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Aspekte der Erzähltextanalyse

Aspekte eines thematischen Vergleichs mit verschiedenen Bildern

Franz Kafka: Auf der Galerie

 
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Eine moderne Parabel interpretieren
Quickie: So interpretiert man eine moderne Parabel
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Aspekte der Schreibaufgabe
Didaktische und methodische Aspekte
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Die Schreibaufgabe analysieren
Sich auf eine moderne Parabel einlassen
Über Kohärenzlücken "stolpern" und Transfersignale erkennen
Den Bildbereich analysieren
Ansätze für die Übertragung in einen Sachbereich gewinnen
Die sprachliche Gestaltung des Bildbereichs untersuchen
Die Textinterpretation strukturieren
Sich für eine Schreibstrategie entscheiden
Arbeitsschritte zur Bewältigung von Schreibaufgaben
Formulierungshilfen
Typische Schreibaufgaben

Fremdheitserfahrungen thematisieren
 Baustein: Einen Zugang zu Kafkas Parabeln finden:
Dass einem diese Texte "schräg" vorkommen, ist ganz normal ...

▪ Kohärenzbildung über mentale Modelle, kognitive Schemata und literarische Konventionen (Gattungen)

Kafkas Parabel "Auf der Galerie" bietet eine Reihe von Möglichkeiten Bilder als Kontextmaterial für die Arbeit mit dem Text zu nutzen. Insbesondere das • literaturdidaktische Verfahren des Text-Bild-Vergleichs eignet sich hier in besonderer Weise, weil es drei Gemälde gibt, die in einen sinnvollen Thema- und Motivbezug mit Kafkas Parabel gebracht werden können, um daraus Hinweise für das individuelle Verstehen des Textes und zur Begründung der jeweiligen Lesart zu gewinnen.

Als inhaltich-thematischer Einstieg eignet sich eine vergleichende Bildbetrachtung von drei Bildern. Zwei davon sind im Abstand von drei Jahren am Ende des 19. Jahrhunderts von zwei »post-impressionistischen Malern entstanden, die von unterschiedlichen Standpunkten aus die Kunst der »Moderne vorbereitet haben. Gemeinsam war ihnen, wie den anderen Vertretern des Postimpressionismus, dass sie sich von der reinen Nachahmung der Natur abwandten und begannen, das Bild als eine selbstständige Kunstform aufzufassen, das Gegenstand reiner Darbietung von Farbe und Form werden sollte. Unter diesem Blickwinkel zielten ihre hauptsächlich Werke auf den ästhetischen Genuss bei der Rezeption und die Vermittlung subjektiver Empfindungen des Künstlers.

Es handelt sich dabei um

Zirkusse waren eine besonders beliebte Form der Volksunterhaltung und in Paris, auf dessen Zirkuswelt sich die beiden erstgenannten Gemälde, bei Toulouse-Lautrec sogar ausdrücklich auf den Le Cirque Fernando (den Fernando-Zirkus), der sich in »Montmartre in der Nähe von Le Mirliton 13 befand, dessen Aufführungen von dem Künstler in Begleitung seines Vaters schon in seiner Kindheit besucht hat. Dabei war es der junge Henri offenbar besonders von den dort gezeigten Reitaufführungen angetan, die eines der Markenzeichen dieses Zirkus gewesen sind. Das

