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Dramaturgie und Inszenierung
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Interpretation
eines dramatischen Textes
Was ein Zuschauer
von Lessings Drama
"Nathan
der Weise" auf der Bühne mitbekommt, erschöpft sich
meistens in dem, was auf der Bühne gesprochen und gezeigt wird. Wahrscheinlich kennt er
dazu aus irgendeiner Programmankündigung den Titel des Stücks (Dramentitel)
und dessen Gattungsbezeichnung (z. B. Schauspiel, Tragödie oder Komödie).
Im Falle von Lessings Drama
"Nathan
der Weise" könnte er so auf die Gattungsbezeichnung "dramatisches
Gedicht" stoßen, mit dem Lessing ein wichtiges Strukturelement seines Werkes
schon im "Untertitel" seines Textes hervorgehoben hat, nämlich die Versform.
(→Der
Blankvers im "Nathan") Verfügt der Zuschauer über ein Programmheft, bekommt er gewöhnlich noch eine
kombinierte Liste von Personenverzeichnis und Besetzung der Rollen zu
Gesicht, die auf dem, einem
dramatischen Text gemeinhin vorangestellten,
Personen-
bzw. Figurenverzeichnis beruht.

Wer den Text von Lessings Drama dagegen liest, so wie dies
üblicherweise im schulischen Literaturunterricht der Fall ist, bemerkt sehr schnell, dass
der Text des ganzen
Stückes eine Menge mehr und anderen Text enthält als das, was auf der Bühne
gesprochen wird. Als Konsequenz daraus hat man versucht, diese verschiedenen
Textarten bzw. Textsegmente eines dramatischen Textes mit geeigneten
Begriffen zu erfassen und voneinander abzuheben. So spricht man aus diesen
Gründen von zwei "Textschichten" (Pfister
1977, S.35ff.) in einem dramatischen Text und bezeichnet die eine als
Haupt-
und die andere Textschicht als
Nebentext.
Die auf
Roman Ingarden
(21960,S.220) zurückgehende und von Wolfgang
Pfister
(1977, S.35ff.) wieder aufgenommene Unterscheidung von Haupt- und
Nebentext ist heute im
Bereich der literaturwissenschaftlichen Dramenanalyse allgemeingebräuchlich
geworden. (vgl. u. a.
Fricke/Zymner 1993, S,184,
Waldmann 2003, S.183ff.,
Asmuth 2004 (1980), S.51ff.)
Wie auch im Falle von Lessings "Nathan" kann man diese beiden Textschichten
oft leicht erkennen, da sie in der Regel auch
typografisch (Schriftbild,
Schriftstärke etc.) voneinander abgehoben werden. Oft wird der
Nebentext kursiv gedruckt oder wie im Falle der obigen Ausgabe des "Nathan"
mit Großbuchstaben bei den Rollenbezeichnungen im Personenverzeichnis oder
der Sprechermarkierung im Rahmen der dramatischen Rede verdeutlicht. Ebenso
wird bei den verschiedenen Texteditionen Text in Klammern gesetzt oder auch
im Sperrdruck dargestellt, um den Neben- vom Haupttext abzugrenzen.
Die Begriffe Haupt- und Nebentext sollten indessen nicht dazu verleiten, den
ersteren grundsätzlich für wichtiger zu nehmen und das, was im Nebentext als
Bühnenanweisung bzw. Regiebemerkungen untergebracht ist, eher zu
vernachlässigen. Hier gibt es keine für sämtliche Dramen gültigen Regeln zur
Gewichtung. So muss man im Einzelfall entscheiden, wie sich Haupt- und
Nebentext zueinander verhalten, ob sie sich z. B. ergänzen oder miteinander
kontrastieren. Häufig ist es einfach so, dass sich einem der Sinn des Ganzen
erst durch die Lektüre und das Aufeinanderbeziehen von Haupt- und Nebentext
erschließt.

