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Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
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Die Karlsschule
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Überblick
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Kurzer Abriss der Geschichte
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Die
Schüler der Karlsschule
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Erziehung und militärischer Drill
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Lehr- und Unterrichtspraxis
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Privatleben - Fehlanzeige
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Ständische Ungleichheit
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Umzug nach Stuttgart 1775
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Textauswahl
"Die Geschichte,
die auch in den andern höheren Schulen des Landes Gegenstand des Unterrichts
war, galt in der Karlsschule, entsprechend ihrer Bestimmung zur Ausbildung
für den Hof- und Staatsdienst, als ein sehr wichtiges Fach und wurde
demgemäß, in Verbindung mit Statistik (im
Sinne von Staatenkunde), nachdrücklich betont. Der Unterricht darin beginnt
mit der Anstellung
Jahns im Jahre 1771, der an den obersten Abteilungen 5 Stunden erteilt;
weiterhin wird er durchweg von der drittuntersten Abteilung an durch alle
vorbereitenden und durch die meisten Berufsabteilungen, außer den Künstlern,
fortgeführt, anfangs mit 2-5, späterhin fast regelmäßig 2, vereinzelt 1 und
3 Wochenstunden, meist mit 1 Wiederholungsstunde. Von 1783 an beginnt der
Geschichtsunterricht bei der zweituntersten Abteilung und ist bis zu Ende
der philosophischen Abteilungen Pflichtfach, auch bei einem Teil der
Berufsabteilungen, juristischen, militärischen, auch kameralistischen,
scheint er Pflichtfach gewesen zu sein. Dazu kommt seit 1775 Statistik,
meist in 1 Wochenstunde, bei den obersten juristischen und militärischen
Abteilungen, bei denen sie wohl auch nach 1783 zu den Pflichtfächern gehört
hat. [...]
Die
Lehrer waren 1771-73 die jeweils angestellten
Professoren je für ihre Abteilung, also
Jahn,
Offterdinger,
Schott,
Abel,
Kielmann,
Nast; bei dem Übergang zum Fachlehrersystems im Jahre 1773 erhielt
seinem Wunsch gemäß
Schott [...] die Geschichte zugewiesen, die er fortan, und zwar bis
zum Ende der Schule, als sein ausschließliches Fach, zeitweise mit
Statistik, zu lehren hat, in den späteren Jahren beschränkt auf die neuere
und württembergische Geschichte. Neben ihm hat 1779-86
Lebret [...] in wenigen Wochenstunden Statistik unterrichtet. Seit
1786 hat den Unterricht in der alten und mittleren Geschichte (1783 auch
Statistik)
Drück übernommen, der auch die Handelsgeschichte für die Kaufleute
alles 2 Jahre erteilte; in diesem Fach unterrichteten vereinzelt auch Schott
und Franz. Von 1783 an wird der zweit- und drittuntersten Abteilung als
Vorbereitung für den eigentlichen Geschichtsunterricht ein biographischer
Unterricht vorgeschoben, den Drück und
Lamotte erteilen. [...]
Bezüglich des Stoffs wird unterschieden
Universalgeschichte oder Allgemeine Weltgeschichte, und
Partikulargeschichte, d. h.
württembergische Landesgeschichte. Hinsichtlich der Verteilung des Stoffs
auf die verschiedenen Klassen herrscht bis 1873 der Grundsatz, dass das
gesamte Gebiet von einem Zögling während seines Gangs durch die Anstalt
einmal ganz durchwandert werden soll. Dabei war aber das Tempo des
Fortschreitens und demgemäß die Ausführlichkeit der Behandlung in
verschiedenen Jahren und bei verschiedenen Abteilungen sehr verschieden,
entsprechend auch den verschiedenen Stundenzahlen; in den ersteren Jahren
der Anstalt war der Fortgang rascher als seit dem Eintritt normaler
Verhältnisse; bei den Juristen und Militärs wurde das Fach länger
fortgeführt als bei den Medizinern und Kameralisten. Im Allgemeinen wird in
der Regel in der dritten Klasse von unten begonnen mit der ältesten
Geschichte, der des israelitischen und der andern orientalischen Völker, und
so fortgefahren, dass nach dreijährigem Kurs die alte Geschichte bis
Christus zu Ende gebracht ist. In den zwei obersten vorbereitenden (den
philosophischen) Abteilungen wird dann das Mittelalter begonnen und teils
bis zum 11., teils auch bis zum 15. Jahrhundert geführt, so dass die ganze
neuere Geschichte, teilweise noch mit einem Stück des Mittelalters, den
Berufsabteilungen bleibt. Nachdem die allgemeine Geschichte ihr Ziel, die
Gegenwart, erreicht hat, wird noch die Partikulargeschichte, d. h. die
württembergische Geschichte, angefügt, teils kürzer, teils ausführlicher.
