Die kommunikative Funktion des Schreibens in der Schule
Fritzsche
(1994, S.32f.) hat in seiner Systematisierung traditioneller und
moderner Aufsatzarten (Kommunikative
Funktionen des Schreibens in der Schule) die
kommunikative Funktionen des Schreibens im Unterricht zur
Grundlage seiner Einteilung der Schreibfunktionen beim
schulischen Schreiben gemacht.
Dabei kommt es seiner Ansicht nach zwischen
allen "Sparten" zu vielfältigen "Funktionsüberschneidungen"
.
Er unterscheidet:
Zwischen allen "Sparten" gibt es nach
Fritzsche
(1994, S.34) vielfältige "Funktionsüberschneidungen",
was vor allem davon herrührt, dass keine der kategorial von einander
geschiedenen Schreibformen in Reinform oder ohne das Vorhandensein auch
der anderen Intentionen vorkommt.
Dominanz der einen oder der anderen Funktion
In konkreten
Schreibaufgaben dominiert
nur jeweils eine der genannten Funktionen "und von dieser dominanten
Funktion her wird die schulische Aufgabe gerechtfertigt."
Das ist
mittlerweile Gemeinplatz in der Schreibdidaktik und entspricht
auch den Erkenntnissen der
Textlinguistik, die
davon ausgeht, dass es sich bei
Textmustern "eher um Felder (handelt),
die sich an den Rändern überlappen und innerhalb deren funktionale
Freiheit herrscht." (Fix
2006/2008, S.103.
unter Bezugnahme auf Ossner 2005).
Das in der Textlinguistik inzwischen weithin anerkannte
Konzept der Prototypikalität, das davon ausgeht, dass Texte nicht als feste,
absolute und unveränderliche Größen aufzufassen sind, sondern über bestimmte
Merkmale zu beschreiben sind, die mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt
sind, hat diesem Wege auch Eingang in die Aufsatz- und Schreibdidaktik
gefunden.
Schreiben als Mittel der Reflexion
In den Bereich, in dem
Schreiben als Mittel der Reflexion
fungiert, verortet
Fritzsche
(1994, S.34)
die traditionellen Aufsatzarten. Dabei soll die Festlegung auf
überwiegend kognitive und reflexive Aufgaben diesem Schreiben eine Funktion zuweisen, die
sie von den anderen Schreibaufgaben abheben soll.
Schreibstrategisch
besehen fallen Schreibaufgaben dieser Art unter das
(epistemisch-)heuristische
Schreiben, bei dem "das Schreiben nicht der Information des Lesers,
sondern allenfalls der des Schreibers selbst (dient)". (ebd.
S.32)
Schulische Schreiben sind keine Textmuster des außerschulischen
gesellschaftlichen Lebens
Nach Fritzsche sind Aufsatzarten mit solchen Schreibaufgaben "nicht als
Grundformen für Texte" aufzufassen, "die im gesellschaftlichen Leben
vorkommen."
Für ihn sind sie "Erschließungsinstrumente" für
Inhalte, die "dem genauen Wahrnehmen und Verstehen von a) äußerer Wirklichkeit (z. B. Sachverhaltsdarstellung) b) Meinungen, Gedanken, Vorstellungen (z. B. Problemerörterung) und c) Texten (z. B. Inhaltsangabe) (dienen)." (ebd.
S.32, Hervorh. d. Verf.)
Es geht weniger um textmusterkonformes Schreiben als um schulische
Schreibformen, als Erschließungsinstrumente
Liefern die Aufsatzarten Muster für die Erschließung bestimmter Inhalte,
geht es also auch nicht mehr primär darum, ob ein bestimmter Text in
jederlei Hinsicht textsortenkonform verfasst ist, sondern vor allem
darum, ob der Gegenstand, den es zu erfassen und darzustellen gilt, mit
geeigneten Erschließungsverfahren behandelt worden ist. (vgl. auch den
Begriff des Erschließens in den
Einheitlichen Prüfungsanforderungen für das schriftliche Abitur, EPA
2002, z.B.
erörterndes
Erschließen)
Die
Textproduktionskompetenz löst sich somit auch aus den Fängen reiner
Produktorientierung beim schulischen Schreiben.
Die Vertextung und
Verschriftung
(vgl.
Verschriftlichung) von Gedanken, Wahrnehmungen und Empfindungen in einem
adäquaten Erschließungsverfahren erfolgt dabei, wie
Fritzsche
(1994, S.33) betont, mit kommunikativen bzw. expressiven Absichten.
