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Die sexuellen Erfahrungen, die Michael
Berg mit
Hanna Schmitz
im 1. Teil des Romans »Der
Vorleser« von
Bernhard Schlink
macht, können als Initiation aufgefasst werden. Initiationsriten gibt
es in allen Weltreligionen. Sie werden werden zum Teil sehr feierlich
begangen. Im Judentum kennt man die Beschneidung, im Christentum Taufe,
Kommunion und Konfirmation und im Islam Namengebung und Beschneidung.
Initiation (lat. = Einführung, Einweihung) ist eine Bezeichnung "für
bestimmte, vorgeschriebene Riten, u .a. Kasteiungen, Bewährungsproben,
Beschneidung, Tätowierungen, Fasten u. moral. u. rel. Unterweisungen, die
eine radikale Änderung des sozialen oder rel. Lebensstandards bewirken. Bei
zahlr. Naturvölkern beim Übergang vom Jugend- in das Erwachsenenstadium,
gleichzeitig als Ausdruck der Geschlechtsreife u. Ehefähigkeit, u. bei der
Aufnahme als vollberechtigtes Mitgl. in die (Stammes-)Gemeinschaft in sog.
Pubertäts-, Stammes- und Altersklassen-I. vollzogen" (aus: Herder Lexikon
Pädagogik.1976, S.93)

In dem für den Vorleser verwendeten Sinn handelt es sich um die
Initiation von Michael Berg, der über die Sexualität mit Hanna das Gefühl
hat, den Übergang in die Welt der Erwachsenen vollzogen zu haben. Ausdruck
dafür ist sein Empfinden nach seinem ersten sexuellen Verkehr mit Hanna, das
er als das Erwachen seiner Männlichkeit erlebt.(S.29) Verstärkt wird der
Eindruck der Initiation durch den Verlauf der Treffen zwischen Hanna und
Michael, die, wie der Erzähler berichtet, den Charakter eines Rituals
(vorlesen, duschen, lieben und noch ein bisschen beieinander liegen)
annehmen. (vg. S.43) Unterstützt wird der rituelle Charakter der Treffen
noch durch das
Motiv des Wassers, dem über dessen schlicht säubernde und erfrischende
Wirkung eine metaphysische, kultische Wirkung zugesprochen wird, die sich in
zahlreichen religiösen Riten findet.
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