 Das Gemälde war eines von etwa sechs Werken, die Toulouse-Lautrec zwischen 1888 und 1891 zum Thema Zirkus malte. Nach einer Krankheit im Jahr 1899 , kehrte er wieder zu Zirkusthemen zurück und fertigte über 50 Zeichnungen aus der Erinnerung an die Menschen und Tiere an, die er so gut beobachtet hatte 15.
In Equestrienne (Im Zirkus Fernando) sind die Themen nicht glamourös; Stattdessen fängt die starke Fokussierung der Künstlerin auf den Zirkusdirektor und die Reiterin sowie ihr Pferd im Hintergrund sowohl ihre Beziehung als auch das Gefühl ihrer Bewegung ein. Der große Rumpf des Pferdes, sein hochgezogenes Hinterbein sowie der bauschige Rock des Reiters lassen darauf schließen, dass sich das Pferd in schnellem Tempo um den Ring bewegt. In der Manege befinden sich auch Clowns, die mit ihrer eigenen Probe beschäftigt sind und nichts mit dem Reiterduo zu tun haben. Es sind zahlreiche gut gekleidete Zuschauer anwesend, aber vielleicht weil es eine Probe ist, schauen sich die Darsteller gegenseitig an und scheinen kein Interesse daran zu haben, vor dem Publikum zu spielen. Die wenigen Männer im Publikum, deren Augen man sehen kann, blicken nicht auf den spärlich bekleideten Reiter, sondern scheinen einige Elemente der Probe außerhalb des Bildraums zu betrachten.
Die Nahaufnahme entzieht dem Betrachter ironischerweise den spektakulären Charakter einer Zirkusvorstellung und konzentriert seinen Blick stattdessen auf die Details der Interaktionen der Darsteller. Die Gesichter des Reiters und des Zirkusdirektors erinnern an eine komplexe Beziehung, die auf Kraft und der Beherrschung der Anstrengung zur korrekten Leistung basiert. Der scharfe Blick des Künstlers ermöglicht es einem auch, die grelle Farbe des Make-ups und der Kostüme des Reiters sowie die behäbige Natur der Anatomie des Pferdes zu erkennen, das gegen den Reiter spielt

Das 1888 entstandene Gemälde "Au cirque Fernando, l'écuyère (Die Kunstreiterin im Zirkus Fernando)" von »Henri Marie Raymond de Toulouse-Lautrec (1864-1901) war eines von etwa sechs Werken, die Toulouse-Lautrec zwischen 1888 und 1891 zum Thema Zirkus malte. Nach einer Krankheit im Jahr 1899  griff er das Zirkusthema erneut auf und fertigte über 50 Zeichnungen aus der Erinnerung an die Menschen und Tiere an, die er bei seinen Zirkusbesuchen gut beobachtet hatte. Das Bild fängt in einer Art Nahaufnahme den Moment ein, als eine Zirkusartistin sich anschickt, auf dem in der Zirkusmanege zu schnellem Tempo getriebenen Pferd aufzustehen und im Anschluss daran, durch einen Papierreifen zu springen, der von einem Clown in die Höhe gehalten wird. Der Pferdedompteur, mutmaßlich der Zirkusdirektor selbst, dirigiert den Apfelschimmel, der nur von hinten mit einem hochgezogenen Hinterbein zu sehen ist, und treibt ihn mit seiner Peitsche an. Die Kunstreiterin, deren Rock sich angesichts des vorgelegten Tempos so aufgebauscht hat, dass ihre nackten Beine vollständig zu sehen sind, steht in Blickkontakt mit dem Dompteur der Pferdedressur, dem Zirkusdirektor. Sie sitzt auf einem Sattel auf der dem Zirkusdirektor und nicht dem Publikum zugewandten Seite des Pferdes.

Das Bild fängt in einer Art Nahaufnahme den Moment ein, als die Zirkusartistin sich womöglich anschickt, auf dem in der Zirkusmanege zu schnellem Tempo getriebenen Pferd aufzustehen und im Anschluss daran, durch einen Papierreifen zu springen, der von einem Clown in die Höhe gehalten wird. Der Blicke, die sich die Kunstreiterin und der Zirkusdirektor zuwerfen, sind ernst, vielleicht auch nur konzentriert auf die Kommandos, die der letztere im Zuge der Vorführung der Artistin und dem Pferd gibt. Der Gesichtsausdruck, dem jede Leichtigkeit fehlt, ist, wenn die Annahme des u. U. bevorstehenden Höhepunkts der Zirkusnummer, nämlich den den Sprung durch den Papierreifen, zutrifft, nachvollziehbar, kann aber natürlich auch als Zeichen für die angespannte Beziehung beider Figuren zueinander gesehen werden. In beiden Fällen entsteht der Eindruck, dass die Peitsche in der Hand des Zirkusdirektors, die sich womöglich gerade nach einem Hieb auf das Hinterteil des Pferdes gesenkt hat, die Zirkusnummer mit ihrem bevorstehenden Höhepunkt "durchpeitschen" soll.

