisierung, Demokratisierung sowie einer "pädagogische(n)
Revolution: eine Alphabetisierungswelle, die alle
Bevölkerungsschichten erfasste, und die stetige Verlängerung der
Ausbildungszeit, die heute oft bis weit ins dritte Lebensjahrzehnt
hineinreicht."
(ebd.)
Auch wenn
man sich heute dem eingangs erwähnten apodiktischen Urteil
Heidenreichs über die Jahrhunderte hinweg in die Gegenwart hinein
nicht uneingeschränkt anschließen mag, so zeigt sich historisch
zumindest in der patriarchalisch-philiströsen "Lesesucht" Kritik der
viellesenden Frauen, schon das Muster, dessen Schlagworte bis in die
Gegenwart nachhallen. Denn "in der Regel wurde vor lesenden Frauen
gewarnt, weil in ihrem Kopf etwas passierte, das nicht zu den
dominanten Lebensplänen passte, die andere für sie machten. Lesen
stellt nicht nur Lebensentwürfe in Frage, sondern auch Vorgaben
höherer Instanzen wie Gott, Gatte, Regierung, Kirche. Lesen
beflügelt die Phantasie, und Phantasie trägt weg aus der Gegenwart.
Als ließe sich das noch kontrollieren. Und alles Unkontrollierbare
macht Angst. Gerade die, die unkontrollierbare Macht ausüben (Gott,
Gatte, Regierung, Kirche), wissen das." (ebd.,
S.19)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
12.08.2020