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Gotthold Ephraim Lessing: Nathan der Weise

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Sieht man einmal von postmodernen Deutungen von Lessings Drama »Nathan der Weise« ab, dann herrschte lange Zeit und im Grund bis heute ein weitgehender Konsens darin, dass dieses Drama das "Toleranzstück" schlechthin darstellt.

Diesen klassischen Deutungsrahmen umreißen die Ausführungen von Gerhard Kaiser (1976b, S.133ff.) demzufolge Nathan der Weise "als fromme Verherrlichung einer göttlichen Vorsehung verstanden werden (kann), als eine dramatisch exemplifizierte Erziehung des Menschengeschlechts. Doch sind die Menschen nicht Objekte; sie bewähren sich als Subjekte des Geschehens. [...] Die verwandtschaftliche Beziehung der Personen ist vorgegeben, aber sie muss innerlich nachvollzogen und angeeignet werden, ehe sie volle Wirklichkeit gewinnen kann [...].
Im Unterschied zur üblichen Grundfigur des Dramas, des Zusammenstosses konträrer Willensrichtungen, sind in Lessings dramatischem Gedicht die wichtigsten Handlungen ein Erkennen und Erkennenlassen von Zusammenhängen und Zusammengehörigkeiten. Hier der innere Grund für den überwiegend analytischen Aufbau der Handlung, für das Fehlen eines dramatischen Konflikts, für eine Sprache, die auf vernunfthelle Durchleuchtung der Vorstellungen und Leidenschaften gerichtet ist, zuletzt auch für die in einem Drama verwunderliche Mittelstellung einer Erzählung, eben der Ringparabel. [...] Geführt und herausgefordert durch die Geschichte, wird der Mensch fähig, die Wahrheit zu ergreifen; die Wahrheit selbst aber bleibt ein Jenseits, das nicht in den geschichtlichen Prozess einbezogen ist. Das Drama spielt in der Geschichte, aber es weist zugleich über sie hinaus, indem es in einzelnen exemplarischen Figuren das Ziel der Geschichte vorwegnimmt. Daher die idealisierende Form, die Stilisierung der Rede in Blankversen, fünfhebigen Jamben, die durch Nathan zum klassischen deutschen Dramenvers werden, und die Überhöhung des Schlusses zum Tableau, einem aus dem Fluss des Geschehens herausgehobenen Bild und Sinnbild des Vollkommenen, das keine Erfahrung, sondern Idee ist. Die tragische Gefährdung des Menschen [...] ist in der Vision einer höheren Ordnung aufgehoben." (aus: Gerhard Kaiser 1976b, S.133ff., Auszüge)

Der solcherart "klassische" Deutungsrahmen, wie ihn Monika Fick (2010, S.492ff.) skizziert, geht davon aus, "dass in dem Stück die »Botschaft der Toleranz« verkündet werde,  »Toleranz« allerdings verstanden nicht im Sinn einer herablassenden Duldung, sondern der Anerkennung der nicht christlichen Religionen als ebenbürtig und gleichwertig."

Toleranzstück oder Aufforderung zu mehr

Was dies freilich im konkreten Handeln des einzelnen und der gesellschaftlichen Praxis aller bedeutet, ist heute freilich ein "Mehr als Toleranz" (Kuschel 2011, S.12), wie es Lessing in seinem Stück selbst zum Ausdruck gebracht habe. Und so sei es denn auch "endlich" an der Zeit, mit dem Stereotyp Lessings "Nathan" sei "ein bloßes 'Toleranzstück" Schluss zu machen.

Denn, so Kuschel weiter, Toleranz sei nämlich zunächst einmal nichts weiter "als das unverzichtbare Minimum beim Zusammenleben mit Menschen anderer Überzeugungen unter Voraussetzung einer für alle verbindlichen Rechtsordnung." (ebd.)

Nicht mehr und nicht weniger fordern auch die Menschenrechte im Allgemeinen oder die in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, dem Grundgesetz, aber auch in vielen anderen freiheitlich-demokratisch verfassten bürgerlichen Rechtsstaaten verbürgten Rechte. Im ▪ Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sind dies vor allem die ▪ Artikel 1-19, die den sogenannten Grundrechtskatalog der aktuellen deutschen Verfassung bilden, z. B. die ▪ Artikel 1 [Menschenwürde, Grundrechtsbindung der staatlichen Gewalt], ▪ Art. 2 [Handlungsfreiheit, Freiheit der Person], Art. 3 [Gleichheit vor dem Gesetz], Art. 4 [Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit] oder auch ▪ Art. 5 [Meinungsfreiheit].

Für den Rechtsstaat der Bundesrepublik Deutschland ist das Toleranzgebot konstitutiv und unverzichtbar. Aber, und darauf weist (Kuschel 2011, S.12) mit Recht hin, dürfe es auch "in Zeiten, in denen in vielen Ländern dieser Erde religiöser Fanatismus sich austobt und über die Menschen wieder neu Unduldsamkeit, Hass, Spaltung, Terror und Mord bringt", dürfe es auch keinerlei Toleranz für Intoleranz geben, dürften Verstöße oder gar Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gegen die Menschenrechte" in keiner Weise toleriert werden.

Toleranz in einem modernen Sinne verstanden, dürfe sich dabei durchaus der Worte Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) beherzigen, der einmal geschrieben habe: "Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein; sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen." (zit. n. ebd., Hervorh. d. Verf.)

Und genau hier beginnt das "Mehr als Toleranz", das sich im Anschluss an Lessings "Nathan" als Bereitschaft zeigen müsse, einen "umfassenden wechselseitigen Lernprozess" in Gang zu bringen, in dessen Verlauf und an dessen Ende die "Wahrnehmung des Reichtums" steht, "den die je andere Kultur und Religion zu bieten hat. Das meint Goethe, wenn er von 'Anerkennung' spricht: Wertschätzen des je anderen durch Kennenlernen des Reichtums seiner Kultur! Und nur wer andere gründlich kennt", kann auch unterschieden. Nur wer um die Andersheit des anderen weiß, weiß auch um die Bedeutung des Eigenen." (ebd.)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 05.05.2021

 
 

 
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