In der
▪
Sprechakttheorie
ist der ▪
Illokutionsakt einer der drei
bzw.
vier ▪
Teilakte eines Sprechakts, zu denen
auch der ▪
propositionale Akt,
▪ der
perlokutive Akt
und der ▪ Äußerungsakt
zählen. Er wird mit den anderen Teilakten bei jeder Äußerung
eines Satzes zugleich vollzogen.
Mit dem Zusammenhang der ▪ illokutiven
Handlungen auf Textebene befasst sich die
Illokutionsstrukturanalyse.
Sie hat zum Ziel, "die ▪
Textfunktion
aus dem Komplex sprachlicher Handlungen herzuleiten." (Gansel/Jürgens
2007, S.83)
Für deren Vertreter*innen (z. B.
Motsch und Vieweger 1991,
Rolf 1993) ist ein Text von
"mannigfache(n) Unter- und Überordnungsbeziehungen" (Brinker
41997, S.92,
92018, S.95)
strukturiert ist, bei dem "in der Regel eine bestimmte
illokutive Handlung die übrigen dominiert." (ebd./ebd.)
Diese dominierende illokutive Handlung, bestimmt damit das
Gesamtziel, das ein Text verfolgt und signalisiert die
Textfunktion (vgl.
Rolf 1993,
S.148).
Damit bei der Kommunikation
keine Missverständnisse über dieses Gesamtziel aufkommen, werden
die illokutiven Handlungen eines Textes in eine "hierarchisch
strukturierte Abfolge" (ebd./ebd)
gebracht, die ein Leser/eine Leserin
rekonstruieren muss, um die den Text als Ganzes zu verstehen und
seine kommunikative Funktion als Gesamttext zu erkennen.
Um die Illokutionsstrukturen zu untersuchen,
werden die illokutiven Handlungen segmentiert und ihre
Beziehungen zueinander ermittelt, z. B. in dem man aufzeigt, wie
sie sich gegenseitig stützen.
Dabei
werden verschiedene auf Textebene sprachliche ▪
Illokutionsindikatoren herangezogen. Allerdings reichen
diese oft nicht aus, um herauszufinden, was jeweils gemeint ist,
und die Vorstellung, sie legten, das quasi automatisch fest,
geht fehl.
Eine ganz entscheidende Rolle kommt nämlich dem sogenannten "Illokutionswissen"
(Viehweger
1991, S.97, Nussbaumer
1991, S.166) zu, das einen Teil unseres allgemeinen
Handlungs- und
Interaktionswissens darstellt, also im Kern
darüber entscheidet, ob eine ▪
Sprechhandlung ihr Ziel erreicht bzw. "glückt".
Klaus
Brinker
(41997, S.92,
92018, S.95) hat an an zwei einfachen
Textbeispielen verdeutlicht, wie das Zusammenwirken von
dominierender und subsidiärer Illokutionen mit der
Illokutionstrukturanalyse untersucht werden kann. Seine
Beispiele lauten:

Für
größere (740px) und
große Ansicht (1000px) bitte an*klicken*tippen!
-
Du bist sehr
erkältet. Geh doch bitte zum Arzt. Er hat die Praxis ganz in
der Nähe.
In diesem Fall zeichnet sich die Sprechhandlungssequenz
durch die Abfolge der Sprechakte Feststellung – Bitte –
Feststellung aus, wobei die Bitte der dominierende Sprechakt
bzw. die dominierende Illokution darstellt, die "durch die
erste Feststellung begründet und durch die zweite spezifiert
(wird), d. h. im Hinblick auf ihre Erfüllbarkeit durch den
Angesprochenen genauer bestimmt."
(ebd. /ebd.)
In analoger Weise
kann die hierarchische Illokutionsstruktur auch von
umfangreicheren Texten analysiert werden, um die dominierende
Illokution des Textes bzw. Text-Illokution und damit die
Textfunktion zu ermitteln. Dabei werden untergeordnete
subsidiäre Illokutionen aufsteigend (aszendent) in die jeweils
übergeordneten Illokutionen verschiedener Ebenen integriert, bis
sich am Ende die Textfunktion in der Text-Illokution auf der
höchsten Ebene ermitteln und darstellen lässt.

Für größere Ansicht bitte an*klicken*tippen"
Grundannahmen der
Illokutionsstrukturanalyse
Heinemann/Heinemann (2002, S.82) haben die Grundannahmen der
Illokutionsstrukturanalyse zusammengefasst. Dazu zählen sie u.
a. die Annahme, dass
-
Texte
geordnete Mengen von Illokutionen darstellen
-
satzbezogene Illokutionen (= illokutive Handlungen= iH)
Basiseinheiten der Textkonstitution sind
-
für alle iH
konstitutitive Bedingungen angegeben werden, die erfüllt
sein müssen, damit eine iH erfolgreich sein kann (z. B.