Daran schloss sich dann, teilweise neben der letzteren hergehend, für die
juristischen und militärischen, teilweise auch kameralistischen Abteilungen
noch ein Kurs in Statistik, d. h. ein Überblick über die Verhältnisse
der Staaten der Gegenwart, ihre politischen und wirtschaftlichen
Verfassungen, Einrichtungen, Zustände und ihr Verhältnis zueinander, zuerst
von Deutschland, dann von andern europäischen Staaten.
Mit dem Jahr 1783 tritt auch hierin eine neue Ordnung ein. An die Stelle des
einmaligen, durch 6-7 Jahre sich hinziehenden Durchlaufens der Geschichte
tritt jetzt ein dreimaliges, nämlich 1. in 2jährigem Kurs im 2. und 3. Jahr
der Schule, als Biographie der hervorragendsten geschichtlichen
Persönlichkeiten alter und neuer Zeit; 2. als Überblick über die ganze
Weltgeschichte in 1jährigem Kurs (4. Jahr der Schule); 3. in eingehenderer
Darstellung, so dass auf die alte Geschichte 1, die mittlere und neuere 2
Jahre verwendet werden und mit den philosophischen Abteilungen die ganze
Weltgeschichte abgeschlossen sein soll; auf diesen 6jährigen Kurs soll dann
in den Berufsabteilungen noch Geschichte besonderer Abschnitte, insbesondere
württembergische Geschichte und Statistik folgen. Die in der Mitte liegende
'kurze Übersicht', von Drück 'nach
synchronistischen Tabellen' gegeben, erscheint denn auch in den
Vorlesungsverzeichnissen von 1783-88, von da an aber nicht mehr; sie ist
also ohne Zweifel aufgegeben und fortan außer dem 2jährigen biographischen
Kurs nur ein einmaliges Durchlaufen der Weltgeschichte beibehalten worden,
wahrscheinlich um das dadurch ersparte Jahr verlängert. Aber auch der
Abschluss der Weltgeschichte in den philosophischen Abteilungen ist, wie
mehrere Prüfungspläne zeigen, nicht durchgeführt worden, vielmehr werden die
jüngeren Bestimmungsabteilungen regelmäßig noch für die neue, teilweise auch
für die mittlere Geschichte in Anspruch genommen. Das Drängen der
Schulleitung auf Fortführung der Geschichte bis auf die Gegenwart innerhalb
der bestimmten Unterrichtszeit und anderseits das Nichtfertigwerden der
Lehrer scheint also auch hier nicht gefehlt zu haben.
Als Lehrbuch war in den ersten Jahren das
auch sonst im Land und anderwärts gebräuchliche
Kompendium von Essich (früherem Rektor
des Stuttgarter Gymnasiums) eingeführt; von 1782 an wurde für die ältere
Geschichte das Handbuch von Remer zugrund
gelegt. [...]
Von
den beiden Hauptlehrern Schott und Drück ist übereinstimmend
bezeugt, dass ihre Vorträge eindrucksvoll, fesselnd, begeisternd gewesen
seien und daher sehr geschätzt wurden. Von Schott,
der in rhetorischem, theatralisch gefärbtem Vortrag allgemein menschlich zu
ergreifen verstand, zeigen die von ihm erhaltenen Reden und Schriften,
besonders die Prüfungsthesen, dass er von großen Gesichtspunkten aus mit
weitem Blick und freimütigem, besonnenem Urteil seinen Unterricht erteilte
und bei umfassender und eingehender Behandlung des Einzelnen doch das
Wesentliche treffend hervorzuheben und die Zusammenhänge auf politischem,
wirtschaftlichem und kulturellen Gebiet lichtvoll aufzuzeigen wusste.
