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Illokutionärer Akt beim Sprechakt

Illokutionshierarchien in Texten

Illokutionsstrukturanalyse


FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Linguistik (Sprachwissenschaft)
RechtschreibungGrammatik / Syntax Semantik Pragmatik ▪ Überblick Sprechen als Handeln Überblick Handlungsarten Sprechen als kommunikatives Handeln Komponenten von Sprachhandlungen Sprechakte Didaktische und methodische AspekteÜberblick Teilakte eines Sprechaktes Überblick Äußerungsakt Propositionaler Akt [ ILLOKUTIONÄRER AKT Überblick Illokutionsindikatoren  Illokutionshierarchien in Texten ] Perlokutiver Akt BeispieleNotwendige Bedingungen für das Gelingen von Sprechakten Regeln für den Vollzug von Sprechakten Sprechakttypen Indirekte Sprechakte Bausteine Bausteine Kommunikation Soziolinguistik Textlinguistik Gesprächsanalyse Schreibformen Rhetorik Filmanalyse Operatoren im Fach Deutsch
  

In der ▪ Sprechakttheorie ist der ▪ Illokutionsakt  einer der drei bzw. vier ▪ Teilakte eines Sprechakts, zu denen auch der propositionale Akt, der perlokutive Akt und der Äußerungsakt zählen. Er wird mit den anderen Teilakten bei jeder Äußerung eines Satzes zugleich vollzogen.

Mit dem Zusammenhang der ▪ illokutiven Handlungen auf Textebene befasst sich die Illokutionsstrukturanalyse. Sie hat zum Ziel, "die ▪ Textfunktion aus dem Komplex sprachlicher Handlungen herzuleiten." (Gansel/Jürgens 2007, S.83)

Für deren Vertreter*innen (z. B. Motsch und Vieweger 1991, Rolf 1993) ist ein Text von "mannigfache(n) Unter- und Überordnungsbeziehungen" (Brinker 41997, S.92, 92018, S.95) strukturiert ist, bei dem "in der Regel eine bestimmte illokutive Handlung die übrigen dominiert." (ebd./ebd.)

Diese dominierende illokutive Handlung, bestimmt damit das Gesamtziel, das ein Text verfolgt und signalisiert die Textfunktion (vgl. Rolf 1993, S.148).

Damit bei der Kommunikation keine Missverständnisse über dieses Gesamtziel aufkommen, werden die illokutiven Handlungen eines Textes in eine "hierarchisch strukturierte Abfolge" (ebd./ebd) gebracht, die ein Leser/eine Leserin rekonstruieren muss, um die den Text als Ganzes zu verstehen und seine kommunikative Funktion als Gesamttext zu erkennen.

Um die Illokutionsstrukturen zu untersuchen, werden die illokutiven Handlungen segmentiert und ihre Beziehungen zueinander ermittelt, z. B. in dem man aufzeigt, wie sie sich gegenseitig stützen.

Dabei werden verschiedene auf Textebene sprachliche ▪ Illokutionsindikatoren herangezogen. Allerdings reichen diese oft nicht aus, um herauszufinden, was jeweils gemeint ist, und die Vorstellung, sie legten, das quasi automatisch fest, geht fehl.

Eine ganz entscheidende Rolle kommt nämlich dem sogenannten "Illokutionswissen" (Viehweger 1991, S.97, Nussbaumer 1991, S.166) zu, das einen Teil unseres allgemeinen Handlungs- und Interaktionswissens darstellt, also im Kern darüber entscheidet, ob eine ▪ Sprechhandlung ihr Ziel erreicht bzw. "glückt".

Klaus Brinker (41997, S.92, 92018, S.95) hat an an zwei einfachen Textbeispielen verdeutlicht, wie das Zusammenwirken von dominierender und subsidiärer Illokutionen mit der Illokutionstrukturanalyse untersucht werden kann. Seine Beispiele lauten:

  • Dort liegt meine Tasche. Kannst du sie sehen? Die hol mir mal!


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  • Du bist sehr erkältet. Geh doch bitte zum Arzt. Er hat die Praxis ganz in der Nähe.

    In diesem Fall zeichnet sich die Sprechhandlungssequenz durch die Abfolge der Sprechakte Feststellung – Bitte – Feststellung aus, wobei die Bitte der dominierende Sprechakt bzw. die dominierende Illokution darstellt, die "durch die erste Feststellung begründet und durch die zweite spezifiert (wird), d. h. im Hinblick auf ihre Erfüllbarkeit durch den Angesprochenen genauer bestimmt." (ebd. /ebd.)

In analoger Weise kann die hierarchische Illokutionsstruktur auch von umfangreicheren Texten analysiert werden, um die dominierende Illokution des Textes bzw. Text-Illokution und damit die Textfunktion zu ermitteln. Dabei werden untergeordnete subsidiäre Illokutionen aufsteigend (aszendent) in die jeweils übergeordneten Illokutionen verschiedener Ebenen integriert, bis sich am Ende die Textfunktion in der Text-Illokution auf der höchsten Ebene ermitteln und darstellen lässt.