Bedingungen für die Motivation des Sprechers, für die
Aufrichtigkeit, die soziale Situation und die Bindung an
einen bestimmten sozialen Bereich) (vgl. ▪
Notwendige Bedingungen für das Gelingen von Sprechakten)
-
es
prinzipiell möglich sein muss, aus einer Äußerung, die
Absicht zu rekonstruieren
-
bestimmte
Indikatoren vorhanden sind, mit deren Hilfe sich diese
Absicht erkennen lässt (z. B. performativ Formeln,
Modalverben oder Partikeln
-
beim
regelhaften Zusammenwirken von Handlungsstruktur und
Sprachstruktur die illokutiven Rolle dominiert
-
zwei oder
mehrere iH (illokutive Blöcke) als Makro-Einheiten der
Handlungsstruktur fungieren, eine davon ist dominant und
damit den anderen, den subsidiären iH, übergeordnet, die sie
im Zuge der illokutiven Integration in einer kognitiven
bottom-up-Verarbeitung den dominanten Illokutionen
unterordnet (auf diese Weise kann eine Bitte mit
Begründungen (Argumenten) "gestützt" werden
-
in
umfangreicheren Texten im Nach- und Nebeneinander von
Illokutionen mindestens eine Illokution vorhanden sein muss, die
die Intentionen des Sprechers des Gesamt-Textes zum Ausdruck
bringt (= dominierende Illokution des Textes bzw. Text-Illokution)
-
die
Text-Illokution mit den anderen sie stützenden Illokutionen
"eine charakteristische hierarchisch organisierte
Illokutionsstruktur für jeden Text" (ebd.,
S.84) bildet
Die
Illokutionsstrukturanalyse zeigt dabei deutliche Anklänge an das
von Walter Kintsch und
»Teun van
Dijk entwickelte psychologische Prozessmodell des Textverstehens (▪
Construction-Integration-Model, abgekürzt CI-Modell), in dem
Bildung der propositionalen Makrostruktur von Texten beim
Textverstehen ebenso aszendent von Mikropropositionen zu
Makropropositionen einen Integrationsprozess beschreibt.
Einwände gegen das Konzept
Das Konzept der
Illokutionsstrukturanalyse war lange Zeit in der Linguistik
vorherrschend, wenn es darum ging, die Handlungsstruktur von
Texten zu beschreiben.
Allerdings ließ das Konzept einige Fragen offen, die heute
kritisch gesehen werden.
Die Einwände, die dagegen vorgebracht werden haben zunächst
einmal mit grundsätzlichen Vorbehalten gegen die ▪
Sprechakttheorie
zu tun.
So bemängelte
man
-
die
Sprecher-Zentriertheit, die es ermöglichte, bei dialogischen
Texten "Gesprächsschritte der Einzelsprecher in ihrer
Reihung als 'Texte'" (ebd.,
S.85) zu verstehen
-
die
Satz-Zentriertheit mit ihrem postulierten "Eins–zu–Eins–Verhältnis zwischen
Satzstruktur und illokutionärer Rolle" (Brinker
41997, S.94,
92018, S.96), die auf die Vorstellung
zurückgeht, dass auch
in Texten, in die diese Sätze integriert sind, diese Satzmodi
eine "unmittelbare Handlungsqualität" (ebd./ebd.)
besitzen: "Dazu
gehört insbesondere die Auffassung der
Illokutionsstrukturanalyse, wonach die Typen illokutiver
Handlungen sich direkt in den Satzmodi niederschlagen (Deklarativ-,
Interrogativ- und Imperativsatz)."
-
die
Vernachlässigung kontextueller Faktoren
Andere Einwände
zielen unmittelbar auf das illokutive Textkonzept. Dabei geht es
nach
Heinemann/Heinemann (2002, S.86) u. a. darum,
-
dass es die
Handlungsziele von Texten auf eine bestimmte Zahl von
Handlungstypen begrenzt und so das funktionale Erklären von
Texten einschränkt
-
dass die
satzweise Zuordnung von Illokutionen im Zusammenhang mit dem
Prinzip der aufsteigenden Integration bis hin hin zur
Text-Illokution die Textganzheit in Einzel-Illokutionen und
Teilhandlungen ohne den entsprechenden Bezug zum Textganzen
auflöst
-
dass die
dominierende Text-Illokution mit den den dafür in
Anschlag gebrachten Verfahren oft nicht ermittelt werden
kann
Insgesamt, und
dies gilt wohl im Besonderen für den Deutschunterricht und die ▪
Analyse von Sachtexten, kann die Illokutionsstrukturanalyse,
auf das Textganze gesehen, zur Beschreibung und Analyse
bestimmter textinterner Funktionen und bestimmter Textabschnitte
herangezogen werden, "vor allem im Hinblick auf den thematischen
Aufbau des Textes (Begründungs-, Spezifizierungsfunktion usw.)"
(Brinker
41997, S.94,
92018, S.96).
Die Ermittlung der Text-Illokution dürfte jedenfalls, so
schwierig dies ohnehin im Einzelnen ist, von Schülerinnen und
Schülern auf dem Weg der Illokutionsstrukturanalyse jedenfalls
kaum zu ermitteln sein.
So wird der
Handlungscharakter eines Textes bei der ▪
Analyse von Sachtexten in der Schule besser – wie im ▪
integrativen textanalytischen Modell von Klaus Brinker (ab 1985,
92018) – mit einem Konzept der
▪ Textfunktion
erfasst, das diese mit unterschiedlichen inner- und
außertextlichen (kontextuellen) Kriterien erfasst und beschreibt.
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