Damit
ein Text als
kohärent wahrgenommen bzw. gelesen werden kann, müssen unter ▪
textlinguistischer Perspektive eine
Reihe ▪ thematischer und ▪
grammatischer Bedingungen
erfüllt sein.
Zu den
grammatischen Bedingungen, die erfüllt sein müssen, gehört auch
die Herstellung von
Kohärenz durch bestimmte sprachliche Ausdrücke in
aufeinander folgenden Sätzen. Semantisch-syntaktische Signale
können dabei bestimmte Sätze so miteinander verknüpfen, dass wir
das Ganze als einen zusammenhängenden Text verstehen.
Vollkommen
darauf verlassen kann man sich indessen nicht. Es gibt nämlich
auch Texte, die insgesamt nicht als kohärent verstanden werden,
auch wenn sie ihre Abfolge von Sätzen mit einer Kette von
identischen Bezugswörtern und wiederaufnehmenden Wörtern
als schlichte Wiederholung (Repetition) verknüpfen, wie dies im nachfolgenden Beispiel der Fall ist:
"Das
Haus meiner Eltern früher in Freiburg. In der Nähe gibt es
nicht einmal einen Supermarkt. Der einzige Supermarkt weit
und breit hatte kein W-LAN. Ein Handy ohne Satellitenzugang
braucht W-LAN. Ein Handy funktioniert mit Batterie.
Batterien sind aber teuer. Teuer war auch meine letzte
Urlaubsreise."
Was hier
"klemmt" bzw. das Ganze nicht zu einem zusammenhängenden Text
werden lässt, wird klar, wenn man sie an den üblichen
fünf
▪
Vertextungsbedingungen
misst (vgl.
Goretzki u. a. 1971, S.145, vgl. (Heinemann/Viehweger
1991, S.35).
Dann zeigt sich, dass die bloße Repetition von
Wörtern in aufeinanderfolgenden Wörtern noch keinen
Textzusammenhang schafft, der ▪
Wirrwarr der temporalen
Flexionsformen und das ▪
Fehlen eines alles miteinander
verknüpfenden Superthemas dem ebenso entgegensteht.
Damit die
▪ Vertextung von
Sätzen funktioniert, müssen auch die in den
Sätzen verwendeten Wörter bzw.
lexikalischen
Einheiten durch einfache Wiederholung (Repetition),
Wiedererwähnung oder mit andern Formen der lexikalischen
Variation aufeinander bezogen sein.
Dabei spricht
man vom ▪
Prinzip der
Wiederaufnahme. Kurz definiert: In der ▪ Textlinguistik
wird damit das Prinzip bezeichnet, mit dem aufeinanderfolgende Sätze so miteinander
verknüpft werden, dass ein zusammenhängender Text entsteht.
Dabei wird in einem darauffolgenden Satz etwas wieder erwähnt,
was schon auf unterschiedliche Art und Weise ausgedrückt worden ist.

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Unter semantischem Aspekt kann man nach
Brinker ( 92018,
S.42f.) können Hörer oder Leser auf drei verschiedene Indizien
zurückgreifen, um eine Wiederaufnahmerelation zwischen
bestimmten Ausdrücken in aufeinanderfolgenden Sätzen zu
erkennen:
-
Textimmanente Indizien
sind dabei solche, bei denen im Text selbst die Beziehung
zwischen dem Bezugsausdruck und dem wiederaufnehmenden
Ausdruck hergestellt wird, ohne dass das sprachliche System
als solches ins Spiel kommt.
Beispiel:
Es ist ein
außergewöhnliches Auto. Das Fahrzeug ist mit
einem sehr starken Elektro-Motor ausgestattet. Zusammen mit
den verbauten Hochleistungsbatterien macht es den Boliden
über 250 km/h schnell. Wie schnell der Flitzer diese
Kraft auf die Straße bekommt, ist atemberaubend. Allerdings
fragt man sich auch, ob das Kraftpaket, auch wenn es
ja kein Spritfresser mehr ist, wirklich noch
zeitgemäß ist.
-
Sprachimmanente Indizien beruhen darauf, dass eine
Beziehung zwischen dem Bezugsausdruck und dem
wiederaufnehmenden Ausdruck über die Sprache allgemein bzw.
das sprachliche System selbst hergestellt wird. Das ist z.
B. bei Synonymen,
Hyponymen
(Unterbegriffen) und
Hyperonymen
(Oberbegriffen) der Fall.
-
Sprachtranszendente
Indizien stellen die Beziehung zwischen dem
Bezugsausdruck und dem wiederaufnehmenden Ausdruck dadurch
her, dass sie über das sprachliche System im engeren Sinne
hinausreichen und das gemeinsame Weltwissen und
Erfahrungswissen von Sprecher und Hörer nutzen. Im
nachfolgenden Beispiel, in dem sich die Wiederaufnahme
Diego Maradona durch der mehrfache Weltfußballer
über das vorhandene gemeinsame Wissen herstellen lässt,
könnte rein grammatisch auch eine Beziehung zwischen Fritz
Neumann und der mehrfache Weltfußballer zulassen.
Beispiel:
Fritz
Neumann sagte einmal über Diego Maradona, dass er an seinem
eigenen Ruhm gescheitert ist. Der mehrfache Welt-Fußballer
hatte immer wieder Geldprobleme, unzählige Affären und war
zeitweilig alkoholsüchtig.
