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Orientierungswissen und Überblickswissen

Wissensarten

LiteraturgeschichteDidaktische und methodische Aspekte


Fachbereich Deutsch
Glossar
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Über eines sind sich Literaturdidaktiker zumindest dem Wortlaut des Begriffes nach weitgehend einig. Die Beschäftigung mit Literaturgeschichte soll neben anderen Zielen dem Aufbau von  Orientierungswissen oder Überblickswissen vermitteln, weil dies weitgehend unverzichtbar ist, "um Literatur in ihren vielfältigen Bezügen verstehen und genießen zu können." (Kepser/Abraham 42016, S.56)

Schaut man indessen hinter die oft wie Worthülsen gebrauchten Begriffe Orientierungswissen und Überblickswissen, dann werfen sie eine Menge Fragen auf, die in ihrem alltäglichen und didaktischen Gebrauch unterschiedlich beantwortet werden.

Wissen: Sachwissen, Verfügungswissen und Orientierungswissen

Was • Wissen darstellt, was es von Können oder auch anderen Kenntnissen unterscheidet, ist immer wieder verschieden definiert und dabei aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet worden. Dieser umfangreiche Diskurs kann und soll hier natürlich nicht nachgezeichnet werden.

Nähern wir uns daher dem ganzen mit einer allgemeinen Definition von Wissen:

"Wissen ist ganz allgemein formuliert ein subjektives Modell der Wirklichkeit. Es dient der Deutung, Bewertung, Antizipation und Gestaltung von Realität. Wissen ist eng an innere Überzeugungen und an subjektiv praktische Brauchbarkeit gebunden. Es entsteht in der Wechselwirkung zwischen praktischer Erfahrung und reflexiver Deutung." (Dick/Wehner 2002, S.8)

Indem diese Definition Wissen an das Subjekt bindet, das über das Wissen verfügt, betont sie auch die Abhängigkeit von den inneren Überzeugungen und seine handlungspraktische Relevanz.

Dass Wissen aber auch auf bestimmten Strukturen beruht, geht aus der Definition von Wolters (1997, S.34) hervor, für den "»Wissen« (...) jene Art von Kenntnis (bedeutet), die auf für jeden Menschen zugänglichen und nachvollziehbaren Gründen beruht." (Wolters 1997, S.34) Wer wisse, dass Tübingen am Neckar liege, z. B. weil er selbst in Tübingen an einem Fluss namens Neckar gestanden habe, oder weil er im Atlas nachgeschaut habe, beanspruche, dass jeder Normalsinnige und Normalintelligente aus den gleichen Gründen zum gleichen Ergebnis kommen müsse.

Wolters unterscheidet drei Arten von Wissen:

Sachwissen stellt dabei Wissen dar, das sich auf mehr oder weniger komplexe oder auch theoretische Sachverhalte (Naturgesetze) beziehen.  Es stellt sich sowohl in der Wissenschaft wie auch im Alltagsleben h?fig als Kausalwissen dar. Dabei ist das lebensweltliche und das wissenschaftliche Sachwissen häufig miteinander verknüpft.

Verfügungswissen ist dagegen Wissen, "das Sachwissen, insbesondere Kausalwissen, für die Realisierung menschlicher Ziele fruchtbar macht." (ebd., S.35) Insofern wird es auch als anwendungsbezogenes Sachwissen bezeichnet.

Orientierungswissen besteht aus zwei Komponenten. Es stellt erstens Wissen dar, mit dem man bestimmte Ziele dadurch erreichen will, dass man auf wissenschaftliches und/oder  lebensweltliches Verfügungswissen zurückreift. Zweitens ist es auch das Wissen um Werte. Wer Orientierungswissen besitzt, verfüge auch über Gründe für deren Verwirklichung und nehme an, dass diese Gründe von allen geteilt werden. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, unterschieden sich Sach-, Verfügungs- und Orientierungswissen nicht voneinander. (vgl. ebd., S.35ff.)
Orientierungswissen stelle wie alles Wissen eine begründete Kenntnis von Werten und Zielen dar. Daher reiche es auch für Orientierungswissen nicht aus, dass man irgendeinen Wert oder ein Ziel und damit eine Orientierung nur besitze. Damit bloße Kenntnisse zu Wissen würden, sei es daher erforderlich, dass ihre Behauptung auf Gründen beruht, die jeder nachvollziehen und akzeptieren können sollte. Entsprechend solle jede Orientierung, selbst wenn sie dem Einzelnen nicht einleuchtet bzw. als gerechtfertig erscheint, eben doch prinzipiell rechtfertigbar sei. (vgl.  ebd., S.36

Wissen: Funktionen und Wissensarten

Rost (2003) gründet seine Unterscheidung verschiedener Wissensarten auf die vier unterschiedlichen Funktionen von Wissen: Orientierungsfunktionen, handlungssteuernde Funktionen, Erklärens- und Deutungsfunktionen sowie Quellenfindungsfunktionen.

Auf der Grundlage dieser Funktionen unterscheidet er die vier folgenden Wissensarten voneinander:

Orientierungswissen ("know that") sei Wissen, das sich jemand erwerbe, um sich in der Welt bzw. auf einem Gebiet zurechtzufinden, ohne schon in spezifischer Weise tätig zu werden. Wer Orientierungswissen habe, wisse, dass es den betreffenden Sachverhalt gebe, könne aber mit diesem Wissen nicht unbedingt, etwas anzufangen .

Erklärungs- und Deutungswissen ("know why"), das auch in ganzheitliche Muster wie z. B. Weltbilder oder Weltanschauungen eingebettet sein könne, gebe darüber Auskunft, warum etwas ist, wie es ist. Es kenne die Bedingungen für die Existenz und Eigenschaften von Sachverhalten.

Handlungswissen ("know how") beziehe sich auf reales Handeln von Menschen (Praktiken, Techniken, Methoden und Strategien). Diese Art von Wissen werden gelegentlich auch als  "Können", "Fertigkeiten" oder mit dem englischen Begriff "skills" bezeichnet. Dabei könne das Handlungswissen verschiedenes Wissen beinhalten.

Quellenwissen ("know where") drehe sich um das Wissen über Fundstellen, Standorte, Zugänge zu Wissen. In der Praxis sei es oft ebenso wichtig, wie die anderen Arten des Wissen.

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 18.08.2024

 
 

 
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