»Alan
D. Baddeley (geb. 1934)
(1986)
widmet sich in der seiner
Theorie
des Arbeitsgedächtnis vor allem jenen Prozessen mit denen
sprachliche und visuelle Informationen aufrechterhalten werden, ohne dass sie in den
▪ Langzeitspeicher gelangen.
Sie stellt also keine globale Theorie dar, deren Ambition es ist,
die Gesamtheit von Strukturen und/oder Prozessen darzustellen, die
beim Denken eine Rolle spielen. Im Grunde genommen ist es, auch wenn
seine Annahmen auch durch entsprechend modellierte empirische
Forschung gestützt wird, ein "»So-könnte-es.sein-Vorschlag«", der
sich "nicht um das Vorher ('Welche Wahrnehmungsprozesse führen zur
Aktivierung des Begriffes?') und Nachher ('Wie wird ein aktivierter
Begriff weiter verarbeitet?')" (Wentura/Frings
2013, S. 32) kümmert. Dies zu wissen und damit den
Erklärungswert und die Erklärungsreichweite dieser
funktionsorientierten Theorie, die eben nur eine bestimmte Struktur
auf der Basis ihrer eigenen Frangestellung unter die Lupe nimmt, von
vornherein abzuschätzen, ist, insbesondere auch unter didaktischen
und lerntheoretischer Perspektive gesehen, von Bedeutung.
Die Theorie hat er gemeinsam mit »Graham
J. Hitch 1974 zum ersten Mal vorgestellt und im Laufe der Jahre
modifiziert. Seit 2000 hat Baddeley die ursprünglich drei
verschiedenen Komponenten seines Modells um das Modul des
sogenannten »episodischen
Puffers erweitert.
Der Einfluss der Theorie beruht freilich auf
dem sog. Drei-Komponenten- oder Drei-Kästchen-Modell. Ihre
Popularität verdankt sie dabei weniger der Tatsache, dass das, was
sie postuliert, einen höheren Anspruch auf "Wahrheit" geltend machen
kann als konkurrierende Vorstellungen in der Gedächtnisforschung.
Stattdessen ist es wohl vor allem der Tatsache geschuldet, dass man mit
ihrer Hilfe allgemeinere Überlegungen zum Gedächtnis ganz gut
erläutern kann. (Wentura/Frings
2013, S. 33)
Im Gegensatz zur klassischen
▪ Mehr-Speicher-Theorie sieht
Baddeley im Kurzzeitspeichersystem kein
einheitliches System. Stattdessen geht er in seinem "Kästchenmodell"
(ebd.) davon aus, dass das
sogenannte Arbeitsgedächtnis aus zwei Speichersystemen und insgesamt
drei Komponenten besteht: Phonologische Schleife, räumlich-visueller
Notizblock und zentrale Exekutive. Diese zergliedern den Bereich des
Arbeitsgedächtnisses, der als Begriff den des Kurzzeitgedächtnisses
ersetzt, verschiedene Module mit unterschiedlichen Funktionen.
Was die Arbeitsgedächtnis-Theorie von Baddeley von der ▪
klassischen Mehr-Speicher-Theorie
Atkinsons und Shiffrins unterscheidet, ist dabei vor allem,
"dass Information nicht in der
phonologischen Schleife verweilen muss, um Eingang ins
Langzeitgedächtnis zu finden." (Anderson
72013, S.123). Anders als Atkinson und Shiffrin,
für die das Kurzzeitgedächtnis eine notwendige Duchgangsstation von
Informationen sind, ehe sie ins Langzeitgedächtnis gelangen können,
stelle die phonologische Schleife, so Anderson
(ebd.), lediglich ein Hilfssystem dar, um die Information
verfügbar zu machen.
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Diese Modellierung
ist zwar ein theoretisches Konstrukt, wird aber auch von
verschiedenen empirischen Untersuchungen gestützt. Dabei nutzen
diese die begriffliche Aufteilung des Arbeitsgedächtnisses in die
verschiedenen Module um genau dafür bestimmte experimentelle
Aufgaben zu entwickeln, die die theoretischen Annahmen beweisen
sollen.
Bei Baddeley und
seinem Team sind dies die sogenannten
Doppelaufgaben, mit denen nachgewiesen werden soll, dass die
behaupteten Module unabhängig voneinander arbeiten. Dabei müssen die
Versuchsteilnehmerinnen* eine bestimmte Hauptaufgabe lösen, während
sie zur gleichen Zeit eine sehr einfache Nebenaufgabe lösen müssen.
Dabei zeigte sich, dass die verschiedenen Module unter diesen
Versuchsbedingungen unabhängig voneinander operierten. Trotzdem:
Auch Baddeleys Theorie des Arbeitsgedächtnisses ist nicht
unumstritten und die Ergebnisse der modularen, strukturorientierten
Herangehensweise an das Gedächtnis können eben letzten Ende nur
erklären, was sie im Rahmen ihrer Experimente entsprechend
fokussiert haben. (vgl.
Wentura/Frings 2013, S. 34f.)
