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Themabereich Lesen

Verbotenes Lesen

Analphabetismus als Herrschaftssicherung

 
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Aus »Ray Bradburys (1920-2012) 1953 erschienen Science-Fiction-Roman »Fahrenheit 451stammt ein bemerkenswertes Zitat über das Lesen: "Sehen Sie nun, warum Bücher gehasst und gefürchtet werden? Sie zeigen das Gesicht des Lebens mit all seinen Poren. Der Spießbürger aber will Wachsgesichter ohne Poren, ohne Haare, ohne Ausdruck." (zit. n. Heidenreich 62007, S.14)

Das die Alphabetisierung und das Lesenlernen von den Herrschenden, solange die Mehrheit der Menschen weder schreiben noch lesen konnt, als Gefahr für ihre eigene Herrschaft ansahen, zeigen Erfahrungen in den amerikanischen Kolonien und in den späteren Sklavenhalterstaaten in den USA, von denen Manguel (Eine Geschichte des Lesens,1999, S.325ff.) berichtet.

Danach hat Karl II. von England im Jahr 1660 ein Dekret erlassen, "dem zufolge die Eingeborenen, Diener und Sklaven der britischen Kolonien im Christentum unterwiesen werden sollten." Dies stieß bei den britischen Sklavenhaltern in den Kolonien aber auf heftigen Widerstand: "Schon der Gedanke an eine »gebildete schwarze Bevölkerung« weckte in ihnen die Furcht, dass ihre Untertanen auf umstürzlerische Ideen kommen konnten. Auch dem Argument, dass die Lektüre der Bibel den sozialen Zusammenhalt stärken würde, misstrauten sie, denn wenn die Sklaven die Bibel lesen konnten, waren sie auch fähig, Pamphlete gegen die Sklaverei zu lesen, und sogar die Heilige Schrift selbst konnte das Verlangen nach Aufruhr und Befreiung schüren." (ebd.)

Und dieser Widerstand der Sklavenhalter gegen das Lesen blieb in den Südstaaten offenbar weitgehend ungebrochen, sodass in South Carolina noch hundert Jahre später "strenge Gesetze erlassen wurden, die allen Schwarzen, ob versklavt oder frei, das Lesenlernen untersagten." (ebd.) Diese Praxis, Lesen zu verbieten, hielt sich über Jahrhunderte: In diesen Staaten "riskierten die afroamerikanischen Sklaven ihr Leben, wenn sie trotz aller Verbote und Schwierigkeiten die Kunst des Lesens erlernen wollten - in aller Heimlichkeit und manchmal in heroischer Anstrengung, wie man vielen Berichten aus dieser Zeit entnehmen kann." (ebd.)

Ein Beispiel wie es Einzelne doch schafften, lesen zu lernen, zeigt das Beispiel von Belle Myers Carothers, die neunzigjährig in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts erklärte, " dass sie lesen lernte, indem sie das mit Buchstabenklötzchen spielende Kind des Plantagenbesitzers beaufsichtigte. Als ihr Herr sie dabei ertappte, trat er sie mit Stiefeln. Doch Belle Myers gab nicht auf. Heimlich lernte sie weiter die Buchstaben auf dem Spielzeug des Kindes entziffern und dann auch die Wörter in einer alten Fibel, die sie irgendwo aufgetrieben hatte. Eines Tages, so berichtete sie, »fand ich ein Gesangbuch und entzifferte die Worte: >When I Can Read My Title Clear< .»Ich war so glücklich, als ich merkte, dass ich lesen konnte, dass ich gleich losrannte und es allen anderen Sklaven erzählte.«"(ebd.)

Und der Sklave Leonard Black, den man beim verbotenen Lesen erwischte, wurde von seinem Herrn so brutal ausgepeitscht, dass er seinen "Wissensdurst fürs erste zum Erliegen brachte" und er bis zu seiner Flucht keine weiteren Versuche mehr unternahm.

Wer in dieser Sklavenhaltergesellschaft als afroamerikanischer Sklave das Lesen erlernen wollte, konnte das vielleicht bei bei Mitsklaven oder menschenfreundlichen Weißen tun, in jedem Falle musste es heimlich sein, um keine Repressalien zu erleiden.

Die Sklavenhalter wussten wohl, warum sie ihren Sklaven das Lesen verboten: "Führte das Lesenlernen die Sklaven auch nicht direkt in die Freiheit, so eröffnete es ihnen doch den Zugang zu einem wichtigen Machtinstrument ihrer Unterdrücker - dem Buch. Die Sklavenhalter fürchteten (wie alle Potentaten, Diktatoren, Tyrannen, absolute Monarchen und andere Usurpatoren der Macht) in hohem Maße die Macht des geschriebenen Wortes. Sie wussten, weit besser als manche Leser: Lesen ist eine Kraft, wer nur ein paar Worte lesen lernt, der kann bald alle Worte lesen und, schlimmer noch, über diese Worte nachdenken und schließlich seine Gedanken in die Tat umsetzen. [...]
   Die Diktatoren aller Epochen wussten und wissen, dass eine analphabetische Masse am leichtesten zu lenken ist. Da die Fähigkeit des Lesens, einmal erlernt, nicht rückgängig gemacht werden kann, bleibt ihnen als zweitbeste Lösung die Eindämmung des Lesestoffs, Bücher werden von Diktatoren gefürchtet wie keine andere menschliche Erfindung. Die absolute Macht duldet nur eine offizielle Lesart; statt ganzer Bibliotheken widerstreitender Meinungen soll nur das Wort des Herrschers gelten. [...] Der Macht folgt daher, in welcher Gestalt auch immer, die Zensur auf dem Fuße, und die Geschichte des Lesens wird begleitet von der schier endlosen Geschichte der Bücherverbrennungen, von den ersten Papierrollen bis zu den Büchern unserer Zeit. [...] Die Bücherverbrenner erliegen der Illusion, dass sie mit ihrem Tun die Geschichte abschaffen und die Vergangenheit auslöschen können. [...] 
   Autoritäre Leser, die anderen das Lesenlernen verbieten; fanatisierte Leser, die darüber befinden, was man lesen darf und was nicht; stoische Leser, die sich die Lesefreude versagen und nur Tatsachendarstellungen dulden, die sie selbst für wahr halten - sie alle versuchen, die vielfältigen Potenzen, die das Lesen verleiht, einzudämmen und zu ersticken. Aber Zensoren können auch anders gegen die Literatur vorgehen, ohne Scheiterhaufen und ohne Gerichtsurteile. Sie können Bücher uminterpretieren und sie damit ihren eigenen Zwecken dienstbar machen." (ebd.)

Abb.: Lesende Sklavin 1856 in Aiken, South Carolina, Ausschnitt aus "Aunt Betsy's cabin in Aiken, South Carolina, wahrscheinlich fotografiert von J.A.Palmer 1876, Collection of the New York Historical Society

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 12.08.2020

 
 

 
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