Unsystematisch aus Prinzip
Synkretistisches Schreiben ist eine Bezeichnung für eine
Schreibstrategie, die bei herkömmlicher
Betrachtung in jederlei Hinsicht unsystematisch vorgeht.
Wer so
schreibt, schreibt nach Art des »Synkretismus, der einen Zustand der
Vermischung, Vermengung und/oder Verschmelzung von Vorstellungen,
Positionen und/oder Standpunkten beschreibt.
Statt linear-geordnet "Working by Chaos"
Für Ortner (2000.
S.496ff.) steht der Begriff in Opposition zu linear
geordnet-fortschreibend diskursivem Schreiben. In diesem Sinne versteht
er es auch als "Working by Chaos".
Wer so schreibt, "lässt einen Teil liegen und führt die Idee an einem
anderen weiter, verknüpft unentwegt verschiedene Sachen miteinander und
erhält so immer neue Gestalten." (Mrotzek/Böttcher
2011, S. 36)
So schreibt man in der Not
Wer synkretistisch schreibt, tut dies oft aus der Not heraus.
-
Oft ist
der Schreiber einfach überfordert.
-
Nicht selten fehlen ihm einfach
die Kenntnisse bzw. das Wissen, das die erfolgreiche Textproduktion
voraussetzt.
Statt das Denken und Schreiben zwei- oder mehrschrittig in
unterschiedlichen Phasen zu erledigen, wie dies beim
Schritt-für-Schritt-Schreiben oder
dem Aus-dem-Kopf-Niederschreiben
der Fall ist, werden Denken und Schreiben im Textproduktionsprozess
ständig miteinander vermischt.
Dabei gehen sie eine so enge Verbindung
ein, das sie sich gegenseitig bedingen: Ohne Schreiben geht das Denken
und ohne Denken geht das Schreiben eben nicht.
Das Ergebnis: Der Text wirkt disparat
Die Textgestalt, die beim synkretistischen Schreiben erzeugt wird, ist gekennzeichnet von einer
Vielzahl inhaltlich und sprachlich disparat erscheinenden Textteilen.
Das Ende eines synkretistisch verlaufenden Schreibprozesses ist nicht
selten ein Textprodukt, dessen Teile nur einen geringen Zusammenhang
aufweisen. So schlägt sich der sprunghafte Produktionsprozess auch oft
unmittelbar in der Textgestalt nieder, die, auch wenn
sie noch so "hochgradig
rekursiv" ist (ebd.)
nie erahnen lässt, "welchen Impulsen sie jeweils an welcher Stelle folgt." (ebd.)
Dies liegt nicht zuletzt daran, dass beim synkretistischen Schreiben
die unterschiedlichsten Schreibstrategien angewendet werden, um dem
Text Gestalt zu geben.
"Synkretisitisches Schreiben ist", so führt
Ortner (2000,
S.538) aus, "zusammen mit der Strategie der Produktzerlegung, die Form
des Schreibens, die am weitesten vom Wissen wiedergebenden Schreiben
entfernt ist. Der Abstand zur bloßen Wissenswiedergabe ist hier
riesengroß."
Der Weg ist das Ziel in einer chaotischen Textproduktion
Daher ist für diese Schreibstrategie auch kennzeichnend, dass der Weg das
Ziel darstellt.
Synkretistisches Schreiben ist nicht
zielgerichtet, orientiert sich also nicht an einem im Voraus
festgelegten Ziel, sondern ist zielproduzierend, wie
Ortner (ebd.)
weiter ausführt.
Die chaotische Textproduktion, bei der "die
Generalperspektive (...) manchmal erst beim Schreiben gefunden -
schreibend herausgebuddelt (wird)" (ebd.),
führt dabei auch zu einer extremen Form der Arbeitsteilung, in deren
Gefolge "weite Wegstrecken nur hinkend und zerlegend (portionenweise)
hinter sich gebracht werden können." (ebd.)
Für den schulischen Schreibunterricht nicht geeignet
Im schulischen Kontext ist im Rahmen herkömmlicher
schulischer
Schreibformen eigentlich kein Platz für diese Schreibstrategie, weil
man sich mit ihrem Bezug zu dem eher "dumpfen" und intuitiven
synkretistischen
Wissen" - "dass man das, was man nicht erfliegen kann, erhinken muss"
(ebd.) - weder
an Textmusterwissen noch Schreibzielvorgaben orientieren kann.
Wer es
tut, dem wird, weil er nicht selten immer wieder mit neuen Textteilen
beginnt und andere dafür liegen lässt, meistens die mangelnde
Verknüpfung der Textteile und ein unsystematisches Hintereinander
attestiert, ein "Textchaos" eben, das einen solchen Text, von der
Textverständlichkeit her besehen, nur schwer
"verdaulich" macht.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.07.2020
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