▪
Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
●
Die Karlsschule
▪
Überblick
▪
Kurzer Abriss der Geschichte
▪
Die
Schüler der Karlsschule
▪
Erziehung und militärischer Drill
▪
Lehr- und Unterrichtspraxis
▪
Privatleben - Fehlanzeige
▪
Ständische Ungleichheit
▪
Umzug nach Stuttgart 1775
▪
Textauswahl
"Eine wichtige Unterscheidung unter den Zöglingen machte
ferner die
finanzielle und die privatrechtliche Stellung aus. Im ersten Anfang
der Schule waren als Zöglinge Kinder armer Leute gedacht, bei denen sich
von selbst verstand, dass sie auf Kosten des Herzogs erzogen und
ausgebildete wurden und ihm dafür ihre Dienste zu widmen hatten. Als dann im
Jahr 1771 die Schule den höheren Flug nahm, wurden die Zöglinge dazu erst
gesucht, durch Nachfrage in den Lateinschulen nach fähigen jungen Leuten und
in den Familien von Offizieren und Beamten nach geeigneten Söhnen, wobei
wiederum unentgeltliche Verpflegung und Unterricht, übrigens teilweise bei
eigener Beschaffung von Kleidung und Wäsche, dagegen Verpflichtung zu
späterem herzoglichen Dienst vorausgesetzt wurde. Diese Verpflichtung musste
von 1774-77, doch mit Rückwirkung auf die früher Aufgenommenen, in dem so
genannten 'Revers' von den Eltern und dem Zögling
unterschriftlich anerkannt werden, nämlich: 'sich gänzlich den Diensten des
Herzoglich württembergischen Hauses zu widmen und nicht ohne Erlaubnis
daraus zu treten'. Bei diesen Zöglingen fand es der Herzog
selbstverständlich, dass er den einzelnen den Beruf zuwies. Dabei wurde auf
die Stellung der Eltern, auch auf Wünsche der Zöglinge einige Rücksicht
genommen, doch keineswegs entscheidende, und es kamen viele despotische
Willkürlichkeiten vor; andererseits wurde auch in manchen Einzelfällen, wo
entschiedene Fähigkeit sich zeigte oder dringender Wunsch ausgesprochen
wurde, die Berufsbestimmung geändert, so bei Dannecker,
der ursprünglich zum Balletttänzer, bei Plieninger, der zum Musiker bestimmt
war, und bei den ersten Medizinern. Im Allgemeinen aber wurde bei diesen
Zöglingen jeder Versuch, sich von der Berufsbestimmung des Herzogs zu
entfernen, sehr ungnädig aufgenommen. Wer von diesen nicht in den
herzoglichen Dienst trat, von dem wurde Ersatz des Kostenaufwands verlangt,
ein noch viel stärkerer Druck in dieser Richtung aber war die herzogliche
Ungnade. Nachdem dann aber die Schule ihren bestimmten Charakter bekommen
hatte und in weiteren Kreisen bekannt geworden war, wurde die Aufnahme in
sie auch nachgesucht von solchen, welche die Unentgeltlichkeit nicht
brauchten noch wünschten und die entsprechende Verpflichtung nicht eingehen
wollten. Das wurde dann, wohl auch mit Rücksicht auf die Akademiekasse,
nicht abgelehnt, und weiterhin wurde dies Art der Aufnahme die Regel. Es
wurde 1776 ein Pensionspreis nach dem so genannten 'Typus' eingeführt, der
von 8-15jährigen Zöglingen aufsteigend, von da 300 fl. berechnet wurde. Bei
den so Aufgenommen, den so genannten 'Pensionnaires',
war von jener Verpflichtung nicht mehr die Rede, die Berufswahl stand ihnen,
bzw. ihren Eltern frei, der Herzog war dabei nur der väterliche Berater,
doch fehlte es auch hier nicht ganz an willkürlichen Eingriffen, gerade auch
solchen, denen er besonders wohlwollte. Auch kam unentgeltliche Aufnahme,
außerdem auch Ermäßigung des Pensionspreises, auch weiterhin immer noch vor,
besonders für Künstler und 'Jäger', bei Söhnen von inländischem Adel, von
Offizieren und Beamten, wo der Herzog einen besonderen Grund dazu hatte, und
wo er nicht selten auch einen Druck als Landesherr bezüglich des Eintritts
und Verbleibens in der Akademie ausübte; doch wurden zuweilen auch Ausländer
ganz unentgeltlich aufgenommen. Wie die Berufswahl, so stand auch das
längere und kürzere Bleiben in der Anstalt den 'Pensionnaires' grundsätzlich
frei, auch wurde ihnen eher als den anderen einige Freiheit bezüglich der
Unterrichtsfächer gewährt und gestattet, soweit die Ordnung des Ganzen nicht
darunter zu leiden schien, 'sich einen gewissen Lieblingsunterricht zu
wählen'.