Ein Trugschluss ist es auch anzunehmen, Inszenierungsanweisungen des Autors
fänden sich lediglich im Nebentext als
explizite Bühnenanweisungen bzw.
Regiebemerkungen wieder. Im "Nathan" ist Lessing ohnehin sparsam mit solchen
expliziten Inszenierungsanweisungen umgegangen. Gemeinhin, so wird man
annehmen dürfen, hat Lessing der Wirkung seines in der dramatischen Rede
ausgeführten Wortes offenbar so weit vertraut, dass er sich kaum genötigt
sah, Regie und Schauspieler durch eine Reihe expliziter Anweisungen in ihrem
Spiel festzulegen. Allerdings verzichtet er auch nicht gänzlich darauf. Das
hängt wohl auch davon ab, welche Bedeutung er dem mimisch-gestischen Spiel
des Schauspielers in einer bestimmten Szene gibt. So weist z. B. die Szene 2
im zweiten Akt (II,2), in der Saladin während des Schachspiels mit seiner Schwester Sittah von Al-Hafi erfährt, dass die Staatskasse leer ist, vergleichsweise
viele explizite Inszenierungsanweisungen auf, weil damit auch emotionale
Hin- und Hergerissenheit des Sultans unterstrichen werden soll, während die
Szene III,7, in der Nathan dem Sultan die Parabel von den drei Ringen
vorträgt, trotz der prinzipiell dramatischen Zuspitzung zunächst nur mit der
dramatischen Rede im Haupttext dargeboten wird. Statt im Nebentext zu
beschreiben, wie sich Saladin verhalten soll, als er merkt, dass Nathan
recht hat, lässt er diesen zu sich selbst, aber adressiert ans
Publikum im so genannten
Beiseite-Sprechen sagen "(Bei
dem Lebendigen! Der Mann hat recht. Ich muss verstummen.)" (III,7
V 1991) oder durch
kurze emphatische Einwürfe wie "Herrlich!
Herrlich!" oder "Gott!
Gott!" seinen Gefühlszustand ausdrücken. Erst am Ende der Szene werden
dann genauere explizite Anweisungen gegeben, die diese emotionale Wendung
des Ganzen in gestisches Spiel übersetzen (z. B. "SALADIN
(der auf ihn zustürzt, und seine Hand ergreift, die er bis zu Ende nicht
wieder fahren lässt)." Wer genau hinsieht, wird auch im "Nathan",
der, wie schon gesagt, nicht mit einer Fülle von explizit ausgedrückten
Regiebemerkungen aufwartet, eine ganze Reihe
impliziter
Inszenierungsanweisungen finden, die in die dramatische Rede, das also, was
von den Figuren gesagt wird, eingebettet sind. (→teachSamOER-Dokument)
Beispiele, für die es natürlich noch etliche andere gibt, sind u. a.:
-
Dajas Eindruck bei ihrem
Treffen mit dem Tempelherrn: ""Der Klosterbruder, wie mich dünkt, ließ
in der besten Laun' ihn
nicht." (I,6
V 713).
-
Nathans Bemerkungen in seinem
kurzen Monolog vor seinem ersten Zusammentreffen mit dem Tempelherrn über
dessen
Körperbau, "prallen
Gang" und "guten,
trotz'gen Blick" des auf ihn zukommenden Tempelherrn an (II,5
V 1196)
-
Die Äußerung des Tempelherrn
- als Beiseite-Sprechen (ad
spectatores) an das Publikum adressiert - vor seinem Zusammentreffen
mit dem Klosterbruder: "Er folgt mir nicht von langer Weile! - Sieh/
Wie schielt er nach den Händen!") (I,5
V 531f.)
Szene II,4 ist eine Szene mit einer vergleichsweise großen Häufung
impliziter
Bühnenanweisungen und eignet sich daher gut für die unterrichtliche
Arbeit mit diesem Teilaspekt der dramatischen Rede.
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