Die
▪ ACT-R-Theorie (Adaptive
Control of Thought-Rational) geht als Theorie größerer
Reichweite über den Bereich der reinen ▪
Wissensrepräsentation hinaus. Das von »John
R. Anderson (*1947) 1983 erstmals als »ACT-Theorie
(adaptive control of thought-Theorie) vorgestellte und im
Laufe der Zeit von ihm und und seinem Team an verschiedenen
Universitäten in den USA weiterentwickelte Konzept, versteht sich als hybride
»kognitive Architektur.
Mit
seiner Hilfe soll sowohl erklärt werden, wie Menschen
ihr Wissen strukturieren
als auch warum sie sie in der Lage sind,
sich ▪
intelligent
zu verhalten.
In seiner Anwendung als
Computersimulation stellen kognitive Architekturen wie ACT–R eine
rechnergestützte Plattform für kognitive Prozesse dar.
Dementsprechend steht ACT–R auch für ein als Programm
lauffähiges Modell eines kognitiven Systems. Daher ist ACT-R eine
Simulationsumgebung, mit der sich Modelle erstellen lassen, die zur
Erklärung und zur Vorhersage menschlichen Verhaltens dienen sollen.
Die Daten, die mit der Computersimulation kognitiver Prozesse
gewonnen werden, sollen dazu direkt mit experimentellen Befunden zur
Analyse kognitiver Prozess verglichen werden können.
Der Begriff der
kognitiven Architektur soll
ausdrücken, dass "eine Grundstruktur aus Modulen" angenommen wird,
"die ausreichen sollen, das Gesamt an kognitiven Prozessen zu
modellieren." (Wentura/Frings
2013, S.38) Zugleich scheint das Modell in der Lage zu sein,
verschiedene Erkenntnisse und Theorien, die aufgrund ihrer
Erklärungsreichweite einen solchen Anspruch nicht erheben können, zu
integrieren. Auf dieser Grundlage konnte auf der Basis der
Modellannahmen der ACT-R-Theorie Phänomene aus zahlreichen Bereichen
der Kognitionspsychologie (z. B. im Bereich der ▪
Wahrnehmung, der ▪
Aufmerksamkeit,
des ▪ Lernens, des ▪
Gedächtnisses, beim
Problemlösen, Entscheiden und im Zusammenhang mit Sprache)
beschrieben und erklärt werden. (vgl.
ebd.)
Die ACT-R-Theorie
hat dabei die Module, von denen sie ausgeht, stark formalisiert, so
dass sie bestimmte mentale Prozesse als Computersimulationen
"durchspielen" und dadurch Vorhersagen machen kann. Diese
Vorhersagen lassen sich in Form von mathematischen Gleichungen
darstellen. Nichtzuletzt deshalb haben die ACT-R-Theorie und andere
kognitive Architekturen »SOAR und »3CAPS
auf die Forschung zu »Künstlicher
Intelligenz starken Einfluss gewonnen..
Was die
ACT-R-Theorie dafür offenbar neben ihrer strikten Formalisierung
geeignet macht, ist die Integration zweier lange miteinander im
Wettstreit liegender Herangehensweisen an Kognition überhaupt. Sie
bringt nämlich die symbolische und die subsymbolische Modellierung
der Kognition in ihrer Architektur zusammen.
Die
symbolischen Modelle gehen
davon aus, dass Wissen in symbolischer Form, nämlich in einer der
Sprache ähnlichen, aber von der konkreten sprachlichen Äußerung
abstrahierten Form, mental als
Propositionen
bzw. als ▪
propositionales Netzwerk
repräsentiert wird. Dieses Wissen wird im ▪
deklarativen Gedächtnis
(=
deklaratives Wissen) gespeichert und umfasst unser
explizites und
generisches Wissen.
Die Struktur dieses
Wissen lässt sich in Form eines propositionalen Netzwerks
darstellen, das aus
Knoten besteht, die die Begriffe (Kategorien,
Konzepte)
repräsentieren, und gerichteten Verbindungen, welche die Beziehungen
zwischen den Begriffen darstellen. Dabei wird die übliche ▪
Notation für Propositionen in die
Netzwerkdarstellung übertragen. Im ACT–R–-Modell wird die
elementare kognitive
Einheit bzw. Struktur (working memory elemente), die deklaratives Wissen speichert als »Chunks
bezeichnet, die verschiedene untergeordnete Elemente (Unteritems)
umfassen.
Da propositionales Wissen
statisch ist, muss ein System dazukommen, damit die in Form
einzelner Propositionen gefassten, aussagenartigen Informationen zu
einem sinnvollen, in vielfältiger Weise aufeinander bezogenen Ganzen
werden können. Dieses System wird als das
Produktionssystem bezeichnet.
Zunächst einmal kann man sich darunter eine Maschine wie einen
Computer vorstellen, "die alles bearbeiten kann, was sich durch die
strikte Anwendung von Regeln überhaupt bearbeiten lässt" (Wentura/Frings
2013, S.39). Ein solches
Produktionsregelsystem kann das, was beim Denken geschieht,
jedenfalls gut erklären.
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Zu diesem
Produktionssystem zählt das schon erwähnte ▪
deklarative Gedächtnis.
Dazu kommen zwei weitere Speichersysteme: Das Langzeitgedächtnis zur
Speicherung der Produktionsregeln (production memory), das dem ▪
prozeduralen Gedächtnis
des Menschen ansonsten zwar ähnlich, aber damit nicht identisch ist.
