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Didaktische und methodische Aspekte

Überblick

Literaturgeschichte


Fachbereich Deutsch
Glossar
Literatur Autorinnen und Autoren Literarische Gattungen ▪ Literaturgeschichte [ Didaktische und methodische Aspekte Überblick Orientierungswissen und Überblickswissen ▪ Wege zu literaturgeschichtlicher Kompetenz Epochenkonstrukte reflektieren Traditionelle Epochenkonstrukte oder Random Access? Querschnitte und Epochenumbrüche "Erinnerungsarbeit" mit Schneisen und Erkundungsrouten Der biografische Ansatz im Wandel Historisches Erzählen Literaturgeschichte in gängigen schulischen Lehrwerken Didaktik der Literaturgeschichte und "wehrhafte" Demokratie ] Überblick Von der Nationalliteratur zum modernen Pluralismus Literatur auf dem Weg in die Moderne Zwischen Mono- und Multiperspektivismus  ▪ Literaturepochen  Motive der Literatur Grundlagen der Textanalyse und Interpretation Literaturunterricht Schreibformen  Operatoren im Fach Deutsch

 

Dass das • literarische Lesen überhaupt unter Berücksichtung historischer Aspekte zu konzeptionalisiert wird, ist vor allem auf drei Argumentationen gestützt: Auf das "Kanonargument", auf das Argument »historisches Bewusstsein«  sowie auf pädagogische  bzw. bildungspolitische Argumente. (vgl. Fingerhut 32019, S.259)

  • Die Kanonargumentation geht davon davon aus, dass jedes Mitglied der Kulturgemeinschaft bedeutende Werke der National- und Weltliteratur kennen sollte. Begründet wird dies gewöhnlich damit, dass diese Kenntnisse, die Ich-Identität des Einzelnen stärke und die Kommunikation und Verständigung zwischen Generationen und verschiedenen Nationen erleichtere. Aus diesem Grunde, so die Schlussfolgerung, seien die Texte, die zum literarischen Kanon gehörten, auf den Kontext ihrer Epoche und/oder ihrer Entstehungszeit zu lesen. Dies ermögliche am Ende, dass das "uns Ähnliche vom uns Fremden" unterschieden werden könne. (vgl. ebd.)

  • Die Argumentation mit dem historischen Bewusstsein geht davon aus, dass jedes Individuum sich als geschichtliches Wesen verstehen sollte und dass dazu auch die Kenntnis gehört, Teil einer Familien-, Regional-, National- oder auch Weltgeschichte zu sein. Dieses Selbstverständnis wird durch den immer enger bzw. genauer werdende Orientierungsrahmen gefördert, den die Fakten-, Kultur- oder auch die Mentalitätsgeschichte anböten. Ziel der geschichtlichen Ausrichtung des literarischen Lesens sei die Vernetzung unterschiedlicher Wissensbereiche wie z. B. der Geschichte, der Literatur, der bildenden Kunst etc. (vgl. ebd.)

  • Die pädagogische zw. bildungspolitische Argumentation betont, dass literarische Texte eine Art von "Denkbildern" anbieten, in denen man menschlich allgemein Bedeutsames wiederfinden und zur Reflexion nutzen könne. Literarisches Lesen dient im Rahmen dieser Argumentation zur Selbstverständigung. Selbstvergewisserung und Horizonterweiterung. Da die Kanontexte unterschiedliche "Denkbilder" aus verschiedenen Zeiträumen präsentierten, könne sich der Rezipient damit auseinandersetzen und die "Freiheit des Interpreten" gewinnen. (vgl. ebd.)

Nicht nur wegen solcher Argumentationslinien kann ▪ Literaturgeschichte im schulischen Literaturunterricht ihr Augenmerk auf ganz unterschiedliche Aspekte richten.

