Bei der Abfassung eines
•
Interpretationsaufsatzes
ist eine Gliederung zugrunde zu legen, die das Gerüst der
Gedankenführung im Zuge der sprachlichen Ausarbeitung darstellt.
Am
Beispiel des 10. Kapitels •
Ersten Teil von •
Bernhard Schlinks Roman
• »Der
Vorleser«vkönnte man dabei von folgenden Überlegungen ausgehen.
Ist das Thema z. B. wie in der nachfolgenden
mehrteiligen Arbeitsanweisung gestellt, lässt es sich nach der
Erfassung der darin formulierten Anforderungen in die anschließenden
Gliederung bringen. Diese stellt dabei nur eine Variante verschiedener
Gliederungsmöglichkeiten eines Interpretationsaufsatzes dar.
Grundsätzlich kann sich der Aufbau des Interpretationsaufsatzes auch am
allgemeinen Gliederungsschema
orientieren, wobei freilich die jeweiligen Vorgaben in der mehrteiligen
Arbeitsanweisung zu berücksichtigen sind.
Variante 1 (autor- und
werkorienterte Einleitung)
- Informationen über Bernhard Schlink, seinen Lebenslauf und/oder sein
Gesamtwerk
- Entstehungszeit des Textes
- Titel, Thema, Textsorte (Überblicksinformation), Kurzinhalt
Variante 2 (rezeptionsorientierte Einleitung)
- Darlegung der bei der ersten Lektüre des Textes gewonnenen
Erstleseeindrücke
- Beschreibung der Entwicklung des Verständnisprozesses von der ersten
Lektüre hin zu dem gewonnenen Stand des
Vorverständnisses nach seiner Behandlung im Unterricht
- Entwicklung einer oder mehrerer zum Thema passenden
Interpretationshypothese(n)
Variante 3 (themenorientierte Einleitung)
-
Bei der Interpretation des 10. Kapitels des 1. Teils stellt die
Entwicklung der Beziehung von Hanna und Michael während ihrer Affäre den
thematischen Schwerpunkt dar. Daher könnte eine themenorientierte
Einleitung sich prinzipiell oder unter aktuellem Vorzeichen damit
befassen. Sie könnte
-
die auch heute noch "anrüchige" Beziehung einer so viel älteren Frau
mit einem Jugendlichen ansprechen
-
Prinzipien einer gleichberechtigten Beziehung zwischen Männer und
Frauen darstellen
-
die Rolle der Sexualität für das Funktionieren einer Beziehung
thematisieren.
-
Die themenorientierte Einleitung darf dabei nicht zum Selbstzweck
werden, sondern muss mit einer Überleitung zum Hauptteil enden, nach dem
Muster: "... Was heute vielen Menschen noch anrüchig erscheint, war
früher noch in erheblich stärkerem Maße gesellschaftlich geächtet.
Die Beziehung zwischen der 36-jährigen Hanna Schmitz und dem 15-jährigen
Schüler Michael Berg, die Bernhard Schlink in seinem Roman "Der Vorleser
gestaltet, ist eine solche Affäre, die in Ende der fünfziger Jahre
spielt. ....
Analog lassen sich thematische Einleitungen zu den anderen wichtigen
Themen des Romans
gestalten wie
Adoleszenz,
Schuld,
Nationalsozialismus oder
Analphabetismus.
(Je nach gewählter Einleitung kann der
Übergang zum Hauptteil ohne Überleitung erfolgen. In jedem Fall aber muss - wenn
nicht schon in der Einleitung geschehen - der Autor und sein Werk - sowie die zu
interpretierende Textstelle bzw. das zu interpretierende Kapitel erwähnt
werden.)
-
Textwiedergabe / Inhaltsangabe
-
Textbeschreibung / -analyse
-
Analyse des 10. Kapitels unter dem Blickwinkel der Fragestellung:
-
Anlass und Ursache des Streites zwischen Hanna und Michael
-
Das Verhalten Michaels und die Beweggründe für sein Verhalten
-
Das Verhalten Hannas und die Beweggründe ihres Verhaltens
-
Die Beurteilung des Konfliktes durch das erlebende Ich des jungen
Michael Berg und das erzählende Ich des 50-Jährigen
-
Formanalyse: Analyse der verwendeten
Darbietungsformen (z. B.
szenische Darstellung,
Erzählerbericht,
innerer Monolog) und ihrer
Wirkung
-
Erfassen und Darlegen der Aussageabsicht des Textes bzw. der
vermuteten Autorintention
-
Gesamtinterpretation
(Auf einen gesonderten Schluss kann u. U.
auch verzichtet werden, wenn er nicht wirklich Gesichtspunkte beinhaltet, die
über das bisher Gesagte hinausweisen. Auf keinen Fall einfach einen Standardsatz
"ankleben" wie: " Ich finde den Text sehr interessant und ich finde gut, was da
erzählt wird.")
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
25.05.2024
|