Der Bildausschnitt beschränkt sich auf einen kleinen Teil der Manege und ein paar wenige nur teilweise sichtbare, gut gekleidete Zuschauer in den unteren, ziemlich leeren Zuschauerrängen, deren Gesichter im Bildausschnitt "abgeschnitten" oder wie im Falle des eines Mannes mit Frack und Zylinder kaum zu sehen sind. Am Rand der Manage stehen zwei weitere Männer im Frack, von denen nur einer mit seinem Gesicht dargestellt ist. Sein Blick geht nicht in Richtung auf die beiden Hauptfiguren in der Manege, sondern irgendwo andershin, vielleicht auf den Clown mit dem hochgehaltenen Papierreifen. Die Zuschauer jedenfalls spielen in der Darstellung, die sich ganz auf die eigentlich Dressur- und Kunstreitnummer sowie die Beziehung zwischen Zirkusdirektor und Kunstreiterin fokussiert, eine ebenso untergeordnete Rolle im Bildausschnitt nicht zur Darstellung kommende glamöurose Zirkusambiente.

Das Bild der "Zirkus" von »Georges-Pierre Seurat (1859-1891) stellt einen Ausschnitt einer Zirkusvorstellung dar, die in einem Zirkuszelt stattfindet. das Innere eines Zirkuszelts während einer Vorstellung. Der Betrachter blickt auf die Szenerie von einer Position aus, die hinter dem von einem Clown im Vordergrund mit beiden Händen geöffneten Manegevorhang. Ihm ist mit seinem geöffneten Mund ein gewisses Erstaunen ins Gesicht geschrieben, das er offenbar nonverbal mit dem im Zirkusrund auf den Rängen platzierten Publikum kommuniziert, um die Attraktion, die dargeboten wird, noch zu unterstreichen. In der Manage führen zwei Artisten, mutmaßlich eine Frau und ein Mann, waghalsige Kunststücke vom Rücken eines in einem langgestreckten Sprung befindlichen weißen Pferdes aus. Während die Artistin auf dem Rücken des Schimmels, der ohne jegliches Zaumzeug oder Sattel durch die Arena springt, auf einem Bein scheinbar schwerelos balanciert und posiert, ist ihr Partner offenbar gerade vom Pferd abgesprungen und vollführt einen Salto. Das Pferd wird von einem Dompteur im Frack mit seiner nach unten gerichteteten Peitsche dirigiert, dessen Blick in einer Mischung aus Konzentration bei der Dressur und Bewunderung für die Artistin den Bewegungen des Pferdes folgt. Im hinteren Teil des Zirkusrunds "kommentiert" ein weiterer, lachender Clown in einer dem Publikum zugewandten Pose die Darbietung.

Den Hintergrund der Szene bilden die Zuschauerränge, die allerdings nur zum Teil gefüllt sind, und die oben nur angedeutete Musikkapelle. Auf den vorderen Plätzen, in den ersten Reihen, haben es sich Frauen mit ausladenden Hüten und in feiner Kleidung und andere fein gekleidete Personen bequem gemacht, um dem dem bunten Treiben von der Nähe aus folgen zu können. Sie nehmen alle eine äußerst aufrechte Sitzhaltung ein. Etwas weiter oben befinden sich einige Zuschauer und Zuschauerinnen auf den weniger komfortablen und enger konstruierten Rängen. Auch sie folgen fast alle dem Geschehen in der Manege. Zwei Männer mit Hut allerdings scheinen davon nicht sonderlich angetan zu sein. In lässiger Körperhaltung scheinen sie sich über alles andere als das Zirkusgeschehen zu unterhalten. Ganz oben schließlich hinter einer weißen Bande gibt es noch eine Reihe von Zuschauern, die offenbar von Stehplätzen aus auf das Geschehen blicken. Eine geradezu verblüffende Ähnlichkeit mit dem Text "Auf der Galerie" von Franz Kafka ist am oberen Rand des Bildes zu sehen. Dort ist nämlich ein Mann auf der (Zirkus-)Galeriezu sehen, der fast wie in Kafkas Parabel erzählt, sein "Gesicht auf die Brüstung" hat sinken lassen. Ob Kafka das Bild allerdings kannte, ist zweifelhaft und ungeklärt.

