Elektronische
Fußfesseln dienen gemeinhin dazu, den Aufenthalt von Straftäterinnen und
Straftätern zu überwachen, die nicht in einer Strafvollzuganstalt einsitzen.
Das ist für viele Fälle praktisch, so z. B. wenn verhindert werden soll,
dass ein potentieller Straftäter in die Nähe einer Person kommt, die vor ihm
geschützt werden soll.
Was aber passiert, wenn die
Elektronik wie eine Schutzfessel vor einem selbst schützen soll, zeigt ihre
weitläufige Verwandtschaft der so genannten Wearables, mit denen ihre
Trägerinnen und Träger allem auf die Schliche kommen wollen, das ein
ungeliebtes Eigenleben in unserem Körper und Geist immerfort zu beanspruchen
scheint.
Für die einen sind die
Geräte, mit denen man sich und etliche Körperfunktionen genau vermessen und
kontrollieren kann, einfach nur einen Hype mit Gimmicks, die Spaß machen,
andere sehen in ihnen einen Segen auf dem Weg zu besserer Selbstkontrolle
und Gesundheit und andere warnen vor ihrem Fluch, der im Zuge einer
permanenten Selbstunterwerfung zunehmend zum Einfallstor für Überwachung
soziale Kontrolle wird.
"Es macht Spaß", schreibt
Martin Anetzberger in der Süddeutschen Zeitung in der Rubrik Pro und Contra
v. 23./24.11.2024. "virtuell über seine Trainingseinheiten Buch zu führen,
sich mit anderen zu vergleichen und, ja auch das, sich ein wenig selbst
dazustellen. Dinge, die Spaß machen, wirken motivierend."
Wer den Wettkampf mit
anderen oder auch nur mit sich selbst sucht, Sport als Leistungssport im
weitesten Sinne betreibt, kann einen Fitnesstracker verwenden, um seine
Trainingsfortschritte zu überwachen, kann u. U. auch Überlastungen und
Verletzungen vorbeugen. Der Puls, richtig gemessen und dauerhaft überwacht,
ist dabei ein zentraler Indikator, der sich über den Pulsalarm einer
Fitnessuhr so kontrollieren lässt, dass das Herz-Kreislauf-System nicht
überlastet wird. Und die Schrittzählfunktion kann insbesondere Menschen, die
dringend an ihrem Bewegungsprofil arbeiten müssen, weil sie Übergewicht
haben, am Rande oder mittendrin in einer Diabetes-Erkrankung stecken oder
unter anderen Herz-Kreislauferkrankungen leiden, mit der Vorgabe eines
langsam steigenden Schrittziels pro Tag sich wieder mehr zu bewegen. So
manches, was die Wearables aufzeichnen können, könnte auch in einen vom Arzt
begleiteten Behandlungsprozess eingebunden werden.
Dies führt oft dazu, dass
nach anfänglicher Euphorie über das „neue“ Wearable die Begeisterung
nachlässt, das Gerät im Schrank bleibt und somit der eigentlich
beabsichtigte Nutzen nicht erreicht wird.
Allerdings weiß man
inzwischen auch, wie Lutz Reum im Deutschen Ärzteblatt schon 2015 angemerkt
hat, dass die eigentliche Herausforderung im Umgang mit den Wearables darin
besteht, "den Benutzer zu motivieren, sein Device kontinuierlich weiter zu
verwenden, auch wenn der Reiz des Neuen nachlässt." Viel zu oft kommt es
eben vor, dass die smarten Aktivitätstracker schon nach ein paar Monaten
beiseite gelegt werden, ihr Tragen eben nicht zu einer Gewohnheitsbildung
und einem dauerhaft veränderten Aktivitätslevel beiträgt. Allerdings kann,
auch das haben Äzte offenbar beobachtet, kann das zwanghafte Beobachten der
eigenen Daten den Alltag im Extremfall rundum bestimmen, zu Stress, Angst
und sogar Krankheiten fördern. (vgl. Volkert in der Süddeutschen Zeitung).
Die Philosophin Anna-Verena
Nosthoff und den Kulturwissenschaftler Felix Maschewski werfen dagegen einen
sehr kritischen Blick auf diese Entwicklung. Sie warnen unter Berufung auf
verschiedene Studien ausdrücklich vor der sozialen Kontrolle und Steuerung
der Gesellschaft durch die Vorhersage von Sozialverhalten, die die
gesammelten Daten aus den Wearables ermöglichen oder verbessern.
Auch Lilith Volkert, die in
der schon erwähnten Pro-Contra-Rubrik der Süddeutschen Zeitung den
Contra-Part übernommen hat, spricht sich vor allem wegen des "mitgelieferte(n)
Optimierungszwang(s)" gegen das Fitnesstracking aus. Ihr Argument: Es kommt
dabei eigentlich gar nicht darauf an, die eigenen Vitalwerte zu kennen,
sondern stets darum, sie zu verbessern. "Beim Sport entspannt vor sich hin
zu dilettieren, einfach eine halbe Stunde zu rennen, um den Kopf
freizubekommen? Kann man vergessen! Alles wird vermessen und bewertet, jeden
Durchhänger hat man schwarz auf weiß.[...] man ist in einem ewigen Wettkampf
gegen sich selbst gefangen."
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Gert Egle 2011, zuletzt neu bearbeitet am:
15.01.2025