In der Schule dient sie aber vor allem dazu, das für die ▪ Kontextualisierung von literarischen Texten nötige • Überblickswissen bereitzustellen, das zu einem vertiefteren Verständnis von Texten einer bestimmten Zeit und/oder einer bestimmten Epoche verhelfen soll. Dabei ist die Literaturgeschichte als Fachdisziplin schon länger zum Terrain von Kontroversen geworden, die vor allem das Epochen-Paradigma, die Einteilung in verschiedene  ▪ Literaturepochen, betreffen.

In der Rubrik »Stimmen zur Literaturgeschichte hat das Projekt unter dem Reiter "Polyphonie der Literaturgeschichte auf der Webseite des Projekts »LiGeDi der Universitäten Bielefeld und Paderborn sowie der Bergischen Universität Wuppertal einige Statements ausgewiesener Literaturwissenschaftler*innen zusammengestellt, die zeigen, wie unterschiedlich in der Disziplin der Blick auf Literaturgeschichte ist. Sie können dort nachgelesen werden. Der Beitrag von Anne-Rose Meyer, Professorin für Literaturwissenschaft, ist dabei besonders beeindruckend:

"Literatur", so sagt sie, "ist ein faszinierendes Universum, das nie vollständig ausgeleuchtet werden kann. Die Beschäftigung mit seiner Geschichte macht Sternenbilder sichtbar, Beziehungen zwischen Werken und Menschen, Konstellationen in Raum und Zeit, Vorstellungen vom Schönen in einem bestimmten Moment. Die dunklen Bereichen weiter zu erforschen und die hellen genau zu kartographieren, ist unser Ziel."

Literaturunterricht bewegt sich dort, wo er sich auf das Terrain der Literaturgeschichte wagt, auf einem von den fortwährenden Debatten in der Fachwissenschaft vergleichsweise verminten Gelände. Und Lehrkräfte, die dies tun, sehen sich, auch angesichts der Tatsache, dass die Bildungsstandards die Bedeutung von literaturgeschichtlichem Wissen für die Entwicklung literarischer Kompetenz zwar für unverzichtbar erklären, zugleich aber nur vage Angaben dazu machen, ziemlich auf sich allein gestellt. Angesichts der "schieren Unmenge an möglicher Kontextualisierung" (Buschmeier 2014, S.18) sollen sie in individueller Verantwortung die erforderliche didaktische Reduktion vornehmen und damit jene Zugänge zu relevanten literaturhistorischen Kontexten schaffen, die für konkrete Aufgaben im Rahmen der • schulischen Textinterpretation nötig sind.

Die Kontroversen der literaturgeschichtlichen Theorie haben hier sicher auch mit dazu beigetragen, dass es sich Literaturgeschichte im Unterricht immer noch so schwer tut. Wenn auf der einen Seite von der Literaturgeschichtsschreibung gefordert wird, "sie solle »endlich« wieder normativ und kritisch sein, eine Kanonbefragung initiieren und leitende Ideen entwerfen ", und es auf der anderen Seite "zugleich das Unbehangen und die Skepsis gegenüber der großen Erzählung" (Buschmeier 2011, S.440), gibt, haben es nicht nur Wissenschaftler*innen, sondern auch Fachdidaktiker*innen und Lehrkräfte schwer, sich in diesem literaturgeschichtlichen Dickicht zu orientieren und zu positionieren. So darf es auch nicht verwundern, "wenn die Literaturgeschichte derart umstellt von Stoppschildern und Durchfahrtsverboten" von vielen gänzlich in Frage gestellt "oder zu einem, wenngleich nicht ganz unnützen, doch bloßen Nebenprodukt der Interpretationsbemühungen" degradiert wird. (Buschmeier 2014, S.19)

Die Debatte um die Fundierung und Ausrichtung der Literaturgeschichte hat natürlich auch in der Literaturdidaktik Spuren hinterlassen. Unbestritten ist, dass der epochenzentrierte Literaturunterricht vergangener Tage heute auch dann passé ist, wenn man im Epochenwissen weiterhin ein sehr wichtiges Element sieht, das zur ästhetischen Bildung und damit zur ästhetischen Rezeptionskompetenz gehört. (vgl. Zabka 2003, S.28)

