Der Aspekt der
▪
Heimkehr
in
▪
Franz Kafkas
gleichnamiger
▪
Parabel
lässt sich als äußere und innere Heimkehr des erzählenden Ichs
auffassen.
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Die äußere Heimkehr und die innere Heimkehr, ihre psychologische
Seite, gliedern den Text in zunächst zwei große
Sinnabschnitte, dem am Ende ein dritter hinzugefügt werden kann, der
das mehr oder weniger endgültige Scheitern der äußeren und inneren
Heimkehr markiert. Der Text selbst kommt dabei ohne jede
Absatzgliederung aus, ist reiner
Fließtext, und betont damit den fortlaufenden, ununterbrochenen
Fluss der Gedanken des
inneren Monologs des
personalen
Ich-Erzählers. Dennoch lassen sich drei Sinnabschnitte erkennen: die
äußere Heimkehr, die innere, psychologische Heimkehr und das Scheitern
der äußeren und inneren Heimkehr des erzählenden Ichs.
Die äußere Heimkehr ist mit Textbeginn eigentlich schon nahezu
abgeschlossen, reicht aber bis zur Feststellung des Erzählers "Ich bin
angekommen." (Z
5) Im zweiten Abschnitt, der inneren Heimkehr, geht es
um die psychologische Seite der Heimkehr. Er endet mit der Gewissheit
des Erzählers, dass die in der Küche befindlichen Personen ein Geheimnis
vor ihm wahren wollen. Im letzten Sinnabschnitt schließlich wird das
Scheitern der äußeren und inneren Heimkehr offenkundig.
Im ersten Abschnitt, der die äußerliche Heimkehr, d. h. das körperliche
Zurückkommen des Erzählers, zu seinem Elternhaus beinhaltet, stellt das
erzählende Ich zunächst äußerst knapp fest, dass es "zurückgekehrt"
(Z
1) sei.
Dabei deutet die Wortwahl darauf hin, dass diese Rückkehr, nähere
Informationen über die Umstände sowie eine Vorgeschichte fehlen, aus
größerer zeitlicher und räumlicher Distanz erfolgt. Das Erzähler-Ich, so
vermutet man, ist schon länger und auch weiter weg gewesen.
Was der Ich-Erzähler zunächst wahrnimmt, nachdem er sich dem (Wohn-)Haus
durch den Flur ein wenig genähert hat, geschieht mit dem Auge. Kein
anderer Sinn ist beteiligt, wenn der Ich-Erzähler den Raum, in dem er
sich nun befindet, mit seinem Blick mustert. Auf der Suche nach
Objekten, die den Vollzug der äußeren Heimkehr im Wiedererkennen von Bekanntem
sinnlich bestätigen, bleibt sein Blick jedoch an
"Dingen" haften, die ein Gefühl von Vertrautsein wohl kaum
aufkommen lassen. Was der Ich-Erzähler zunächst registriert, sind die
Besitzverhältnisse im ungewöhnlichen, persönliche Distanz ausdrückenden
besitzanzeigenden Genitiv: "Es ist meines Vaters alter Hof." (Z
1f.) In kurzen Hauptsätzen werden
danach ein paar wenige sinnliche Eindrücke
parataktisch aneinandergereiht und wie mit Hilfe eines Blitzlichts
für einen kurzen Moment ins Bewusstsein gerufen: die
"Pfütze", das "Gerät, das ineinander verfahren" (Z
3)den Weg verstellt und die
Katze, die, statt auf ihn zuzulaufen und ihn freundlich zu begrüßen, auf dem Geländer verharrt und
"lauert". (Z
3) Alles drei sind Hindernisse, die dem endgültigen Ankommen
im Weg stellen. Lediglich das Tuch, das auf
glückliche Kindertage verweist ("im Spiel um eine Stange gebunden",
(Z
4),
stemmt sich in gewisser Weise diesen bedrückenden Wahrnehmungen
entgegen, ist aber selbst, wohl im Laufe der Zeit, zerrissen und hat
seine Funktion verloren. So drängen sich dem Ich im Moment seiner
Heimkehr eine Reihe von negativen Eindrücken auf, die sowohl die
Frage nach den Motiven für die Heimkehr überhaupt, als auch die Frage nach den Ursachen
solcher Wahrnehmungen aufwirft. Wie um sich seiner selbst noch einmal zu
vergewissern, dann am Ende des Abschnitts die den Eingangsgedanken trotz
aller negativen Gefühle aufrechterhaltende Betonung: "Ich bin
angekommen" (Z
5). Der Satz, nüchtern und ohne irgendeine emotionale Färbung,
drückt nur den Abschluss einer äußeren Handlung aus, die aber zugleich
Auslöser einer psychischen Dynamik ist, die sich in den nachfolgenden
bohrenden Fragen zeigt, die sich das erzählende Ich stellt.
Im zweiten Abschnitt dominiert die innere Handlung. Dabei stehen die
Gedanken und Gefühle im Zentrum, die der Ich-Erzähler, der den letzten
Schritt, in die Küche zu gehen, wo er die anderen Personen vermutet,
nicht wagt. Im Gegensatz zur äußeren Heimkehr lässt sich dieser
Abschnitt daher als die innere Heimkehr auffassen. Mit zwei W-Fragen,
die Nervosität und Unsicherheit, aber womöglich auch nur eine gewisse
Anspannung nach so langer Zeit der Abwesenheit signalisieren, richtet
sich die Aufmerksamkeit des Ich-Erzählers erstmals auf die Personen,
denen wer womöglich gleich begegnen wird. Dabei wird das von ihm in
seiner Frage implizierte Warten "hinter der Tür der Küche" nicht als ein
Warten auf ihn als Person zu verstehen sein, sondern als Vermutung über
die Anwesenheit von irgendjemandem an diesem Ort. Feststeht jedenfalls:
Indem der Ich-Erzähler die Fragen aufwirft, nimmt er bewusst eine
rationale Haltung ein und bleibt distanziert. Gleichzeitig richtet sich
sein Blick auf die Küchentüre und damit auf einen Ort im Zentrum des
bäuerlichen Hofes, der gewöhnlich der Arbeitsplatz der Mutter ist, der
Ort, wo es auch bei Kälte warm ist und Nahrung zu sich genommen wird,
zwei Grundbedürfnisse befriedigt werden. Wie um zu ermitteln, was
"hinter der Küchentüre" geschieht, wendet sich der Blick des Ankömmlings
auf den Schornstein, dessen Rauchen ihn angesichts der Tageszeit (Abend)
sofort den Schluss ziehen lässt, dass dort der Abendkaffee zubereitet
wird.
...
*Die
Zeilenangaben beziehen sich auf das teachSam-OER-Dokument.
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
12.10.2024