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Strukturbegriffe der Erzähltextanalyse ▪
Überblick ▪
Auswahl (Zusammenstellungen
wichtiger Strukturbegriffe) ▪
Wer erzählt die Geschichte? (Aspekte
zur Gestaltung der Erzählinstanz) ▪
Wie wird erzählt? (Zeit,
Modus, Stimme) ▪
Was wird erzählt? (Handlung,
erzählte Welt, Figur, Raum)
Analyse erzähltechnischer Mittel in der Schule: Auswahl
▪
Bausteine
Die folgende ▪
Analyse der
erzähltechnischen (narrativen) Mittel, die in
▪
Wolfgang Borcherts
Kurzgeschichte
▪ »Die
traurigen Geranien«
vorkommen, folgt im Wesentlichen den ▪
Strukturbegriffen
der älteren Erzähltheorie, die bei der
▪
schulischen Interpretation erzählender Texte überwiegend
verwendet werden. Zugleich werden aber aus didaktischen Gründen auch
Begriffe der
neueren
Erzähltheorie verwendet, wenn sie ein bestimmtes Element
verständlich und präzise bezeichnen. (▪
"Werkzeugkasten" der Erzähltextanalyse)
▪
Strukturbegriffe der älteren
Erzähltheorie
▪
ABC der schulischen
Erzähltextanalyse
Darbietungsformen:
Erzählerbericht:
Direkte Rede
mit und ohne Inquit-Formeln,
aber stets ohne
Anführungszeichen
-
als einfache Verben
des Sagens und Meinens (z. B. sagte, fragte, meinte) ohne ergänzende
Bemerkungen
-
als Verben oder
verbale Fügungen, welche Lautstärke der sprachlich artikulierter
Äußerungen beschreiben (z. B. sagte laut, flüsterte)
-
als Verben, welche
die affektive Seite des Sprechens betonten (z. B. seufzte er,
entfuhr es ihm)
-
mit einem
kommentierenden bzw. modifizierenden Adjektiv versehen sind, z. B.
"sie sagte dann ganz geduldig",
Zitierte Gedankenrede
/innerer Monolog
-
Gedankenzitate
(Introspektion auf den Mann beschränkt) meistens mit
Inquit-Formel,
aber ohne
Anführungszeichen
-
auffällige
intensivierende Anwendung der Du-Anrede im letzten inneren Monolog
des Mannes, die seine (abwertende) Abwendung von der Frau
unterstreicht
Zeitgestaltung
Raumgestaltung
-
Handlungsraum:
Wohnung der Frau,
über deren Lage nur indirekt ("unten" im letzten Abschnitt) in einem
Wohngebäude etwas zu erfahren ist; keine Angaben zur Ausstattung der
Wohnung (Größe, Anzahl der Zimmer, Mobiliar o. ä.;
Ausnahme;
Geranienfenster, wo zwei Geranien symmetrisch rechts und links
aufgestellt sind (indirekter Hinweis auf Jahreszeit, in der die
Pflanzen wachsen)
Raumelemente, die in den Erzählerbericht eingehen (z. B.
Tischtücher, Bettbezüge, ihr Geschirr und Besteck) , bleiben
zunächst seltsam "funktionslos" , können aber von einem kompetenten
Leser gleich als herkömmliche Elemente einer »"Aussteuer
(Mitgift)" verstanden werden; ansonsten kann dieser Sinnbezug u.
U. nach der Thematisierung des Heiratens durch die Frau konstruiert
werden
-
ansonsten, abgesehen
vom Schluss, wo der Erzählerbericht für einen Moment die
räumliche Perspektive der Frau einnimmt ("unten") keine besondere räumliche Perspektivierung
(▪
Parameter der narratorialen
und figuralen Perspektive)
Figurengestaltung
Erzählperspektive
(▪
Parameter der narratorialen
und figuralen Perspektive)
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Textsorte
-
Kurzgeschichte:
unvermittelter Beginn, offener Schluss; Alltäglichkeit der Sprache,
des Ortes, der Personen; Kürze; Punktualität der Zeit, des Ortes,
der Personen, der Handlung
Sprache und Stil
Satzbau
-
in der Regel einfach,
oft Parataxen
(einfache Hauptsätze) die (asyndetisch)
aneinandergereiht sind, z. B. "O ja,
sagte er und sah auf ihre Nase. Sie muss angenäht sein, dachte er
wieder. Sie kommt sich so fremd vor im Gesicht. Und sie hat eine ganz
andere Tönung als die übrige Haut. Viel intensiver. Und die Nasenlöcher
sind wirklich ohne Harmonie. Oder von einer ganz neuartigen Harmonie,
fiel ihm ein, wie bei Picasso.
