Das
▪ visuelle System des Menschen funktioniert knapp gefasst so: Beim Hinblicken auf ein Objekt der äußeren Umgebung fällt dessen
reflektiertes Licht ins
▪
Auge. Es
wird vom Auge aufgenommen, in fokussierter Form auf der Netzhaut
abgebildet und von den Rezeptorzellen in eine bioelektrische Aktivität des
Nervensystems umgewandelt. Die auf bestimmte Wellenlängen des Lichts
spezialisierten sensorischen Rezeptorzellen (Photorezeptoren) wandeln
dabei die Energie des ▪
distalen Reizes (Fernreiz), der vom
Objekt ausgeht, in einen ▪
proximalen Reiz (Nahreiz)
um. Aus dem Reizmuster des proximalen Reizes werden bei der Wahrnehmung
die Informationen über ein betrachtetes Objekt gewonnen, dessen
Gegenstandsmerkmale den distalen Reiz ausmachen. (vgl.
Goldstein 2002, S. 10)
Der
sensorische Eingang für Licht
erfolgt über die Hornhaut und die Pupille. Zunächst wird das einfallende
Licht durch die durchsichtige Hornhaut
geleitet, die die Lichtstreuung mit ihren parallel angeordneten
Collagenfasern gleichen Durchmessers schon minimiert.
Durch die
Pupille, einer Öffnung, deren Größe durch die
Iris
verändert werden kann, treffen die
elektromagnetischen Wellen auf die in ihrer Brechkraft flexible
Linse, die das Licht weiter bündelt (fokussiert)
und auf die Netzhaut (Retina), die
innere Augenhaut mit ihrem komplexen
Netzwerk von sechs verschiedenartigen Nervenzellen (Neuronen),
lenkt.
Die wichtigsten Neuronen sind die so genannten
Stäbchen und
Zapfen, die
als unmittelbare Photorezeptoren fungieren.
Daneben gibt es noch vier weitere Neurone:
Bipolarzellen,
Horizontalzellen,
Amakrinzellen und
Ganglienzellen, die die bei der Umwandlung des Lichts in
sensorische Erregung entstehenden
Aktionspotenziale
weiterverarbeiten und weiterleiten. Sobald die elektrischen Signale die Ganglienzellen erreichen, verlassen
sie das Auge auf dessen Rückseite über den
Sehnerv.
Von dort kommen sie in einen Kern des
Thalamus
an, der als
seitlicher Kniehöcker
(Corpus geniculatum laterale,
CGL) bezeichnet wird.
Von da geht es über
die Sehbahn (Tractus opticus) zum
primären visuellen Cortex und
in andere höhere Cortexareale u. a. die im
Partial-, Temporal- oder
Frontallappen des
▪
Gehirns
angesiedelt sind. (vgl.
Goldstein 2002, S. 44)
Der Thalamus, über den bei allen Wirbeltieren sensorische Signale in den
cerebralen Cortex (Großhirnrinde) gelangen, fungiert dabei wie ein Tor, das, beeinflusst
durch zurückfließende Instruktionen aus dem Cortex, "nur die momentan
gerade wichtigen sensorischen Eingänge" durchlässt. Weshalb der Sehsinn wie fast alle anderen Sinne auch seine neuronalen
Signale zunächst in den Thalamus, den den größten Teil des Zwischenhirns,
sendet, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Man nimmt an, dass dort
unter dem Einfluss von
Aufmerksamkeitsprozessen
schon bestimmte Merkmale der Information hervorgehoben werden. Da der
Thalamus diese Informationen aber auch an das
limbische System
weiterleitet, könnte es auch sein, dass bestimmte Reize mit einer
besonderen emotionalen Bedeutung eine schnellere Antwort erzeugen können.
(vgl.
Gegenfurtner 2003, S. 38)
Worterklärungen
Aktionspotenzial =
Nervenimpuls, der durch ein Neuron ausgelöst wird und das
Axon entlangläuft und am Ende
bewirkt, dass an dem Spalt zum nächsten Neuron (Synapse)
Neurotransmitter ausgeschüttet werden, die das nachfolgende Neuron
stimulieren
Amakrinzellen
= Zellen, die zum visuellen System gehören; verbinden
Bipolar-
mit Bipolarzellen und
Ganglien- mit Ganglienzellen
miteinander; dienen der Integration bei der neuronalen
Weiterverarbeitung der retinären Impulse, schicken diese aber nicht
selbst ins Gehirn
Axon = lange Faser eines Neurons, die zu den
Endknöpfchen zieht; an den Synapsen werden dann chemische Botenstoffe (Neurotransmitter)
ausgeschüttet
Bipolarzellen =
Nervenzellen, die zum visuellen System gehören; verbinden die Impulse
vieler Rezeptoren und übertragen ihren Impuls auf die weiterleitenden
Ganglienzellen; dienen der
Integration bei der
neuronalen Weiterverarbeitung der Impulse, die von der Netzhaut kommen (retinäre
Impulse)
Chiasma opticum = auch:
Sehnerv(en)kreuzung; Bezeichnung für die Kreuzungsstelle der Sehnerven,
die vom rechten und linken Auge kommen; Konsequenz: die rechte
Hirnhälfte bekommt nur Seheindrücke der linken Gesichtsfeldhälften zur
Verarbeitung und umgekehrt.
Corpus geniculatum laterale (CGL)
= Ein Neuronenkern (Nucleus) im Thalamus; erhält Signale vom
Sehnerv und besitzt Nervenfasern, die zum primären visuellen Cortex (V1)
führen (= Sehbahn)
Ganglienzellen =
Zellen, die zum visuellen System gehören;
integrieren Impulse, die
von vielen
Bipolarzellen kommen, zu einem
einzelnen Impuls
Horizontalzellen =
Zellen, die zum visuellen System gehören; verbinden Rezeptoren
untereinander; dienen der
Integration bei der
neuronalen Weiterverarbeitung der retinären Impulse, schicken diese aber
nicht selbst ins Gehirn
Integration
= neuronale Verarbeitung der Reizinformationen (»
Konvergenz von Neuronen)
limbisches System =
Gehirnregion, die für die Kontrolle des emotionalen Verhaltens,
grundlegender motivationaler Bedürfnisse, des (emotionalen)
Gedächtnisses sowie weiterer physiologischer Funktionen zuständig ist (»Das limbische System)
Sehnerv =
Bezeichnung für die Nervenfasern von der Retina bis zum
Chiasma
opticum
Sehbahn =
Bezeichnung für die vom Chiasma opticum bis hin zum
Corpus Geniculatum
verlaufenden Fasern
Sehstrahlung = Bezeichnung für die
vom
Corpus Geniculatum zum primären visuellen Cortex (= primäre
Sehrinde) hin verlaufenden Fasern
Stäbchen =
Rezeptorzellen (Photorezeptoren), die überwiegend an der Peripherie der
Netzhaut angesiedelt sind; lösen keine Farbempfindung aus und sind bei
schwachem Licht am aktivsten
Zapfen = Rezeptorzellen (Photorezeptoren), die
überwiegend im Zentrum der Netzhaut angesiedelt sind; zuständig für
normales Sehen und Farbensehen
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023
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