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Objektwahrnehmung

Überblick


PSYCHOLOGIE

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Die Art und Weise, wie wir die distalen Reize, die wir aus unserer Umwelt über unsere verschiedenen Sinne (Wahrnehmungsmodalitäten) empfangen, so verarbeiten können, dass wir am Ende eines Verarbeitungsprozesses dieser Reizinformationen Objekte voneinander abgrenzen, identifizieren und kategorisieren können, ist eine der Grundfragen, die sich bei der sogenannten Objektwahrnehmung stellen. Was wir dabei "tun", damit dies gelingt, ist uns gänzlich unbewusst. Erst wenn wir ein Objekt als solches erkannt haben, also eine Blume als Blume wahrnehmen (im Sinne von erkennen, identifizieren), wird uns das Ergebnis dieses Objekterkennungsprozesses bewusst, wissen wir also in der Regel, was wir in diesem Fall sehen.

Wie wir es bzw. welche Mechanismen es bewerkstelligen, dass wir aus der Vielzahl der Wellen reflektierten Lichts, die über das Auge bei der ▪ visuellen Wahrnehmung aufgenommen werden, am Ende ein bestimmtes Objekt (Blume, Kerze ...) ausmachen können, das von der Menge aller anderen Objekte als eine Einheit abgegrenzt, identifiziert und als Blume zum Beispiel kategorisiert werden kann, sind Fragen, die verschiedene Forschungsansätze zur Objekterkennung zu beantworten suchen. Und dass wir, auch wenn wir durch eine veränderte Betrachtungsperspektive ein Objekt wie einen Quader auch dann noch als einen Quader wahrnehmen und kategorisieren, obwohl wir keine sechs rechteckigen Seitenflächen, die im rechten Winkel aufeinander stehen, sehen, zeigt, dass unsere Wahrnehmung alles andere als ein rein passives Aufnehmen von Reizinformationen darstellt.

Weil es dabei immer auch um die Reduktion der auf unsere Wahrnehmungssysteme treffenden Informationen in unserer Umwelt geht (wir können nicht alles wahrnehmen), dreht es dabei auch immer um Fragen, wie bestimmte Objekte klassifiziert und kategorisiert werden. Insofern ist auch die Objekterkennung kein rein passives Aufnehmen von Reizinformationen, sondern stets ein aktiver Prozess, an dem unterschiedliche kognitiv unbewusste und kognitiv bewusste Mechanismen in unterschiedlichen Prozessen (z. B. ▪ Bottom-up- und Top-down-Verarbeitung) beteiligt sind.

Eines der zentralen Probleme, mit dem sich unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen beschäftigen, stellt dabei das so genannte ▪ Bindungsproblem (binding problem) dar. Darunter versteht man, stark vereinfacht, die Fähigkeit des ▪ Gehirns, aus der überwiegend parallelen Verarbeitung sensorischer Daten, ohne Vorhandensein eines alles koordinierenden Gehirnteiles zu einer einheitlichen Vorstellung zu gelangen.

Das Objekt vom Hintergrund trennen (Gestaltgesetze)

Wenn wir bei unserer visuellen Wahrnehmung ein einzelnes oder mehrere Objekte identifizieren, trennen wir es zunächst einmal von seinem Hintergrund. Was das bedeutet, wird bei den sogenannten ▪ Kippbilder deutlich. Je nachdem, wie wir das sogenannte Figur-Grund-Problem "lösen" sehen wir z. B. im Fall der ▪ optischen Täuschung, die der sog. ▪ Rubin'schen Vase zugrunde liegt, eine Vase oder eben zwei Gesichter.

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Dazu kommen aber noch weitere Organisationsprinzipien, die wir bei der Wahrnehmung anwenden, die von Max Wertheimer entdeckt worden sind. Diese als Gestaltgesetze bezeichneten Organisationsprinzipien können neben der Textsegmentierung als "Vorstufen der Objekterkennung" (Müsseler 2017, S.31) angesehen werden.  Sie wurden in ihrer ursprünglichen auf sechs einfache Gesetze beschränkten Fassung von »Max Wertheimer (1880-1943) (1923) in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts formuliert und später von Palmer (1999) um drei weitere ergänzt.

Um zu einem kohärenten, als zusammenhängend wahrgenommenen Objekteindruck zu gelangen, stützen wir uns beim  »gestaltpsychologischen Ansatz auf bestimmte Organisationsgesetze und einfache Regeln, um Formen und Umrissen zu einer Gestalt zusammenzufassen. Diese »Gestaltgesetze bzw. Gestaltfaktoren sind:

  • Gesetz der Nähe: Elemente mit geringen Abständen zueinander werden als zusammengehörig wahrgenommen. (perzeptuelles Strukturieren)

  • Gesetz der Ähnlichkeit: Einander ähnliche Elemente werden eher als zusammengehörig erlebt als einander unähnliche. (perzeptuelles Strukturieren)

  • Gesetz der guten Gestalt (oder Einfachheit bzw. Prägnanz): Es werden bevorzugt Gestalten wahrgenommen, die in einer einprägsamen (Prägnanztendenz) und einfachen Struktur (= „Gute Gestalt“). resultieren.