Drück, der für die großen Männer der Vergangenheit
Begeisterung empfand und zu wecken verstand, war so beliebt, dass ihn die
Zöglinge beim Eintritt in den Akademiehof zu empfangen und in den Hörsaal zu
geleiten pflegten und, da die Plätze im Hörsaal nicht reichten, aus andern
Zimmern Subsellien herbeischleppten; der Herzog soll nach einem Besuch in
seiner Vorlesung zu ihm gesagt haben: 'Er versteht es sehr gut, den jungen
Leuten Seinen Lehrsaal zu einem Rekreationsplatz zu machen.' Er hielt auch
die Rede bei der
Trauerfeier für den Herzog am 12. Februar 1794. [...]
Auch die
Geographie wurde an der Karlsschule aus ähnlichem Grund wie die
Geschichte mit Sorgfalt und Nachdruck betrieben, ohne dass aber die Art des
Betriebs sich von der an andern höheren Schulen des Landes wesentlich
unterschieden hätte. Sie wurde an der zweituntersten, teilweise auch schon
an der untersten Klasse anfangs mit 1, später 3 Wochenstunden begonnen, dann
in meist 1 Wochenstunde fortgesetzt, in den ersten Jahren durch alle
Abteilungen, doch auch noch für die eine und andere militärische, auch
kameralistische Abteilung in 1-2, und für die jüngern Handelsleute in 2-3,
für die älteren als Handelsgeographie in 2 Wochenstunden. Die Lehrer waren
1772-74 Jahn, daneben die andern Klassenlehrer je für ihre Klasse, von 1774
an hauptsächlich
Offterdinger (bis 1779) und
Kielmann (bis 1783). [...] Später gilt als Norm, dass auf der ersten
Stufe (2 Jahre) das Allgemeinste aus der Geographie fasslich und
unterhaltend erzählt, auf der zweiten die politische Erdbeschreibung mit
Einschluss des Wichtigsten aus der mathematischen Geographie 2 Jahre gelehrt
und in einem dritten kurz wiederholt werde. Für die militärischen
Abteilungen wurde der Unterricht von Göriz1 nach deren
besonderem Bedürfnis erteilt; Franz1 berücksichtigte
besonders die neuesten geographischen Entdeckungen.
Eine Besonderheit der Karlsschule ist der
Unterricht in der Handlungsgeschichte,
den 1780 Schott, seit 1781 Drück an der
älteren Handlungsabteilung in 2 Wochenstunden 'nach eigenem Plan' erteilte,
und in der Handlungsgeographie. Während die jüngere Handelsabteilung in
politischer Erdbeschreibung wie die andern Abteilungen unterrichtet werden,
nur dass einmal (1781) sich die Weisung findet, der Lehrer solle 'sein
Augenmerk auf die Handelsplätze jeden Reiches richten', wird für die ältere
Handelsabteilung in 2 Wochenstunden Handelsgeographie gelehrt, und zwar
1780-81 von Drück nach seinem eigenen Entwurf, 1788-94 von
Franz, gleichfalls nach seinem eigenen Entwurf, der 1787 gedruckt
und 1789 zu seinem 'Lehrbuch der Handelserdbeschreibung' erweitert wurde.
Auch die Kameralisten hatten zeitweise diese Vorlesung zu hören.
Unter den Lehrern der Geographie wird Franz als durch anziehenden
Vortrag hervorragend gerühmt.
An die Geographie schließt sich noch an
das Collegium novellisticum,
das 1788 -94 Professor
Elben [...] in 1 Wochenstunde für freiwillige Zuhörer aus verschiedenen
älteren Abteilungen gelesen hat. Er selbst nennt es 'Zeitungskolleg', und es
stand also mit seinem Hauptberuf in enger Verbindung; übrigens wurde
'Novellistik' auch in Tübingen und an anderen Hochschulen gelehrt; es war
eine Erzählung der neuesten Ereignisse und geschichtlich-geographische
Erläuterung zum Verständnis der Zeitungen und der neuesten
Weltbegebenheiten."
(aus:
Hauber 1907/1909, S.66-70, gekürzt}
1 Zu den Unterlehrern,
die das Fach Geographie unterrichteten, zählen: Nädelin (1778-85),
Kellenbach (1780-94), Hausleutner (1781-94), Gaus (1782-94), Hübner
(1782-94), Hörz (1786-88), Schlotterbeck (1789-94); auf der höheren Stufe
unterrichteten die Professoren Drück (1780-81), Göriz (1782-94) und
hauptsächlich
Franz (1782-94)
(im Fettdruck hervorgehobene Wörter und Textpassagen im
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Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.09.2023