Die phonologische
Schleife
Baddeley geht davon
aus, dass sprachliche und visuell-räumliche Informationen nicht in
einem einzigen Modul verarbeitet werden können. Für sprachliche
Informationen, die meisten sind eng mit der Sprachwahrnehmung
verbunden und gelangen über aufmerksamkeitsgesteuerte Vorgänge im
auditorischen sensorischen Gedächtnis in das Arbeitsgedächtnis, wo
sie von der zentralen Exekutive dem Verarbeitungsmodul der
sogenannten phonologische Schleife zugewiesen worden. Gelangen
Informationen über das visuell-sensorische Gedächtnis in das
Arbeitsgedächtnis (z.B. wenn wir eine Telefonnummer sehen) sorgt die
zentrale Exekutive dafür, dass diese visuelle Informationen mit
einem phonologischen Code versehen wird und damit auch in die
phonologische Schleife überführt wird.
Die phonologische
Schleife sorgt vor allem dafür, dass wir solche Informationen
behalten können, auch wenn sie in ihrer Kapazität selbst sehr
begrenzt ist. Was als akustische Information ankommt, kann sie
gerade mal etwa 2 Sekunden lang in ihrem weitgehend passiven phonologischen
Speicher halten. Damit die Information nicht verfällt und
für immer verloren geht, wird ein Memorierungsvorgang (rehearsal)
in Gang gesetzt, mit dem die im Speicher gehaltenen Informationen
immer wieder aufgefrischt werden. Dieser Vorgang läuft in der so
genannten artikulatorischen
Schleife in einem Vorgang "inneren Sprechens" ab. Neben dem
phonologischen Speicher ist die artikulatorische Schleife das zweite
Subsystem der phonologischen Schleife.
Was dabei passiert,
kann man mit der bekannten Zirkusnummer rotierender Teller auf
Stäben vergleichen: "Der Zirkusartist wird einen Teller auf einem
Stab zum Rotieren bringen, dann den nächsten Teller auf dem nächsten
Stab, dann wieder den nächsten und so fort. Er beschleunigt ihn
wieder, und dann beschleunigt er den Rest." (Anderson
72013, S.122)
Der passive
phonologische Speicher nimmt gesprochene Informationen direkt auf,
da diese ja schon in Lautform vorliegen und nicht erst, wie bei
gelesenen, also visuell aufgenommenen Informationen erst in einen
phonologischen Code überführt werden müssen, um in der
phonologischen Schleife bearbeitet werden zu können. Gesprochene
Informationen und geschriebene Informationen haben einen
unterschiedlichen Zugang zur Phonologischen Schleife. Gesprochene
Informationen gelangen sofort in den passiven phonologischen
Speicher.
Anders verhält sich
das bei visuell präsentierten, also auch niedergeschriebenen
Informationen. Damit sie nicht schnell verblassen, müssen sie also
umcodiert werden. Ein typisches Beispiel, was dabei passiert, zeigt
unser Umgang mit Telefonnummern. Suchen wir eine bestimmte
Telefonnummer aus einem Telefonbuch heraus, lesen wir zunächst
einmal das visuelle Wahrnehmungsperzept (»Graphem)
in das Arbeitsgedächtnis und zwar den räumlich-visuellen Notizblock
ein. Damit wir uns aber die Telefonnummer wenigstens so lange merken
können, bis wir sie auf unserem Handy eingeben, z. B. 63971, muss
die visuell präsentierte Zahlenfolge phonetisch umcodiert werden,
damit wir sie in verbalisierter Form vor unserem inneren Gehör mit
unserer inneren Stimme aufsagen können. Ist aus der
schriftsprachlichen eine phonetische geworden kann sie im
phonologischen Speicher verarbeitet und abgelegt werden. Damit sie
darin nicht verlorengehen, weil z. B. Störungen (Interferenzen)
durch weitere, neu in den phonologischen Speicher gelangende
Informationen entstehen, können sie durch Memorierungs- bzw.
Wiederholungsprozeduren wie im obigen Zirkusbeispiel anschaulich
verdeutlicht, wieder aufgefrischt werden.
Mit der
phonologischen Schleife lassen sich verschiedene in experimentellen
Versuchen analysierte Phänomen erklären.
So konnte z. B.
angesichts der Tatsache, dass man nur so viele Wörter speichern
kann, wie das kapazitätsbegrenzte System 2 Sekunden speichern kann,
gezeigt werden, "dass die zeitliche Länge von sprachlichen
Informationen bestimmt, wie viel wir kurzzeitig behalten können." (
Wentura/Frings 2013, S. 35). Dieses als
»Wortlängeneffekt
beschriebene Phänomen bedeutet im Prinzip, dass wir uns an mehr
Wörter einer beliebigen Wortfolge erinnern können, wenn diese
weniger Buchstaben haben oder einsilbig sind, als an mehrsilbige
oder zusammengesetzte Wörter, zu deren Aussprache (auch vor dem
inneren Ohr) wir längere Zeit benötigen. Und wer will, kann in der
Ausprägung dieser Fähigkeit dabei noch kulturelle Unterschiede
feststellen. Jedenfalls, so die Annahme, "(kommt) der
artikulatorische Kontrollprozess (...) mit dem Aufrechterhalten
durch das stumme Nachsprechen bei der Liste der längeren Wörter
nicht nach" (ebd., S. 34).
Im Bild der oben beschriebenen Zirkusnummer: Ehe man den ersten
Teller auf dem Stab durch Wiederholung wieder beschleunigen kann,
ist er längst schon vom Stab gefallen.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023
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