Zwei Formen der Wiederaufnahme (Brinker)
Die
"Satzverknüpfungshypothese" (Heinemann/Viehweger
1991, S.27-29) textgrammatischer Konzepte und die verschiedenen ▪
Vertextungstypen wurden von »Klaus Brinker
(1938-2006) (1997)
in seinem ▪
Konzept der integrativen Textanalyse unter semantischem Aspekt auf zwei ▪
Formen der Wiederaufnahme
reduziert: ▪ explizite
und ▪ implizite
Wiederaufnahme.
Er hat dabei die
▪ weit
ausdifferenzierten textgrammatischen Kategorien und Kriterien der
Satzverknüpfung (z. B.
Pfütze 1965,
Isenberg
1968, 1971) reduziert und auch auf die umfassende
▪
Typologie
pronominaler Verkettungen, die
Harwig (1968) zusammengestellt
hat, verzichtet, bestimmte Verfahren aber in seine
Unterscheidung in explizite und implizite Verfahren der
Wiederaufnahme in sein Modell aufgenommen.
In Brinkers ▪
Konzept der integrativen Textanalyse
wird die Wiederaufnahme als eine grammatische Bedingung der
▪ (Text-)Kohärenz aufgefasst
(vgl.
Brinker 52001,
S.21, 92018, S.25). Dabei geht er von einem ▪
weiten Kohärenzbegriff aus.

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Die ▪
explizite Wiederaufnahme erfolgt dadurch, dass die Beziehung
zwischen den Ausdrücken auf der Textebene hergestellt werden
Referenzidentität besteht. d. h. dass sie sich auf das
gleiche außersprachliche Objekt als
Referenzträger
beziehen: sprachliche Objekte können dabei Personen, Dinge,
Sachverhalte, Ereignisse, Handlungen, Vorstellungen etc. sein.
Bei der ▪
impliziten Wiederaufnahme beziehen sich der
wiederaufgenommene Ausdruck (Bezugsausdruck als Substituendum)
und der wiederaufnehmende Ausdruck (Substituens) auf
verschiedene Referenzträger, entfalten aber Beziehungen
zueinander, die einen zusammenhängenden Text schaffen (z. B.
durch Teil- und Enthaltenseinrelationen).
Die Bedeutungsbeziehungen zwischen den durch Wiederaufnahme
aufeinander bezogenen Wörtern oder Wortgruppen bezeichnet
Brinker unter Bezugnahme auf
Harweg (1968, 21979, S.192 ff.) als "semantische
Kontiguität" (Brinker 92018,
S.37). Ihre "begriffliche Nähe" zueinander oder ihre
"inhaltliche Berührung" kann dabei ontologisch
(naturgesetzlich), logisch (begrifflich) oder kulturell
begründet sein. Ohne dass solche
Kontiguitätsbeziehungen zwischen Wörtern im sprachlichen
System vorhanden sind, können Sätze nicht implizit miteinander
verknüpft werden. (vgl.
Brinker 92018,
S.38)
Eine weitere
Möglichkeit der Wiederaufnahme stellen Verfahren dar, die
bestimmte satzübergreifende Strukturen nutzen (strukturelle
Wiederaufnahme) wie z, B.
Ellipsen,
(grammatischer) Parallelismus oder die Wiederaufnahme von
Teilstrukturen eines Textes (z. B. Strophen mit und ohne
Refrain).
Im ▪
Arbeitsschrittemodell ist die ▪
Analyse der für den
Textzusammenhang relevanten grammatischen Strukturen, und
damit auch die Analyse der Wiederaufnahmestrukturen einer der beiden Teilaspekte des dritten Arbeitschrittes der
▪
Analyse der grammatischen und
thematischen Textstruktur, der außerdem noch die ▪
Analyse der textrelevanten
thematischen Strukturen des Textes umfasst.
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Bei diesem
Analyseschritt geht es allgemein um die Analyse und Beschreibung
der sprachlichen und ggf. nicht-sprachlichen Mittel,
mit denen die ▪ Textthematik ausgedrückt und gestaltet wird.
Aus diesem Grunde wird der Analyseschritt auch im ▪
Arbeitsschrittemodell als einer
von drei Arbeitsschritten aufgefasst, der die eng aufeinander
bezogenen beiden Teilaspekte umfasst.
Die textgrammatische Satzverknüpfung
Textgrammatisch
betrachtet hat man die Entstehung von bestimmten
Vertextungstypen (z. B. die Kausalanknüpfung, die temporale,
modale oder
adversative Anknüpfung, Spezifizierung des Inhalts
des zuvorgehenden Satzes, Korrektur von schon erwähnten Aussagen
im Nachfolgesatz etc.) auf die Verwendung
bestimmter Vertextungsmittel zurückgeführt, die "Sätze kohäsiv
miteinander (verbinden) oder (...) besondere Verflechtungen
zwischen Einzelelementen verschiedener Sätze her(stellen)" (Heinemann/Heinemann
2002, S.67).
Dabei überschreiten die
Vertextungstypen allerdings schon zum Teil die rein
textgrammatisch fundierten Oberflächensignale (und stellen in
gewisser Weise schon "semantische Grundmodelle der
Satzintegration" (Heinemann/Viehweger
1991, S.28)
Und auch die Vertextungsmittel, die globale grammatische
Eigenschaften von Texten nutzen, tun dies ja auch vor allem
dadurch, dass sie über die Verknüpfung einzelner Sätze
hinausgreifen und einen inneren Zusammenhang über größere
Teiltexte schaffen.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
29.08.2022
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