Eine sehr große Rolle spielte ferner die schon mehrfach erwähnte
Unterscheidung zwischen adeligen und bürgerlichen Zöglingen, indem
jene immer getrennt von diesen aufgeführt wurden, an der Uniformen
besonderes
Abzeichen trugen, besondere (in der späteren Zeit drei)
'Abteilungen' bildeten und dementsprechend in besonderen Schlafsälen
untergebracht waren, an besondern, mit besserem Tafelgerät versehenen
Tischen speisten und bei der Preisverteilung, auch durch Einladungen an den
Tisch des Herzogs, als dem Herzog näherstehend gekennzeichnet wurden. Unter
den 1495 Zöglingen waren Kavalierssöhne (einschließlich der in den Jahren
1771-73 davon nicht getrennten Offizierssöhne) 471, also etwas weniger als
ein Drittel. Unter den Berufsabteilungen sind sie nur in den juristischen,
militärischen, kameralistischen und forstlichen vertreten, unter den
Medizinern, Handelsleuten und Künstlern findet sich kein Kavalierssohn.
Gegenüber den naheliegenden und vielfach erhobenen Bedenken gegen diese Unterscheidung wurde von der Anstaltsleitung nachdrücklich versichert, dass
bei den Adeligen Stolz und Selbstüberhebung streng verpönt sei und immer
verlangt werde, dass sie den Adel durch Haltung und Leistungen und besonders
durch gute Sitten bewähren.
Eine Art Übergang und Brücke, gewissermaßen ein liberales Element, einen
Verdienstadel gegenüber dem Geburtsadel bilden die
Chevaliers, die, Adelige und Bürgerliche ungetrennt, gleichfalls in
einem, später zwei, dann drei besonderen Schlafsälen mit eigenen Offizieren
und an einem besonderen Tisch vereinigt waren und nicht nur alle
Bevorzugungen der Kavalierssöhne genossen, sondern noch über diese gestellt
wurden, wie dies hauptsächlich in der Tischordnung
im Speisesaal zum Ausdruck kam. Da stand, wenn Prinzen in der Schule
vorhanden waren, ganz oben ein Tisch für diese; dann reihte sich der Tisch
für die Chevaliers, dann rechts und links je einer für Kavalierssöhne,
weiter auf beiden Seiten je 2-3 Tische für die bürgerlichen Eleven. In
dieser Ordnung wurde zum Frühstück, Mittag- und Abendessen unter dem
Kommando der Offiziere in zwei Gliedern aus dem Rangiersaal in den
Speisesaal einmarschiert, bei dem Mittag- und Abendessen nach Rapport an den
Herzog und dem Gebet von der Kanzel an die Tische hingetreten und auf Befehl
des Herzogs 'Dinez, Messieurs!' nach einer tiefen Verbeugung Platz genommen,
und nach der Mahlzeit und einem Schlussgebet wieder abmarschiert; ebenso
beim Frühstück, nur dass der Herzog dabei nicht anwesend war.
Im Übrigen zerfielen die Zöglinge in 'Abteilungen' (i. Orig. gesperrt), und
zwar in doppeltem Sinn: für die Unterbringung und den Unterricht, was in den
ersten 3 Jahren durcheinander ging, seit 1773 aber völlig getrennt
nebeneinander herlief. Für die Unterbringung (i. Orig. gesperrt) der
bürgerlichen Eleven bestanden 4 Abteilungen mit je einem Schlafsaal,
innerhalb welcher die jungen Leute nach der Körpergröße geordnet wurden; für
die Zuteilung zu den Abteilungen wurde auf das Alter Rücksicht genommen,
doch genossen die erste und vierte einen gewissen Vorzug vor den beiden
anderen, sofern in sie besonders Neugeadelte und sonst Leute von Stand
aufgenommen wurden und für andere die Versetzung in sie eine Belohnung für
gute Aufführung bildete; dazu kamen die Schlafsäle für die Kavalierssöhne
und für die Chevaliers. Für den Unterricht dagegen
waren sämtliche Zöglinge nach Kenntnissen und Bestimmung in die
Lehrabteilungen eingeteilt [...]."
(aus:
Hauber 1907/1909, S.26-29, gekürzt}
(im Fettdruck hervorgehobene Wörter und
Textpassagen im Original gesperrt)
▪
Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
●
Die Karlsschule
▪
Überblick
▪
Kurzer Abriss der Geschichte
▪
Die
Schüler der Karlsschule
▪
Erziehung und militärischer Drill
▪
Lehr- und Unterrichtspraxis
▪
Privatleben - Fehlanzeige
▪
Ständische Ungleichheit
▪
Umzug nach Stuttgart 1775
▪
Textauswahl
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.09.2023