Diese sollen zu einer sprachlichen Gestaltung führen, die einer "reflektierenden
Darstellung" Genüge leisten muss. (vgl.
Von
der Idee zum Text: Die Vertextung von Gedanken)
Aus diesem Grunde könnten die
"Übungen" bzw. Erschließungsaufgaben, die den expressiven und
kommunikativen Schreibaufgaben zugrunde liegen, auch
Darstellungsformen genannt werden.
Schreiben zur Förderung ästhetischer Kompetenzen
Wenn das Schreiben vor allem zur Förderung ästhetischer Kompetenzen
dienen soll wie beim Verfassen erzählender, lyrischer oder
dramatischer
Texte, rückt weniger eine literarästhetisch kunstvolle Gestaltung als
der (expressive) Ausdruck ganz subjektiver Sichtweisen, Wahrnehmungen,
Befindlichkeiten und Bedürfnisse in den Mittelpunkt des Schreibens. Das
expressive Schreiben – das
Schreiben als Mittel des Ausdrucks
– weist zwar "auf den sehr
bedeutsamen existentiellen Bezug von Literatur hin“ (ebd.,
S.34), doch müsse dieses "poetische
Schreiben" eben sehr weit gefasst werden, da Literatur
schließlich über den Selbstausdruck hinaus auch Wirklichkeitserfahrungen
gestalte und an den Leser appelliere.
Schreiben von Gebrauchstexten: Kommunikatives und reflektierendes
Schreiben
Kommunikative Zweckformen (Gebrauchstexte),
wie sie beim Schreiben als Mittel der Kommunikation entstehen, folgen im
Allgemeinen konventionalisierten Regeln hinsichtlich Inhalt, Aufbau und
sprachlicher Formulierung.
Unabdingbar ist der
Adressatenbezug, der
diesem Schreiben zugrunde liegt. Die davon herrührende Notwendigkeit,
bestimmte Rollen zu übernehmen oder die Sachverhalte aus
unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten (Rollen-
und Perspektivenübernahme), fördert nach Ansicht Fritzsches (ebd.)
nicht nur die interaktive Kompetenz, sondern dient auch der
"Qualifikation der Schüler zu gesellschaftlich und beruflich
handlungsfähigen Subjekten."
Der oben schon erwähnten Funktionsüberschneidungen ist
sich
Fritzsche
(1994, S.35) besonders bei der Abgrenzung des Schreibens als Mittel
der Reflexion (reflektierendes Schreiben) vom Schreiben als Mittel
der Kommunikation (kommunikatives Schreiben) bewusst:
"Beim
reflektierenden Schreiben kommuniziere ich, indem ich mein eigener Leser
bin, und beim kommunikativen Schreiben, muss ich den Gegenstand, den ich
vermitteln will, kennen und mich auch ihm zuwenden."
Die unterschiedlich
gerichtete Aufmerksamkeit des Schreibenden macht so den Unterschied:
"Beim reflektierenden Schreiben geht es primär um die
Sachklärung, und ich kümmere mich zunächst gar nicht um mögliche Leser;
dass ich selbst Leser bin, stelle ich nicht bewusst in Rechnung. Beim
kommunikativen Schreiben setze ich umgekehrt die Sache als für mich klar
voraus und kümmere mich primär um die Vermittlung.
Sprechakttheoretisch ausgedrückt: Beim reflektierenden Schreiben liegt
der Akzent auf dem
propositionalen Akt, beim kommunikativen Schreiben auf dem
illokutionären Akt.
Im Beispiel gesprochen: Wenn ich eine Einladung zu einem Elternabend
formuliere, geht es für mich nicht um die Klärung der Fakten (obwohl mir
womöglich erst beim Schreiben auffällt, dass ich den Raum noch gar nicht
festgelegt habe, wozu eine Rücksprache mit dem Hausmeister nötig gewesen
wäre), sondern um die angemessene und wirkungsvolle Formulierung. Wenn
ich dagegen nach einer Auseinandersetzung mit dem Schulleiter zu Hause
den Streit in einem Gedächtnisprotokoll aufschreibe, geht es mir um die
reflektierende Rekonstruktion der Argumente (und um deren Festhalten)."
So lasse sich mit der Unterscheidung zu Übungszwecken eben doch
sinnvoll arbeiten.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
11.01.2024
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