Lern- und kognitionspsychologisch können Epochenkonstrukte, ähnlich wie Gattungskonstrukte, sofern man kritisch und reflektiert mit ihnen umgeht, durchaus hilfreich sein. Sie können helfen, bestimmte Phänomene historisch einzuordnen und den Rahmen für intertextuelle Vergleiche abzustecken. (vgl. Kepser/Abraham 42016, S.59)

Dabei muss sich die Literaturdidaktik aber grundsätzlich der Tatsache bewusst sein, dass • Epochenkonzepte aus verschiedenen Gründen problematisch sind. Im Grunde ist "der Erklärungswert von Epochenkonstrukten im Handlungsfeld 'Literatur' (...)  auf Haufenbildungen in bestimmten Zeitrahmen" begrenzt und dies "selbst dann, wenn Literaturgeschichte als 'Sozialgeschichte' konzipiert ist (...) und die Lesekultur berücksichtigt wird." (Kepser/Abraham 42016, S.58)

Und neben etlichen anderen Einwänden gegen die traditionellen Epochenkonzepte wirken die herkömmlichen Epochenkonstrukte mit ihrer Verengung auf die nationale Literaturentwicklung wie aus der modernen Zeit gefallen. Angesichts einer globalisierten Welt und der Neuausrichtung auch der Geschichtswissenschaften weg vom nationalstaatlichen und hin zu einem wenigstens europäischen, wenn nicht globalen Diskurs, ist es auch heute noch unzureichend, wenn die Einbeziehung von Werken der Weltliteratur in den Literaturunterricht an den Gymnasien weiterhin auf eine Randbemerkung in den neueren Lehr- und Bildungsplänen beschränkt bleibt.

Aber selbst wenn unstrittig ist, dass eine zeitgemäße Literaturgeschichte "nicht auf einen Sprach- und Kulturraum, schon gar nicht auf eine bestimmte Nation beschränkt" (ebd.) sein kann und auch die Geschichte anderer Medien mit einbeziehen muss, steckt z. B. eine gobalgeschichtlich orientierte Literaturgeschichtsschreibung noch in den Anfängen und bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Mono- und Multiperspektivismus.

Insgesamt gesehen hat die ▪ Kompetenzorientierung des Literaturunterrichts "die Rolle fachlichen Wissens für die Lösung fachlicher Probleme wieder stark akzentuiert." (Born/Kämper-van den Boogaart 32019, S.91), auch wenn sie nur "am Ende der Sekundarstufe I sowie im Oberstufenunterricht und dort eng mit der Vermittlung von Epochenkonzepten verknüpft" (Kepser/Abraham 42016, S.56), größeres Gewicht erhalten hat.

Zu diesem Fachwissen gehört hier jedenfalls auch ▪ literaturgeschichtliches Wissen, weil es neben anderen Aspekten, wie z.B. die Ermöglichung von Alteritätsserfahrungen, literaturgeschichtliche Phänomene in räumliche und zeitliche Ordnungsmuster bringen kann, die als zu reflektierende ▪ dynamische kognitive Schemata die ▪ Slots (Leerstellen) bieten, an denen die Elemente des erworbenen Überblicks- bzw. Orientierungswissen mental "andocken" können.

In den ▪ KMK-Bildungsstandards für die schriftliche Abiturprüfung im Fach Deutsch (2012) im ▪ Kompetenzbereich Sich mit literarischen Texten auseinandersetzen wird die Bedeutung literaturgeschichtlichen und poetologischen Überblickswissens ausdrücklich eingefordert und in den verschiedenen Lehr- und Bildungsplänen der Bundesländer in Kompetenzerwartungen und Standards umgesetzt  (z. B. Bayern, Baden-Württemberg).

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 18.08.2024

 
 

 
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