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Grundannahmen der Illokutionsstrukturanalyse

Heinemann/Heinemann (2002, S.82) haben die Grundannahmen der Illokutionsstrukturanalyse zusammengefasst. Dazu zählen sie u. a. die Annahme, dass

  • Texte geordnete Mengen von Illokutionen darstellen

  • satzbezogene Illokutionen (= illokutive Handlungen= iH) Basiseinheiten der Textkonstitution sind

  • für alle iH konstitutitive Bedingungen angegeben werden, die erfüllt sein müssen, damit eine iH erfolgreich sein kann (z. B. Bedingungen für die Motivation des Sprechers, für die Aufrichtigkeit, die soziale Situation und die Bindung an einen bestimmten sozialen Bereich) (vgl. ▪ Notwendige Bedingungen für das Gelingen von Sprechakten)

  • es prinzipiell möglich sein muss, aus einer Äußerung, die Absicht zu rekonstruieren

  • bestimmte Indikatoren vorhanden sind, mit deren Hilfe sich diese Absicht erkennen lässt (z. B. performativ Formeln, Modalverben oder Partikeln

  • beim regelhaften Zusammenwirken von Handlungsstruktur und Sprachstruktur die illokutiven Rolle dominiert

  • zwei oder mehrere iH (illokutive Blöcke) als Makro-Einheiten der Handlungsstruktur fungieren, eine davon ist dominant und damit den anderen, den subsidiären iH, übergeordnet, die sie im Zuge der illokutiven Integration in einer kognitiven bottom-up-Verarbeitung den dominanten Illokutionen unterordnet (auf diese Weise kann eine Bitte mit Begründungen (Argumenten) "gestützt" werden

  • in umfangreicheren Texten im Nach- und Nebeneinander von Illokutionen mindestens eine Illokution vorhanden sein muss, die die Intentionen des Sprechers des Gesamt-Textes zum Ausdruck bringt (= dominierende Illokution des Textes bzw. Text-Illokution)

  • die Text-Illokution mit den anderen sie stützenden Illokutionen "eine charakteristische hierarchisch organisierte Illokutionsstruktur für jeden Text" (ebd., S.84) bildet

Die Illokutionsstrukturanalyse zeigt dabei deutliche Anklänge an das von Walter Kintsch und »Teun van Dijk entwickelte psychologische Prozessmodell des Textverstehens (▪ Construction-Integration-Model, abgekürzt CI-Modell), in dem Bildung der propositionalen Makrostruktur von Texten beim Textverstehen ebenso aszendent von Mikropropositionen zu Makropropositionen einen Integrationsprozess beschreibt.

Einwände gegen das Konzept

Das Konzept der Illokutionsstrukturanalyse war lange Zeit in der Linguistik vorherrschend, wenn es darum ging, die Handlungsstruktur von Texten zu beschreiben. Allerdings ließ das Konzept einige Fragen offen, die heute kritisch gesehen werden.

Die Einwände, die dagegen vorgebracht werden haben zunächst einmal mit grundsätzlichen Vorbehalten gegen die ▪ Sprechakttheorie zu tun.

So bemängelte man

  • die Sprecher-Zentriertheit, die es ermöglichte, bei dialogischen Texten "Gesprächsschritte der Einzelsprecher in ihrer Reihung als 'Texte'" (ebd., S.85) zu verstehen 

  • die Satz-Zentriertheit mit ihrem postulierten "Eins–zu–Eins–Verhältnis zwischen Satzstruktur und illokutionärer Rolle" (Brinker 41997, S.94, 92018, S.96), die auf die Vorstellung zurückgeht, dass auch in Texten, in die diese Sätze integriert sind, diese Satzmodi eine "unmittelbare Handlungsqualität" (ebd./ebd.) besitzen: "Dazu gehört insbesondere die Auffassung der Illokutionsstrukturanalyse, wonach die Typen illokutiver Handlungen sich direkt in den Satzmodi niederschlagen (Deklarativ-, Interrogativ- und Imperativsatz)."

  • die Vernachlässigung kontextueller Faktoren

Andere Einwände zielen unmittelbar auf das illokutive Textkonzept. Dabei geht es nach Heinemann/Heinemann (2002, S.86) u. a. darum,

  • dass es die Handlungsziele von Texten auf eine bestimmte Zahl von Handlungstypen begrenzt und so das funktionale Erklären von Texten einschränkt

  • dass die satzweise Zuordnung von Illokutionen im Zusammenhang mit dem Prinzip der aufsteigenden Integration bis hin hin zur Text-Illokution die Textganzheit in Einzel-Illokutionen und Teilhandlungen ohne den entsprechenden Bezug zum Textganzen auflöst

  • dass die dominierende Text-Illokution mit den den dafür in Anschlag gebrachten Verfahren oft nicht ermittelt werden kann

Insgesamt, und dies gilt wohl im Besonderen für den Deutschunterricht und die ▪ Analyse von Sachtexten, kann die Illokutionsstrukturanalyse, auf das Textganze gesehen, zur Beschreibung und Analyse bestimmter textinterner Funktionen und bestimmter Textabschnitte herangezogen werden, "vor allem im Hinblick auf den thematischen Aufbau des Textes (Begründungs-, Spezifizierungsfunktion usw.)" (Brinker 41997, S.94, 92018, S.96). Die Ermittlung der Text-Illokution dürfte jedenfalls, so schwierig dies ohnehin im Einzelnen ist, von Schülerinnen und Schülern auf dem Weg der Illokutionsstrukturanalyse jedenfalls kaum zu ermitteln sein.

So wird der Handlungscharakter eines Textes bei der ▪ Analyse von Sachtexten in der Schule besser – wie im ▪ integrativen textanalytischen Modell von Klaus Brinker (ab 1985, 92018) – mit einem Konzept der ▪ Textfunktion erfasst, das diese mit unterschiedlichen inner- und außertextlichen (kontextuellen) Kriterien erfasst und beschreibt.

 
 

 
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