-
Ellipse, z. B.
in der zitierten
Gedankenrede des Mannes: "Mehr wie eine Gartenfrucht." - "Viel
intensiver. - "Eine angenähte Zumutung" - "Dunkel und rund und
unergründlich" im
Dialog der Figuren als Annäherung an die Alltagssprache
Wortwahl
-
im Allgemeinen
einfache und leicht verständliche Wörter
-
nur wenige
anschauliche, und wenn dann nur zur Darstellung der Gefühle des
Mannes benutzte Adjektive und übertragenen Sinn gebrachte
Adjektive, z. B. "dunkel" , "rund", "unergründlich",
-
Wiederholungen,
z. T. in der Wortart variierend, z. B.
-
symmetrisch,
Symmetrie; harmonisch, Harmonie
-
Nase,
Nasenlöcher
-
"Die Nase
sieht aus, als ob sie angenäht ist" - "Eine angenähte
Zumutung" (Amplifkation)
-
Harmonie der
Nasenlöcher, harmonischer Mensch, Harmonie zwischen zwei
Partnern, Harmonie (in der Ehe) (Amplifkation)
-
einzelne
anschauliche Verben, die
anthropomorphisierend zur
Personifikation
eingesetzt werden, z. B. Nasenloch "gähnt" ; "fühlte ihre
entsetzlich innigen Augen bis an den Hinterkopf glühen"
-
Interjektion:
z- B. "Um Himmelswillen!" - "Ach was"
-
Anapher "Die sind ja" /
grammatischer Parallelismus
"Das eine ist..."
-
Abtönungspartikeln
"ja" zur Selbstbestätigung und
Kennzeichnung der negativen Überraschung
Die Besonderheiten
des Stils von Wolfgang Borchert
Die Sprache von ▪
Wolfgang Borcherts ▪
Kurzgeschichten ist nicht sofort nach jedermanns Geschmack. Sie
unterscheidet sich von unserer Alltagssprache und zeigt deutlich auf,
dass sie ästhetisch, mit dem Ziel eine bestimmte Wirkung beim Leser zu
erzielen, gestaltet ist.
Besonders ins Auge
fallen Leserinnen und Lesern bei der Lektüre von ▪
Wolfgang Borcherts ▪
Kurzgeschichten
meistens fünf sprachliche Besonderheiten, die neben anderen Borcherts
Schreibstil in besonderer Weise kennzeichnen:
Ganz allgemein "lebt
(Borcherts Prosa) (...) von der Überstilisierung" (Große
1991/82017, S. 90), die von sprachlichen
Extremsituationen, überdrehten Neologismen, Wortbildungen von extremer
Länge ebenso gekennzeichnet ist wie von parataktischen Reihungen.
Ziel des Einsatzes
dieser sprachlich-stilistischen Mittel ist es, "sprachliche
Möglichkeiten gegen das Verstummen bzw. die überall lauernde
unaussprechliche Wirklichkeit" (ebd.,
S. 91) zu mobilisieren.
Die Beutung der
Aufzählungen, Amplifikationen und Wiederholungen sowie der Reihung
Dabei erreicht
Borcherts Sprache besonders durch den Einsatz von Wiederholungsfiguren
seine eindringlichen ▪
Wirkungsakzent,
denn mit diesen auf besonders wichtige
Bedeutungsaspekte
hinzuweisen und die Texte zu rhythmisieren. Die "Wiederholung von
Kernbegriffen oder Kernformulierungen" geschieht dabei in Form von
verkürzten Sätzen (Ellipsen) ebenso wie in Form vollständiger, meist
einfacher Hauptsätze. Indem sie dabei oft in einen anderen Kontext
gestellt werden, sollen sie sie jeweils im Zuge einer
Amplifikation
(Verdeutlichung durch Variation) ihren Bedeutungsgehalt erweitern. (vgl.
ebd.)
Borcherts Sprache
"sammelt, häuft, steigert; sie ersetzt das Unaussprechliche, eigentlich
Gemeinte durch die Addition von Teilaspekten." (Schulmeister
1976, S.188ff.)
-
Seine bewusste
Verwendung von Aufzählungen (oft als
periphrastische
Reihung) fungiert bei ihm "als Ersatz für die fehlende Vokabel". (ebd.)
-
Die Wiederholungen
umschreiben das "Nicht-Genannte, Unbenennbare" (ebd.)
Mit den Verfahren,
Amplifikation, Addition und Wiederholung, spart Borchert damit eine
genauere und konkretere Gestaltung des Hintergrundes und situativen
Kontextes bewusst aus, um den Leser bzw. die Leserin auf das
hinzulenken, worum es ihm geht. Dabei zielt er auch darauf, das
dargestellte Geschehen, mitunter bis hin ins Groteske, zu verfremden.
(vgl. ebd.)
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Wer erzählt die Geschichte? (Aspekte
zur Gestaltung der Erzählinstanz) ▪
Wie wird erzählt? (Zeit,
Modus, Stimme) ▪
Was wird erzählt? (Handlung,
erzählte Welt, Figur, Raum)
Analyse erzähltechnischer Mittel in der Schule: Auswahl
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Bausteine
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.12.2023
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