Die ▪ Beurteilung schulischer
Textproduktionen und Schreibprozesse bewegt sich, soweit es das
Lehrerverhalten betrifft, stets zwischen den Polen "(Hilfe zum) Lernen
und (Selektion durch) Prüfen" (Abraham
2010, S.95, vgl.
Baurmann
2002, S.116ff.)
Dabei kann man grundsätzlich die ▪
prüfend-bewertende
Beurteilung von der ▪
förderlichen Begleitung von
Schreibprozessen unterscheiden. (Baurmann
2002, S.116ff. spricht von "prüfend-wertendem Beurteilen" und
"förderndem Beurteilen"). Natürlich sind die Grenzen zwischen beiden
Beurteilungsformen im Einzelfall durchlässig, zumal ja "auch eine
Aussage zum fördernden Beurteilen wertende Aspekte enthält" (Fix
2008, S. 188)
Die prüfend-bewertende Beurteilung steht ganz im Zeichen der
Leistungsmessung in einem
Leistungsraumsetting am Ende eines
Schreibprozesses,
der mit einem Schreibprodukt endet. Im Allgemeinen wird dabei eine Note
oder Zensur erteilt, aus der hervorgehen soll, wie der jeweilige
Lernstand eines Lerners/einer Lernerin ist. Dabei ist die Note ein
globaler Maßstab und macht, einzeln betrachtet, keine Aussage über die
individuelle Lernentwicklung und weist in der Regel keine Teilleistungen
aus.
Die Bewertungsmaßstäbe, die dabei angelegt werden, sind meistens Kriterien(kataloge),
aber auch immer wieder verinnerlichte globale Maßstäbe oder
Eindrucksurteile. Die individuelle Leistungsmessung dient dabei auch zum
Vergleich mit anderen Mitgliedern der Lerngruppe.
Werden die verschiedenen Leistungen über das mathematische System der »Gaußsche
Normalverteilung in Beziehung gesetzt, "bei der die von den meisten
Schülern gezeigte Leistung zur Mitte erklärt wird, ohne dass dabei die
Lernziele berücksichtigt werden" (Fix
2008, S. 189), kann dies im Extremfall dazu führen, dass erbrachte
Leistungen, die sich nicht im Mittelbereich abbilden lassen, nicht als
solche gewürdigt und der Vergleich mit den anderen von schwächeren
Schülerinnen* als Nachweis ihres eigenen Versagens angesehen wird. (vgl.
ebd., S.
190). Dass prüfend-bewertende Beurteilungen von Schülerleistungen
mitunter auch für disziplinarische Ziele zweckentfremdet werden, sei
zumindest erwähnt.
Die prüfend-bewertende Beurteilung im Rahmen von
Kompetenzniveau-Tests, in denen "mittlere Regelstandards angestrebt"
(ebd.).
werden, kann dabei auch zu einem "»teaching
to the test«" führen, das "die Auslese verschärft." (ebd.)
Die verschiedenen gesellschaftlichen Funktionen der
prüfend-bewertenden Beurteilung (z. B.
curriculare Kontrolle und Information,
Allokation,
Selektion,
Kompetenzniveau-Tests) (vgl.
Fix 2006/2008,
S.189f.; vgl.
Baurmann
2002, S.118f.) lassen wir an dieser Stelle außen vor.
In der Schreibdidaktik
steht die "fördernde Beurteilung" (Baurmann
2002, S.116ff.), die wir hier unter der Überschrift "Förderliche
Begleitung von Schreibprozessen" für einen Modus in der Reaktion auf
Schülertexte, die auf das Herstellen eines gemeinsamen Verständnisses
des betreffenden Textes ausgerichtet ist und darüber die Weiterarbeit im
Sinne weiterer Textoptimierung anleiten soll (vgl.
Baurmann 2002,
S.118f., Fix 2006/2008,
S.189).
Es bezeichnet einen
Idealtypus des Beurteilungs- und Bewertungsverhaltens, das man insofern
auch als "Kern aller Beurteilungen" (Baurmann
1996, S.154) ansehen kann, Im Gegensatz zum prüfend-bewertenden
Beurteilen kommt die fördernde Beurteilung nicht erst beim das fertigen
Schreibprodukt zum Zuge, sondern gehört zu den fortwährenden Komponenten
der ▪
Lernberatung (Scaffolding)
während eines gesamten
Schreibprozesses.
Im
Vordergrund steht dabei ein Lehrerverhalten, das auf die Unterstützung
der individuellen ▪
Schreibentwicklung
mit ihren ▪
Stadien, ihrer ▪
Entwicklung
textbezogener Schreibkompetenzen und ihren ▪
Entwicklungsniveaus und Dimensionen zielt.
Die Lern- und
Schreibentwicklung soll dabei in selbständigem, also weitgehend
eigenaktivem, individuellem Lernen und Schreiben erfolgen sowie in
verschiedenen ▪
Formen
kooperativen Schreibens wie z. B. ▪
Schreibateliers
oder ▪
Schreibkonferenzen.
Die Komponente des ▪
kooperativen Lernens bzw. kooperativen Schreibens ist ein
wesentlicher Bestandteil des Settings, das ein förderliches Lern- und
Schreibklima fördert, und weist sowohl Lehrkräften als auch
Schülerinnen* (z. B. mit ihrem
Peer-Feedback) eine wesentliche Rolle im
Lern- und
Übungsraumsetting
zu, in dem die förderliche Begleitung von Schreibprozessen situiert
wird. Aber auch "Konferenz-Formen", wie z. B. die
▪
Lehrer-Schüler-Schreibkonferenz,
können eine fördernde Wirkung entfalten.
Die als Lernberaterin*
agierende Lehrperson sollte darin vor allem "Anstösse und Anregungen für die
selbständige Konstruktion von Wissen sowie zum Aufbau von Lern- und
Denkprozessen (aber keine Arbeitsanweisungen oder Lösungen)"
anbieten (Dubs 2009,
S. 93). In der ▪
Praxis der Lernberatung kann sich die förderliche Begleitung durch
die Lehrkräfte auf fünf Bereiche beziehen und ein entsprechendes
Lehrerinnenverhalten* formen:: ▪
Anregen
von Lernprozessen, Hilfestellungen ▪
bei der Planung
von Lernprozessen und ▪
für die
Ausführung entsprechender Lernhandlungen, ▪
Unterstützen von Selbstbewertungen und ▪
Anregen
von Selbstbeurteilungsprozessen.
Dabei orientieren sich
alle Lernberatungsaktivitäten der Lehrkraft daran dem Schreiber bzw. der
Schreiberin in allen Phasen des Schreibprozesses
▪ förderliches Feedback zu geben und dabei als versierte ▪
Feedback-Geberin*
zu agieren,
▪
Schulische Schreibformen: Didaktische und methodische Aspekte
▪
So interpretiert man einen literarischen Text
(Schulische
Interpretationsmethoden)
▪
Gestaltend
interpretieren
●
Förderliche
Begleitung von Schreibprozessen
▪
Überblick
▪
Lehrer-Schüler-Schreibkonferenz
▪
Kriterienkataloge zur Erfassung von
Textqualität
▪
Überblick
▪
Zürcher
Textanalyseraster (1992)
▪
Basisdimensionen und Kriterien
▪
Basiskriterien
- Allgemeiner Katalog
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
12.11.2022
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