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Didaktische und methodische Aspekte

Epochenkonstrukte reflektieren

Literaturgeschichte


FAChbereich Deutsch
Glossar
Literatur Autorinnen und Autoren Literarische Gattungen ▪ Literaturgeschichte [ Didaktische und methodische Aspekte Überblick Orientierungswissen und Überblickswissen Wege zu literaturgeschichtlicher Kompetenz Epochenkonstrukte reflektieren Querschnitte und EpochenumbrücheTraditionelle Epochenkonstrukte oder Random Access? Erinnerungsarbeit mit Schneisen und Erkundungsrouten Der biografische Ansatz im Wandel Historisches Erzählen Literaturgeschichte in gängigen schulischen Lehrwerken  Didaktik der Literaturgeschichte und "wehrhafte" Demokratie ] Überblick Von der Nationalliteratur zum modernen Pluralismus Literatur auf dem Weg in die Moderne Zwischen Mono- und Multiperspektivismus Literaturepochen  Motive der Literatur Grundlagen der Textanalyse und Interpretation Literaturunterricht Schreibformen  Operatoren im Fach Deutsch
  

 

Epochenbegriffe im Literaturunterricht

Der schulische Literaturunterricht wird, wenn es um den Stellenwert von Epochenkonstrukten geht, von seiten der Fachwissenschaft immer wieder lautstark kritisiert, so dass man fast den Eindruck eines Bashings gewinnt, das für das Selbstverständnis der Literaturwissenschaftler einfach dazugehört. Wenn davon gesprochen wird, dass den Schülerinnen und Schülern, wenn es um literaturgeschichtliche Entwicklungszusammenhänge geht, oft entweder • "ein Beinhaus ausrangierter Allgemeinplätze" (Willems 2012, S.9) oder, im anderen Fall, ein "Sich-Verlieren in Spezialgebieten". (ebd.) geboten werde, dann zielen solche überzogenen Formulierungen natürlich auch darauf, die schulische Praxis im Umgang mit Literaturgeschichte von Grund auf zu diskreditieren, ohne sich auf die literaturdidaktischen Fragen tatsächlich einzulassen.

Korte (2003/2012, S.313) attestiert dem literaturhistorischen Unterricht in der Schule ein "schlechtes Image als Pauk-, Memorier- und Quizstoff", auch wenn er zugleich konzediert, dass der Umgang mit Literaturgeschichte in der Schule ein "schwierige(s) Geschäft" darstellt. Das in der Schule vermittelte Orientierungswissen darüber blende die Genese der Epochenbegriffe und ihre Prämissen aus. Der literarhistorische Unterricht dränge die Schülerinnen und Schüler in eine "passivische Lernerrolle" ( ebd., S.310), indem er das Orientierungswissen nicht selbständig erarbeiten lassen, sondern oktroyiere.

So wird von den Schülerinnen und Schüler erwartet, allerlei Fakten zu lernen, zu memorieren und im Normalfall aus dem Gedächtnis abzurufen, um dieses Wissen auf einen Text anzuwenden. Üblicherweise kommen dabei Zeittabellen, Merkkästchen, Zusammenfassungen und/oder Lexikonauszüge zum Einsatz, die unhinterfragt als reine Informationstexte behandelt werden. Aber auch sonst bleibt die Literaturgeschichte stets auf ihre Funktion als "Verstehenshilfe" beschränkt, wird im Grunde nie ein "selbständiges Thema, sondern allenfalls ein Stichwortreservoir zur vertieften Werklektüre." (ebd., S.311) Dabei spielt aber auch eine große Rolle, dass die Schülerinnen und Schüler wenig historisches Allgemeinwissen mitbringen, was auch die Arbeit mit Zeittabellen oder kursorischen Überblicken nicht auf die Schnelle beseitigen kann. Am Ende beklagt Korte (2003/2012, S.312), dass es trotz aller großmundigen Aufforderungen im Grunde kaum Anätze gebe, die "Geschichtslernen und den Umgang mit Literaturgeschichte aufeinander [...] beziehen, also Fragen nach Motiven und Motivationen historischer Neugierde, nach Geschichtsinteressen und fachmethodischen Verfahren über die Fachgrenzen hinaus [...] stellen."

Die Einteilung der ▪ Literaturgeschichte in mehr oder weniger klar voneinander abgrenzbare Epochen, wie sie vor allem die ältere Literaturgeschichtsschreibung vorgenommen hat, ist in der Literaturwissenschaft schon seit langem problematisiert worden und hat zum Teil dazu geführt, dass der Ordnungscharakter von Epochenbegriffen zur Beschreibung der literarischen Entwicklung aufgegeben, zumindest aber grundlegend relativiert worden ist. Für Korte (2003/2012, S.313) ist "Literaturgeschichte heute ohne Einsicht in die Komplexität des Gegenstandes und ohne Reflexion der eigenen Ordnungs- und Konstruktionsprinzipien", wenn sie sich auf der Höhe der Zeit zeigen will, gar nicht mehr möglich. Die erforderliche Reflexion umfasst dabei nicht nur den Konstruktcharakter der Epochenbegriffe und die vermeintliche lineare Abfolge von Epochen, sondern auch die "Frage, warum Literaturgeschichten seit dem 19. Jahrhundert über Generationen hinweg national codiert waren und sich als • Geschichte von Nationalliteraturen verstanden" (ebd., S.312)