Hinzu kommt als drittes Produktionssystem ein Modul für den
Musterabgleich (pattern matcher).
Das
prozedurale Wissen ist im ACT–R–Modell durch sogenannte
Produktionsregeln (productions) repräsentiert.
Die Produktionsregeln entstehen dadurch, dass deklaratives Wissen zu
ausführbaren Prozeduren »kompiliert
(englisch compile = zusammentragen‘) wird, d. h. in die Form
eines Programms übersetzt wird, das von einem Computer mehr oder
weniger direkt ausgeführt werden kann.
Produktionsregeln sind Wenn-Dann-Anweisungen
nach dem Muster "Wenn ich weiterspare (=
Bedingungskomponente), kann ich mir bald ein neues Auto kaufen.
(= Verhaltenskomponente bzw. -anweisung)". Dabei führt die
Anwendung der Produktionsregeln auf das
deklarative Wissen auch dazu, dass neues deklaratives Wissen
aufgebaut werden kann.
Die
subsymbolischen Modelle,
Modelle also die kategorial unterhalb der hiearchiehöheren
symbolischen Modelle ansetzen, stellen die mentalen Repräsentationen
im einfachsten Fall als eine Reihe von besonders hoch vernetzten
Einzelelementen dar, "die jeweils nur
Aktivierungszustände
annehmen können." (Wentura/Frings
2013, S.40, Hervorh. d. Verf.) Die Verbindungen, die zwischen
den Elementen bestehen, haben einen positiven oder negativen
Gewichtswert. Fällt der Wert positiv aus,
dann fördert diese Verbindung die weitere Aktivierungsausbreitung,
im anderen Fall hemmt sie diese. In subsymbolischen Modellen
besitzen die einzelnen Knoten eines Netzwerkes häufig keine
eigenständige Bedeutung. Bedeutung wird stattdessen erst über ein
Muster von aktivierten Knoten und deren Vernetzungen repräsentiert.
Informationen werden im ACT–R–Modell im Wesentlichen dadurch verarbeitet, dass bestimmte
Knoten (eine Metapher für bestimmte Neuronen oder Neuronengruppen) aufgrund von Wahrnehmungen
distaler
Reize oder wegen interner Verarbeitungsvorgänge beim Denken aktiviert werden. Diese Aktivierung breitet
sich von den Knoten oder Items, auf die sich aktuell oder kurz zuvor
die Aufmerksamkeit richtet bzw. gerichtet hat, dann auf
benachbarte Knoten aus (spreading activation). Je länger die
Aktivierung anhält und je größer die Entfernung zum ursprünglich
aktivierten Knoten ist, desto schwächer wird die Aktivierung.
Diese
Form der Aktivierungsausbreitung gilt dabei nicht nur für das
deklarative, sondern auch für das prozedurale Wissen, d. h. wenn die
Bedingungskomponente aktiviert wird, wird auch die
Verhaltensanweisung aktiviert.
Je häufiger ein Knoten aktiviert
wird, desto stärker wird er und um so leichter und wahrscheinlicher
kann er wieder aktiviert werden, wenn seine Aktivierung von
benachbarten bzw. assoziierten Knoten (Begriffen, Konzepten)
ausgelöst werden kann. Anders gesagt: Die Aktivierungsausbreitung
zeigt letztlich, welchen Einfluss der Kontext darauf hat, dass
Gedächtnisinhalte überhaupt verfügbar gemacht werden können und der
Grad dieser Verfügbarkeit, also wie schnell oder wie dauerhaft wir
bestimmte Informationen aus unserem Gedächtnis abrufen können, hängt
von der Stärke (strength)
der Gedächtnisspur bzw. des Engramms ab, die auch durch wiederholte
Nutzung ihres "Pfades" und entsprechender Übung allmählich erhöht
werden kann. (vgl.
Anderson
72013, S.127), d, h.: "Wenn die Gedächtnisspuren
stärker werden, können sie eine höhere Aktivierung erreichen und
dadurch leichter abgerufen werden."
(vgl.
ebd., S.128).
(vgl. auch :
Potenzgesetz des Lernens bzw. der Übung) Übung macht also den
Meister ...
Die Knotenstärke bzw. sein Grundniveau an
Aktivierung bestimmt auch, ob ein Knoten eine besondere, "zentrale
Stellung" in dem jeweiligen propositionalen Netzwerk besitzt.
Durch
die Grundannahme, dass sich die Inhalte des Langzeitgedächtnisses im
Langzeitgedächtnis selbst aktivieren lassen, kann das ACT–R–Modell die
Funktionen der beiden ▪ Gedächtnisarten
▪ Kurz- und ▪
Langzeitgedächtnis
durch Eigenschaften des Netzwerkes beschreiben, ohne dass damit
allerdings ein Arbeitsspeicher ( ▪
Arbeitsgedächtnis)
hinfällig wird. Das
Kurzzeitgedächtnis besteht dann aus den gerade aktivierten Knoten,
das Langzeitgedächtnis aus allen anderen potentiell aktivierbaren
Knoten in einer komplexen Struktur, deren Gestalt von der Stärke der
jeweiligen Knoten und ihrer Nähe oder Distanz zueinander bestimmt
ist. (vgl. Asendorpf
21999, S.66f.) Unter diesem Blickwinkel betrachtet,
bedeutet das also nur, "dass verschiedene
Informationseinheiten im Langzeitgedächtnis von Zeitpunkt zu
Zeitpunkt darin variieren können, wie verfügbar sie für das
Arbeitsgedächtnis sind." (Anderson
72013, S.124)