Einen ganz anderen Blick auf das Ganze hat der »Expressionist »Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938), der mit seinem Gemälde "Zirkus/Zirkusreiterin" 1913 den Voyerismus und die dekadente Schaulust des Bürgertums, das sich mit der Eintrittskarte in den Zirkus bzw. das Varietés einen vermeintlichen Freiraum erkauft, indem sich das Abenteuer, das unverfälschte Leben, Kraft und Aggressivität als Konsequenz eines ausgeklügelten Dressurakts inszenieren lässt. Der Zirkus ist dabei der Ort, um diese Inszenierung "aus gesicherter Distanz zu betrachten, statt es zu suchen und selbst direkt zu erleben." (Werkbeschreibung der »Sammlung Pinakothek)

der „Cirkus“ spiegelt somit deutlich die Bewunderung des Künstlers für eine exotisch fremde Gegenwelt, die ihm jedoch auch zum Gleichnis der eigenen Situation wird."

In den Themen Varieté und Zirkus spiegelt sich die Konfliktsituation des spätbürgerlichen Bohemien und gebildeten Künstlers: Die Inszenierung von Abenteuer, unverfälschtem Leben, Kraft und Aggressivität ist Konsequenz eines ausgeklügelten Dressurakts. Hier ist der vermeintliche Freiraum des Großstädters, der sich das Abenteuer mit einer Eintrittskarte erkauft, um es .

Die Darstellung zeigt einen Ausschnitt aus der sehr eng bemessenen Zirkusarena, in dem eine nackte Artistin, mit einem Bein in einer Schlaufe fixiert seitlich vom Rücken ihres im Verhältnis zur Arena übergroßen Schimmels in Richtung auf den Dompteur und einen Clown herunterhängt. Die vorderen Ränge des Zirkusrunds sind bis auf den letzten Platz gefüllt, die Gesichter der Zuschauerrinnen und Zuschauer indessen nicht erkennbar.

Die Werkbeschreibung in betont dabei die Unterschiede der Gestaltung des Themas bei Kirchner im Gegensatz zu Seurats Werk, auf das Gemälde Kirchners referiert. "Grundlage für Kirchners Komposition war offensichtlich Georges Seurats Bild "Der Zirkus" von 1891 (Musée d’Orsay, Paris), das er jedoch stark uminterpretierte. Die dekorative Wirkung bei Seurat weicht einer beunruhigenden Stimmung, die durch Kirchners für diese Zeit typischen, nervösen, an den Gegenstandsrändern splittrigen Pinselduktus, durch die Beschränkung der Palette auf Schwarz, Grau-Grün und Rot und schließlich durch die Konfrontation von zwei unterschiedlichen Perspektiven erzeugt wird. Während die beiden akklamierenden "Anheizer" in Clownskostümen und die drei rot livrierten Männer am Zirkuseingang fast frontal gesehen sind, erscheinen Manege und schwarz gekleidetes Publikum in extremer Aufsicht, wodurch der Eindruck entsteht, die Zuschauer würden nicht das spannende Geschehen in der Manege verfolgen, sondern blicklos nach unten starren. Pferd und Reiterin nehmen beide Perspektiven auf und wirken dadurch zugleich überproportioniert und verzerrt. Publikum, Pferd und Reiterin verbindet nicht mehr die spannungsreiche Atmosphäre des Zirkusgeschehens, sie spielen einen isolierten Part – dort die anonyme, gesichtslose Menge, hier die für sich agierende Akrobatin, verbunden untereinander nur durch die Künstlichkeit der Beleuchtung und eine aggressive Farbigkeit."

Einen interessanten Überblick über die beiden Gemälde, sowie das Bild von Arthur Kirchner gibt das YouTube-Video: the artinspector: George Seurat - Der Zirkus (4:09)

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 16.10.2024

 
 

 
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