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Wahrnehmungspsychologie
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Modelle der Wahrnehmung
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Empfindung und
Wahrnehmung
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Aufmerksamkeit
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Überblick
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Neurologische
Aktivierungstheorie (ARAS)
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Reize und Aktivierung
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Formen von Aufmerksamkeit
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Begrenzte
Aufmerksamkeitskapazität
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Flaschenhals- bzw. Filtertheorie der Aufmerksamkeit
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Visuelle Aufmerksamkeit
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Identifikations- und
Wiedererkennungsprozesse
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Überblick
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Bottom-up- und
Top-down-Verarbeitung
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Kognitionspsychologie
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Lesen
und Verstehen von Texten
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Überblick
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Einzelne Modelle und Theorien
zum Lesen und Verstehen von Texten »
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Warenästhetik
und Werbung
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Überblick
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Falsche Bedürfnisse
▪
Diskursive und nichtdiskursive Werbung
Eine Werbebotschaft, die die mit ihr verfolgten Ziele erreichen soll, muss
zunächst einmal die Aufmerksamkeit eines Rezipienten erregen, um überhaupt
wahrgenommen zu werden. Und dabei darf sie nicht missverstanden werden, um
nicht unerwünschte oder gar gegenteilige Wirkungen auszulösen.
Werbung ist unter
diesem Blickwinkel betrachtet stets "Aufmerksamkeitswerbung" (Schmidt/Spieß
1996, S.37). Um die Aufmerksamkeit des Rezipienten der
Werbebotschaft zu erregen, "muss versucht werden, Werbebotschaften
mit solchen Ideen, Überzeugungen, Werten, kulturellen Mustern bzw.
kulturellen und sozialen Entwicklungstendenzen zu verbinden, von
denen man annimmt, dass sie von den Auftraggebern wie vom
Zielpublika akzeptiert und gewünscht werden, d. h. sie müssen
entweder gesamtgesellschaftlich weitverbreitet oder
zielgruppentypisch sein." (ebd.,
S.38)
Mit der Erregung
von Aufmerksamkeit sind wissenschaftlich verschiedene Disziplinen
befasst. Was Aufmerksamkeit ist kann physiologisch und psychologisch
betrachtet und analysiert werden. Zugleich kann es aber als ein
soziales Konstrukt gesehen werden, das von zahlreichen Faktoren
abhängt und im Einzelnen von verschiedenen Dispositionen der Person
abhängt, die ihr Interesse auf einen bestimmten Gegenstand, einen
Sachverhalt, eine Person, ein Gefühl etc. fokussiert.
Wenn überhaupt
davon die Rede sein kann, dass Werbung neue Bedürfnisse schafft,
dann gilt dies nur insoweit, als sie, um überhaupt Aufmerksamkeit zu
erlangen, "immer im gesellschaftlichen Trend liegen muss", um die
Aufmerksamkeit möglichst vieler potentieller Kunden zu erlangen und
damit geradezu notgedrungen gehalten ist, "sehr rasch und genau
gesellschaftliche Entwicklungen aufzugreifen und unter den
Bedingungen verarbeiten muss, die für ihre Ziele wichtig zu sein
scheinen." (ebd.,
S.32) Dass sie sich dabei an den Bedürfnissen und Erwartungen
ihrer Rezipienten orientieren muss, gehört zu den Grundprinzipien
erfolgreicher Werbung.
Dabei geht es in
der kapitalistischen Warenproduktion nur um den
warenästhetischen "Gebrauchswertschein"
der beworbenen Produkte, die wie
Karl Marx (1818-1883) einmal bemerkt hat, ihre "Liebesblicke
nach den möglichen Käufern" richten (vgl.
Haug (1970/1972a, S.15). Dabei spielt es keine Rolle, ob
es sich bei den Bedürfnissen um
▪ falsche Bedürfnisse handelt, Bedürfnisse also, die, selbst
wenn ihre Befriedigung vom Einzelnen positiv erlebt und bewertet
wird zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen Verhältnisse dienen.
Dass Werbung dabei
an der Aufrechterhaltung solcher Bedürfnisse in einem "eingeschliffene(n)
Universum von Bedürfnissen und Befriedigungen" (Marcuse
1970, S.26) mehr als nur mitwirkt, sondern auch dazu beiträgt,
"dass diejenigen Bedürfnisse wirksam drunten" gehalten werden, "die
nach Befreiung verlangen - eine(r) Befreiung auch von dem, was
erträglich, lohnend und bequem ist - während sie die zerstörerische
Macht und die unterdrückende Funktion der Gesellschaft »im
Überfluss« unterstützt und freispricht" (ebd.,
S.27), wird heute angesichts der heute drängenden Probleme (z. B.
die weltweiten Folgen der Klimaerwärmung und sonstigen
Umweltzerstörung) sichtbar.
Dies gilt auch
dann, wenn sich Werbung "mit ihrem Ohr" an gesellschaftlichen Trends
und den Fragen, die die Menschen beschäftigen, schon seit geraumer
Zeit damit begonnen hat, "ihre ökologische Verantwortlichkeit wie
ihr soziales Engagement [...] in der Image-Kommunikation zu
verdeutlich und die Verträglichkeit ihrer Produkte mit solchen
Zielen plausibel zu machen". (Schmidt/Spieß
1996, S.32)
Dass dabei die
weltweiten Folgen der postmodernen
Externalisierungsgesellschaften des globalen Nordens (vgl.
Lessenich
32020, S.25), mit der diese die unter Beteiligung
auch jedes Einzelnen in einem entsprechend Habitus, der die "Ausblendung
ebendieses Strukturzusammenhangs aus ihrer alltäglichen
Lebensführung" Kosten ihres vergleichsweise vom »guten Lebens« auf
andere abwälzen und auslagern, bei dem Öko- und Sozialmarketing
außen vor bleibt, sei an dieser Stelle nur erwähnt.
Zugleich ist dies
aber auch Teil der Handlungsbedingung, mit der die Werbewirtschaft
Aufmerksamkeit erzeugen will. Sie stellt nämlich eine "Ausblendungsregel"
(Schmidt/Spieß
1996, S.38) dar, die wie folgt formuliert werden kann: "Alles,
was die Überzeugungskraft einer Information oder eines Arguments
bzw. die (Oberflächen-)Attraktivität eines Produktes oder einer
Person beeinträchtigen könnte, wird ausgeblendet."(ebd.)
Werbung begründet
ihr Handeln nach der Ausblendungsregel damit, dass alle
Rezipientinnen und Rezipienten von Werbebotschaften eben nur
positive Botschaften erwarteten. Die Ausblendung damit zu einem Teil
eines Spiels, das Werbeproduzenten und Werberezipient*innen
miteinander in der Werbekommunikation inszenieren.