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Themabereich: LesEN »
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KOMPLEXE Lese- und Rezeptionsstrategien
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Primär- und Stützstrategien
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SQ3R-Technik
▪ PQ4R-Methode,
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MURDER-Schema
Wer einen Text mit der
suchenden Lesetechnik liest, im
angloamerikanischen Sprachraum spricht man hier von Scanning (=
abtasten, absuchen, durchsuchen), will im Gegensatz zum ▪
sequenziellen Lesen von vornherein
einen Text nicht vollständig lesen und im Unterschied zum ▪
orientierenden Lesen (Skimming) sucht er/sie nach selbst gewählten
Textinformationen.
Suchendes Lesen als
Anschlusstechnik
Suchendes Lesen wird
dabei meist im Anschluss an andere Lesetechniken durchgeführt.
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Es kann sich
natürlich an die vollständige Primärrezeption eines Textes in Form
des ▪ sequenziellen Lesens
anschließen, wenn die Arbeit mit dem Text wieder aufgenommen wird,
um zu einem vertiefteren Textverständnis zu gelangen.
-
Es wird aber häufig
auch nach dem ▪ orientierenden Lesen (Skimming)
(auch ▪ diagonalen Lesen oder
Querlesen) zum Einsatz kommen, mit dem man sich einen Überblick
über den Text verschafft und entschieden hat, ob der Textinhalt zu
den Lesezielen, die man anstrebt, passt oder nicht.
Ein suchender Leser
will dem Text bestimmte Informationen entnehmen
Ist der der Leser sich
darüber klargeworden, dass der Text relevante Informationen zu seinen
Lesezielen enthält, will er in der Regel nach einer bestimmten Textstelle oder einem bestimmten
Textinhalt oder Objekt in einem Text suchen und die entsprechende
Information entnehmen.
Am besten kann man sich den Vorgang, der sich
dabei abspielt, vorstellen, wenn man an das schnelle Auffinden einer
Telefonnummer in einem Telefonbuch, eines bestimmten Musiktitels in
einer Playlist von iTunes oder dem Spielergebnis einer bestimmten
Mannschaft auf der Sportseite einer Zeitung. Da hilft es auch häufig,
wenn man einen Finger zu Hilfe nimmt und den Text beim Scannen,
besonders bei Tabellen oder tabellenartigen Auflistungen vertikal, bei
Fließtext horizontal "abfährt". Das stärkt die visuelle Konzentration
auf die gerade abgesuchte Textstelle.
Scanning soll von einem
umfangreichen sequenziellen Leseprozess entlasten und beim Auffinden und
Lesen relevanter Texte bzw. Informationen Zeit einsparen. Das bedeutet
aber nicht, dass dieses Lesen grundsätzlich oberflächlich ist. Es wird
nämlich nur gezielt nach dem gesucht, was einen in dem ▪
kontinuierlichen oder diskontinuierlichen Text interessiert.
Scanning und Speed
Reading
Seine lesekönomische Ausrichtung
macht das suchende Lesen (Scanning) zu einer Form des
sogenannten »Schnelllesens (Speed Reading), das darauf zielt, Texte
besonders schnell zu lesen und doch den Inhalt hinreichend zu erfassen
und zu verstehen.
Hinter dem Speed
Reading steht aber auch ein lukratives Geschäftsmodell: Unzählige Kurse
zum "Power Reading", "Turbolesen", "Scan Reading", "Alpha Reading" oder
"Impoved Reading" machen aus der Not vieler Menschen, die in engen
Zeitplänen gefangen und unter "einem strikten Zeitregiment" einer rundum
"bewirtschaftete(n) Zeit" leben (Safranski
2015, S.106) und im Gefühl der Zeitknappheit Zeit gewinnen wollen,
eine Tugend und versprechen, gegen eine stattliche Kursgebühr versteht
sich, mit Abstandsregeln (Augenabstand zum Text soll 40 cm betragen),
der Aufforderung den Text weder laut noch gedanklich mitzuspreche und
allerhand anderer Tipps das Lesetempo normaler Leserinnen und Leser zu
verdoppeln, wenn nicht gar zu verdreifachen.
Ein Konzept für den
Erwerb einer umfassenden ▪
Lesekompetenz
kann und soll Speed Reading natürlich nicht sein.
Erfolgreiches Scanning
beruht auf bestimmten Voraussetzungen
Um die selbstgesetzten
oder vorgegebenen Leseziele mit
dem suchenden Lesen erreichen zu können, muss man über einschlägige
Erfahrungen im Umgang mit den Texten bzw.
Textmustern haben,
in denen in diesem Schnelllesemodus nach bestimmten Informationen
gesucht werden soll.
