Frau |
(1) "Die Frau lehnte am Fenster
und sah hinüber." |
unvermittelter Einstieg der
Geschichte, der eine von keinen besonderen Bedingungen
abhängige Gewohnheit der Frau beschreibt; "hinüber"
verweist dabei als direktiv verwendete Vorsilbe auf die
▪
figurale räumliche Perspektive der Frau |
(2) "Der
Wind [...] brachte nichts Neues." |
selbst der Wind kann keine
Abwechslung in den Alltag der Frau bringen |
(3) "Die Frau hatte den starren
Blick neugieriger Leute, die unersättlich
sind." |
explizite Figurencharakterisierung auf der Erzählebene,
Charakterisierung durch einen
auktorialen bzw.
heterodiegetischen Erzähler, der außerhalb der Welt
der Figuren steht,
Außensicht;
narratoriale ideologische Perspektive, |
(4) "Es hatte ihr noch niemand den
Gefallen getan, vor ihrem Haus niedergefahren zu
werden." |
wie oben, aber entweder als
Introspektion des Erzählers oder als mutmaßender und
stark wertender Kommentar des
auktorialen bzw.
heterodiegetischen Erzähler in Form einer
Analepse
zu verstehen ist |
(5) "Außerdem wohnte sie im
vorletzten Stock, die Straße lag zu tief unten." |
s. o., leitet jedoch zur
figuralen Perspektive über, die im
nächsten Satz (6) als zugleich abschließendes
Resümee des Erzählers zu den räumlichen Bedingungen sich
auch so im Bewusstsein der Frau spiegelt; "außerdem"
klingt wie eine Rechtfertigung der Frau, für die
(soziale) Lage und die eingeschränkten
Teilhabemöglichkeiten am Leben draußen in der Welt |
(6) "Alles lag zu tief unten." |
im Bewusstsein der Frau -
also in
▪
figuralen/personalen Perspektive und ihre
▪
ideologischen Perspektive zusammengefasstes
Urteil über die Gründe ihre Zurückgezogenheit und
unausgesprochenen Schwierigkeiten, am Leben teilzuhaben |
(7)
"dieses Licht [...] machte den merkwürdigen Eindruck,
den aufflammende Straßenlaternen unter der Sonne machen.
Als hätte einer an seinen Fenstern die Kerzen
angesteckt, noch ehe die Prozession die Kirche verlassen
hat." |
"merkwürdig" im Sinne von seltsam? Bild von den Fenstern
mit Kerzenbeleuchtung aus dem Gesichtskreis der Frau,
die auf die gegenüberliegende Häuserfront sieht; Licht,
Kerzen und Prozession schaffen einen religiösen Kontext,
der wohl das Denken der Frau prägt |
(8) "Er
hing über die Brüstung, dass man Angst bekam, er würde
vornüberfallen. Die Frau trat einen Schritt zurück, aber
das schien ihn zu bestärken." |
distanzierendes "man", Frau
lässt sich nicht auf die vermeintlich an sie gerichtete
Kommunikation ein |
(9)
"Sooft er aufsah, kniff er das linke Auge zu, als
herrsche zwischen ihnen ein geheimes Einverständnis."
|
dennoch fühlt sie sich
angesprochen, auch wenn ihr das vermeintlich
signalisierte "geheime Einverständnis" wohl zu weit geht |
(10) "Das
bereitete ihr so lange Vergnügen, bis sie plötzlich nur
mehr seine Beine in dünnen, geflickten Samthosen in die
Luft ragen sah. Er stand auf dem Kopf. Als sein Gesicht
gerötet, erhitzt und freundlich wieder auftauchte, hatte
sie schon die Polizei verständigt." |
Frau fühlt sich durch das
Spiel angesprochen und kann es, ohne dies durch
entsprechende Kontaktgesten auszudrücken, genieße,
solange die Vorführung ihre Vorstellungen von einem
Spiel erfüllt; Zweifel daran, lassen diese Empfindung
kippen; so "plötzlich" wie sich die Beine des Mannes in
der Luft zeigen, so plötzlich empfindet sie das Ganze
als bedrohlich, zumindest so, dass sie der Polizei von
ihrer sensationellen Beobachtung berichten kann |
(11) "[...] unterschied sie schon drei Gassen weiter über dem
Geklingel der Straßenbahnen und dem gedämpften Lärm der
Stadt das Hupen des Überfallautos. Denn ihre Erklärung
hatte nicht sehr klar und ihre Stimme erregt geklungen."
|
offenbar hat die Frau das
Geschehen gegenüber der Polizei so dramatisiert, dass
diese mit dem Überfallkommando anrückt, als handle es
sich um ein Schwerverbrechen; Frau macht sich selbst
damit auch wichtig; |
(12) "Erst
als der Wagen schon um die Ecke bog, gelang es der Frau,
sich von seinem Anblick loszureißen." |
von reiner Sensationslust
getrieben, wie eingangs vom Erzähler dargestellt, bleibt
ihr Blick "unersättlich" |
(13) "Sie
kam atemlos unten an." |
sie will unbedingt dabei
sein, wenn die Polizeiaktion beginnt und hetzt sich
dafür sogar ab |
(14) "Die
Polizisten waren abgesprungen, und die Menge kam hinter
ihnen und der Frau her. Sobald man die Leute zu
verscheuchen suchte, erklärten sie einstimmig, in diesem
Hause zu wohnen." |
sie sieht sich in
Konkurrenz mit anderen Gaffern, die eigentlich wohl
nicht berechtigt sind, der Aktion des Einsatzkommandos
beizuwohnen |
(15) "Die
Frau schlich hinter ihnen her." |
sie verhält sich wie die
Polizisten, die das ebenfalls tun, um sich unbemerkt an
den schwerhörigen alten Mann heranschleichen zu können |
(16) "Die
Werkstatt unterhalb war, wie sie angenommen hatte,
geschlossen. Aber in die Wohnung oberhalb musste eine
neue Partei eingezogen sein." |
entgegen ihres
Selbstverständnisses, "Neues" selbst bei Windstößen zu
wittern, entgeht ihr eine soziale Veränderung in ihrer
unmittelbaren Umgebung; Ausdruck ihrer sozialen
Isolation und Kontaktunfähigkeit |
Motiv der Dunkelheit
|