Die Reflexion über Epochenbegriffe anregen

Auch wenn die Literaturwissenschaft die grundsätzlichen Probleme von traditionellen Epochenbegriffen und ihrem Gebrauch erkannt hat und unumstritten ist, dass es sich bei den Epochenbegriffen stets um wissenschaftliche Konstruktionen handelt, benötigt sie doch die Epochenbegriffe. (vgl. Jeßing/Köhnen 22007, S.12) Und auch der Literaturunterricht muss darauf nicht verzichten, wenn "Epochenbegriffe  [...] wie Interpretationshypothesen genutzt, sozusagen als Wegweiser zur genaueren Textbetrachtung" (Leubner/Saupe/Richter 2016, S.231) fungieren. Dies geschieht durch ein induktives Vorgehen, bei dem die jeweiligen Texte darauf befragt werden, ob sie Merkmale enthalten, die für eine bestimmte Epoche zutreffen. Wenn es als Konstruktion und Interpretation angesehen wird, ist das Konzept Epoche also auch weiterhin sinnvoll. (z. B. vgl. Wichert 22013, S.53, vgl. Pauldrach 2020, S.7)

So zählt auch die Fähigkeit, mit den historisch bedingten Ordnungssystemen und anderen Konstrukten problemorientiert umgehen zu können und diese auch in Frage stellen zu können (vgl. Abraham/Rauch 2011, S.345f.) zu den Kernkompetenzen einer • literaturgeschichtlichen Kompetenz, die als Teil der literarischen Kompetenz anzusehen ist.

Die Problematisierung der Epochenbegriffe muss dabei auch alle Fragen mit einbeziehen, die mit dem Literaturkanon zu tun haben. Denn wenn die Literaturgeschichte und ihre Epochenkonstrukte nicht mehr als "Lerngegenstand mit eigener Dignität und hoher Evidenz" (Korte 2003/2012, S.310) wahrgenommen werden, dann stellen sich (nicht nur Schülerinnen und Schülern) Fragen nach der Auswahl und dem Stellenwert von Autoren der so genannten Höhenkammliteratur und den Interessen, die dahinter stehen, wenn deren vermeintlich epochenmachende Bedeutung Beispiel: "Goethezeit") herausgestrichen wird und als Bestandteil des "kulturellen Gedächtnisses" präsentiert wird,

Um solche Kompetenzen zu erwerben, können Epochenbegriffe im Unterricht auf unterschiedliche Art und Weise problematisiert werden.

Im Kern geht es dabei immer um Methoden die Perspektivität und Konstruktivität von Epochenbegriffen entweder • kognitiv-analytisch oder • handlungsorientiert erfahrbar machen können. Sieht man an dieser Stelle von übergeordneten Konzepten ab, dann kommen dafür z.B. die folgenden Methoden in Frage:

Kognitiv-analytische Methoden
  • Anhand entsprechender auszugsweise präsentierter Darstellungen der Literaturgeschichtsschreibung können unterschiedliche Epocheneinteilungen problematisiert werden.

  • Fachwissenschaftliche Texte, die die Epochenproblematik thematisieren können im Rahmen einer vergleichenden Sachtextanalyse untersucht werden.

  • Durch die Bereitstellung einer breiten Materialbasis, die Texte unterschiedlicher (medialer) Art, präsentiert, können die Schülerinnen und Schüler prüfen, ob ein oder mehrere Texte in das Schema eines bestimmten Epochenbegriffs passen oder nicht.

  • Durch die Präsentation von Texten eines einzigen oder auch mehrerer Autorinnen und Autoren, die ihre Werke in Zeiten von • Epochenumbrüchen verfasst haben, können die Schülerinnen und Schüler begründete Zuordnungen zu kritisch zu reflektierenden Epochenbeschreibungen aus Schulbüchern oder Internetquellen vornehmen. Zu solchen Epochenumbrüchen gehören im schulischen Literaturunterricht vor allem die Umbrüche um 1800 mit dem Neben- und Ineinander verschiedener Epochen und z. T. konkurrierender Begriffe (vor allem Aufklärung (1720-1785), Sturm und Dang (1760-1785), (Weimarer) Klassik (1786-1805), Jakobinismus (1789-1796) und ▪ Romantik (1793-1835) sowie der sog. "Kunstepoche"der Zeit, "die eingeschlossen von zwei europäischen Revolutionen, zwischen den beiden Polen Revolution und Restauration oszillierte" (Stephan 1989, S.154)

Handlungs- und produktionsorientierte Methoden
  • Schülerinnen und Schüler können dazu veranlasst werden, einen historischen Text probeweise einer anderen Epoche, als der, zu der sie gewöhnlich gezählt wird, zuzuordnen und sie auf dem diesem Hintergrund zu interpretieren.

  • Die Schülerinnen können, wenn sie z. B. aus einer gewissen Anzahl von Kurztexten (z. B. lyrische Texte, Kurzprosa) so genannte "Cluster" bilden und dafür eigene Bezeichnungen finden. Eine solche Methode bietet sich vor allem für Texte aus der Gegenwartsliteratur an, für die auch in der Fachwissenschaft keine einheitlichen Kategorien und Begriffe vorliegen. (vgl. Kepser/Abraham 42016, S.60)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 11.09.2024

 
 

 
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