Edgar Neis untersucht die
•
Zeitgestaltung in der
Erzählung
•"Ein Tod" von Arno Holz und Johannes
Schlaf aus dem Jahr 1889. Dabei sieht er in
der
•
szenischen Darstellung, die
•
Erzählzeit
und
•
erzählte Zeit
dem natürlich-physikalischen Zeitablauf entsprechend gestaltet, eine
Form der Zeitgestaltung, die in besonderer Weise in epischen Werken der
Literaturepoche des
Naturalismus (1880-1910) zu
finden ist. In diese den Skizzen "Papa Hamlet" entnommenen Erzählung
verwenden die beiden Autoren den so genannten
Sekundenstil. Dieser versucht, sämtliche inneren und äußeren
Vorgänge in
linearer zeitlicher Reihenfolge
von Sekunde zu Sekunde in allen Einzelheiten zu registrieren. Dies kann
sogar so weit gehen, dass die Sprache grammatische Fehler aufweist,
unvollständig ist oder unlogisch wirkt. Wirklichkeit soll, das ist das
Ziel dieser Darbietungstechnik, möglichst total nach- bzw. abgebildet
werden. Damit soll u. a. die Unabsehbarkeit der Realität zum Ausdruck
gebracht werden.
"Ein Tod" steht […] im Mittelpunkt der Erzählung […]. Es
handelt sich um eine Geschichte von Arno Holz und Johannes Schlaf, die den
Tod eines Studenten schildert. Dieser wird in einer ärmlichen
Studentenbude von zwei Kommilitonen Olaf und Jens nach einem Duell
versorgt, bis sie schließlich feststellen müssen, dass der Duellant tot
ist. Unser Text versucht, wie es die Absicht des konsequenten
Naturalismus war, die Natur "exakt zu reproduzieren", indem er Wort für Wort
der Unterhaltung zwischen den beiden Studenten Olaf und Jens wiedergibt.
Arno Holz und Johannes Schlaf wollten in der "Sprache des
Lebens" schreiben. Mit - im wahrsten Sinne des Wortes - minuziöser
Genauigkeit wird der Dialog der beiden Studenten aufgezeichnet. Die
Absicht dieser Dialogtechnik ist eine äußerste Vergegenwärtigung aller
einzelnen Momente der Unterhaltung, so wie sie ein Zuhörer wirklich
erlebt. Dieses Erzählen will keine Vergangenheit mehr darstellen, es will
nur noch absolute Gegenwart sein. Es deutet nicht … über sich selbst
hinaus. Der Dichter erkennt keinen übergreifenden Sinnzusammenhang, gibt
keine Sinndeutung […] (Edgar Neis, Struktur und Thematik der
traditionellen und modernen Erzählkunst, Paderborn: Ferdinand Schöningh
1965, S.61ff.)
So sieht Edgar Neis auch in der Zeitgestaltung des Textes
realisiert, was
Arno Holz (1863-1929) an anderer
Stelle programmatisch über die
•
ästhetische Theorie des Naturalismus
in folgender Weise ausgeführt hat:
"Die Kunst hat die Tendenz, wieder die Natur zu sein."
Formelhaft ausgedrückt: "Kunst = Natur - x." (zit. n.
Hofacker 1989/1992, S. 311).
So folgert Neis aus der Zeitgestaltung des vorliegenden Textes:
"Erzählzeit und erzählte Zeit decken sich völlig; die Anpassung des
Erzählten an die Wirklichkeit der physikalischen Zeit ist in konsequenter
Weise gelungen; "die Kunst hat die Tendenz, wieder die Natur zu sein, sie
wird sie nach Maßgabe ihrer Mittel (ihrer jeweiligen
Reproduktionsbedingungen) und deren Handhabung", lautet einer der
wichtigsten Kernsätze des konsequenten
Naturalismus." (ebd.)