  • Gesetz der guten Fortsetzung (oder der durchgehenden Linie): Linien werden immer so gesehen, als folgten sie dem einfachsten Weg. Kreuzen sich zwei Linien, so gehen wir nicht davon aus, dass der Verlauf der Linien an dieser Stelle einen Knick macht, sondern wir sehen zwei gerade durchgehende Linien.Man versucht damit, eine Linie - gerade oder gekrümmt – stetig fortzusetzen.

  • Gesetz der Geschlossenheit: Es werden bevorzugt Strukturen wahrgenommen, die eher geschlossen als offen wirken.(Schließungstendenz).

  • Gesetz des gemeinsamen Schicksals: Zwei oder mehrere sich gleichzeitig in eine Richtung bewegende Elemente werden als eine Einheit oder Gestalt wahrgenommen. (perzeptuelles Strukturieren)

Diese Gesetze wurden von Stephen Palmer in den 1990er Jahren um drei weitere Gestaltgesetze ergänzt:

(vgl. Seite "Gestaltpsychologie“. in: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 25. Januar 2021, 18:22 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gestaltpsychologie&oldid=208068859  (Abgerufen: 10. Februar 2021, 19:02 UTC)

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Wahrnehmungskonstanzen sorgen für eine einheitliche Objektidentifikation bei unterschiedlicher Betrachtungsperspektive

Die distalen Reize, die wir aus unserer Umwelt bei der visuellen Wahrnehmung empfangen, führen, je nachdem, welcher Perspektive wir sie empfangen, zu einem jeweils sehr unterschiedlichen Abbild auf unserer Netzhaut (Retinababbild) (proximaler Reiz). So sieht ein Quader vielleicht eher wie ein Trapez aus. Dennoch lassen wir uns bei der Wahrnehmung des Objektes davon gewöhnlich nicht irritieren. Dies liegt daran, dass wir über sogenannte Wahrnehmungskonstanzen verfügen, die z. B. perspektivische Verzerrungen "herausrechnen". Unsere Wahrnehmung rekonstruiert dabei aus dem perspektivisch verzerrten Retinaabbild das reale Objekt bzw. die Eigenschaften des distalen Reizes. Aus diesem Grunde werden sie auch als Objektkonstanzen bezeichnet.

Sie bewirken, dass (in den meisten Fällen schon bekannte) Objekte trotz wechselnder Umgebungs- und Lichtverhältnisse ihre Farbe, Form, Größe und Helligkeit behalten. Damit wird der jeweilige Wahrnehmungseindruck stabilisiert, der zu einer stabilen Objekterkennung beiträgt.

Unterschieden werden dabei Größen-, Form-, Farb- und Helligkeitskonstanz.

  • Die Größenkonstanz bezieht sich auf die Fähigkeit unseres visuellen Wahrnehmungssystems, ein Objekt in gleicher Größe wahrzunehmen, auch wenn sein Abbild auf der Netzhaut (proximaler Reiz) sich, z. B. durch eine andere Entfernung zum Objekt, deutlich verändert und kleiner wird. Grundlage dafür ist unser Wissen darüber, dass Menschen im Allgemeinen eine gleichbleibende Körpergröße besitzen, sowie Berechnungen des Systems, mit dem es zu einer Einschätzung der jeweiligen Größe auf der Grundlage von Distanzinformationen gelangt, "die weitgehend unabhängig von der Distanz zum Beobachter ist." (Müsseler 2017, S.32)

  • Als Formkonstanz oder Gestaltkonstanz bezeichnet man das Phänomen, dass ein Objekt als eine konstante Form bzw. Gestalt wahrgenommen wird, auch wenn es gedreht oder gekippt ist oder sonstwie perspektivisch verzerrt erscheint.
    Beispiel: Der obere Rand eines Trinkglases wird von uns als rund bzw. als Kreis wahrgenommen, obwohl das Retinaabbild wahrscheinlich elliptisch ist.

  • Bei der Farbkonstanz erscheinen Objekte unabhängig wechselnder Lichtverhältnisse mit ihren verschiedenen Wellenlängen, die von einem Objekt reflektiert werden, in ihrer Farbe gleich. Das menschliche Gehirn vergleicht dabei das von einem Objekt reflektierte Licht mit dem Licht, das aus der Umgebung kommt, und steuert aus seinem Wissen dazu, dass ein bestimmtes Objekt seine Farbe behält. In Wirklichkeit ist allerdings die von einer schwarzen Fläche reflektierte Lichtmenge in der Sonne natürlich um ein Vielfaches höher als in einem schlecht beleuchteten Raum. Trotzdem bleibt das Schwarzempfinden davon unverändert.
    Beispiel: Eine ausgereifte rote Tomate wird nicht dadurch als gelb wahrgenommen, wenn man sie einen schwach beleuchteten Kühlschrank legt.

  • Die Helligkeitskonstanz sorgt dafür, dass Objekte unabhängig wechselnder Lichtverhältnisse gleich hell bzw. dunkel erscheinen , auch wenn sich die Beleuchtungsverhältnisse objektiv ändern bzw. sich Unterschiede bei der tatsächlichen Lichtmenge zeigen, die von einem Objekt reflektiert wird
    Beispiel: Die Spielkarten Kreuz und Pik wirken gleichermaßen schwarz unabhängig davon, ob man sie in der Sonne oder in einer dunklen Kneipe betrachtet.

 Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 17.12.2023

 
 

 
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