Was das bedeutet, wird einem schnell klar, wenn man
sich vor Augen führt, wie schwer sich manche Personen, die nicht zu den
sogenannten Digital Natives gehören, damit tun auf Webseiten schnell
bestimmte Informationen zu finden oder einen Link zu irgendeiner anderen
Seite. Meistens sind sie gewohnt, linear-sequenziell Wort für Wort und
Satz für Satz zu lesen und befürchten, wenn sie dies nicht tun, könnten
sie wichtige Informationen
einfach "überlesen". Nur sehr zögerlich sind sie bereit, in einem Text "herumzulesen"
und manches einfach zu überspringen.
Aber auch andere
Beispiele verdeutlichen, dass erfolgreiches Scanning stets auf
Kompetenzen beruht, die man in Theorie und Praxis erworben hat:
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Wer zum ersten Mal
eine gedruckte Zeitung in der Hand hat und "schnell" herausfinden
will, wie sich seine Mannschaft in einem Spiel gegen eine andere
geschlagen hat, kommt nur dann schnell zum Ziel, wenn er/sie
weiß,
dass eine herkömmliche Tageszeitung ihren Inhalt nach Ressorts und
Rubriken aufteilt. Man muss also schon wissen, wie das Material
strukturiert ist, das man auf diese Weise durchforsten will.
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Wer einen ▪
Dramentext
suchend lesen will, muss sich mit den ▪
Textschichten (Haupt- und Nebentext) auskennen, und z. B. im ▪
Nebentext
▪
Akt- und Szenenmarkierungen
identifizieren, die ▪
Markierung des jeweiligen Sprechers
kennen und ▪
Bühnenanweisungen
von der normalen ▪
dramatischen Rede (Repliken der Figuren) unterscheiden können.
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Auch das suchende Lesen verschiedener ▪
Typen
(diskontinuierlicher) ▪
Infografiken kann nur dann erfolgreich sein, wenn man über deren
Strukturen genügend Vorwissen besitzt und es beim Scanning anwenden
kann. Wer z. B. wissen will, auf welche statistischen Quellen eine
bestimmte ▪
Bildstatistik zurückgeht, der weiß, dass die ▪ Quellenangabe
nicht im eigentlichen Bildbereich der Darstellung (▪
Zeichnungsfläche) oder der ▪
Legende des Diagramms,
sondern eher an den Seitenrändern, unter der Zeichnungsfläche oder
unter dem ▪ Diagrammtitel
zu finden ist.
So wird's gemacht
Wie das Scanning daher im Einzelnen
aussieht, hängt von etlichen Faktoren ab, und zwar u. a. auch davon, ob es sich um einen ▪
kontinuierlichen oder diskontinuierlichen Text handelt.
Grundsätzlich aber muss
man vorher wissen, was man sucht. Das ist dann eine
gezielte Suche.
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Und am besten fasst
man diese Leseziele in begriffliche Konzepte, die man mit den zu
ihrem jeweiligen Bedeutungsumfeld gehörenden Begriffen im Text
abgleicht. Diese Schlüsselwörter
(Keywords), die man beim Scanning immer im Kopf behalten
muss, sind das Raster, mit dem dem der vorliegende Text abgesucht
wird.
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Dabei sollte man
den Text Schlüsselwort für Schlüsselwort in jeweils einem eigenen
Lesevorgang durchgehen oder, wenn das Scanning mit vorgegebenen oder
selbst entwickelten Fragen durchgeführt wird, den Text mit jeder
Frage im Kopf nacheinander absuchen, um die zu ihrer Beantwortung
relevanten Textinformationen zu erfassen.
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Findet man ein
entsprechendes Schlüsselwort beim Scannen, sollte man den umgebenden
Text lesen, um verlässlich entscheiden zu können, ob die Information
für die gesetzten Lese- oder Schreibziele wirklich relevant ist.
Wenn ja, kann man sie auf verschiedene Art und Weise ▪
annotieren,
exzerpieren oder auf andere Weise zusammenfassen.
Eine Alternative: In
digitalen Dokumenten suchen lassen?
Wenn man eine
bestimmtes Suchwort, eine bestimmte Wortkombination und damit eine
bestimmte Textstelle in einem Text sucht, kann man, sofern man über
entsprechende Endgeräte (PC, Smartphone, Tablet) verfügt online oder
offline in digitalisierten
Texten besonders schnell suchen und die für die Suchbegriffe in
Frage kommenden Textstellen finden.
Und
selbstverständlich kann man sogar mit einer Suchmaschine wie Google
mit ihren verschiedenen ▪
Suchfunktionen, das ganze Internet mit selbstgewählten
Suchbegriffen und
▪
Suchmethoden
(z. B. Boole'sche Operatoren, s. Abb.) als eine Art Supertext
durchsuchen lassen.
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
29.08.2020
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