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Aspekte der schulischen
Erzähltextanalyse
Bei der ▪
Interpretation erzählender Texte in der
▪ Schule spielt
die Analyse der sprachlichen Gestaltung im Kontext des ▪
Funktionszusammenhangs verschiedener
Merkmale/Strukturen oder Aspekte eines erzählenden Textes eine
außerordentlich wichtige Rolle.
Dabei müssen mit verschiedenen beschreibenden und analytischen
Operationen oder
Textprozeduren inhaltliche und formale Elemente
in einem Bedeutungszusammenhang aufeinander bezogen werden.
(vgl.
Baurmann/Kammler 2012, S,4, vgl.
Kepser/Abraham 42016, S.261) Die Analyse der
sprachlich-stilistischen Gestaltung eines Erzähltextes, die
mitunter auch als Stilanalyse bezeichnet wird, ist kein
Selbstzweck und soll in keiner Weise einer (funktionslosen)
"Erbsenzählerei" Vorschub leisten.
Die
▪ literarische Stilanalyse gehört zwar zu den
Aufgaben, die beim ▪
Interpretieren literarischer Texte in der Schule zu
bewältigen sind. Sie
stellt jedoch im Allgemeinen keine eigenständige analytische Aufgabe
dar, sondern die Beschreibung stilistischer Merkmale, von Stilprinzipien und Stileffekten
usw. ordnet sich der allgemeinen Interpretationsaufgabe unter.
Was in den •
kategorialen Werkzeugkasten der sprachlichen Analyse von
Erzähltexten gehört, kann nicht über alle verschiedenen
erzählenden Texte hinweg verbindlich festgelegt werden, zumal
die darin enthaltenen "Werkzeuge" "nicht notwendig an das
Phänomen des Erzählens gebunden (sind), sondern (...) die
Gestaltung von Rede überhaupt (betreffen)" (Martinez/Scheffel,
10. Aufl. 2016, S. 32). Idealerweise erwerben die Schülerinnen und
Schüler im Zuge ihrer literarischen Sozialisation und im
Literaturunterricht auf •
verschiedene Art und Weise den, um im Bild zu bleiben, nötigen
"Werkzeugsatz". Sie sollten dann selbst entscheiden
können, wie der Werkzeugkasten im konkreten Fall bestückt sein
muss. So schön "blumig" dieser Vergleich auch klingt, einfach
ist dies nicht. Dieses selbständige und eigenverantwortliche Auf- und Abrufen geeigneter
Kategorien ist eine sehr anspruchsvolle Leistung, die auf vielen
Voraussetzungen beruht und Kompetenzen auf ganz
verschiedenen Gebieten verlangt. Das hohe Kompetenzniveau, das
es voraussetzt, bringt jedenfalls nicht jede/r mitbringt,
der/die sich
um die sprachliche Analyse eines erzählenden Textes bemüht.
Nicht zuletzt
aus diesem Grund machen Kriterien- und Fragenkataloge im Rahmen
des literaturdidaktischen Unterrichtssettings
auch weiterhin Sinn. Sie können dabei helfen, die eigene
Aufmerksamkeit auf sprachliche und stilistische Phänomene zu
richten, die einem ansonsten nicht auffallen würden. Ob sie für
den jeweiligen Text indessen für die eigene •
Sinnkonstruktion tatsächlich "deutungsrelevant" (Leubner/Saupe/Richter
2016, S. 254) sind, hängt nicht prinzipiell nicht davon ab,
ob bestimmte sprachlich-stilistische Phänomene in einem
Erzähltext enthalten sind oder nicht.
Wenn hier ein
Fragenkatalog zur sprachlichen und stilistischen Analyse von
Erzähltexten präsentiert wird, geschieht dies auch in Kenntnis
der Probleme, die damit verbunden sein können. Solche Listen und
Fragenkataloge laufen nämlich stets Gefahr, •
schematisch
abgearbeitet zu werden. (vgl. auch
ebd., S.282) Dagegen steht die Aufforderung, nur das aus dem
Werkzeugkasten zu nehmen, was in einen •
Funktionszusammenhang mit den
anderen Merkmale/Strukturen oder Aspekten des Textes gebracht
werden und damit die jeweils eigene Lesart des Textes begründen
kann. Im Rahmen von
Lern-
und
Übungsaufgaben kann die Arbeit mit dem Fragenkatalog
jedenfalls hilfreich sein.
Die Analyse der
sprachlich-stilistischen Gestaltung eines Erzähltextes,
so wie wir sie hier verstehen, erfolgt dabei
stets auf drei Ebenen, die im Rahmen des
Literaturunterrichts gewöhnlich berücksichtigt werden:
Wortebene, Satzebene
(Syntax) und Stilebene. Dabei kommt
es notwendigerweise immer wieder Überschneidungen, weil sich der
literarische Stil ohnehin nur interdisziplinär beschreiben
lässt.
Bei der
sprachlich-stilistischen Analyse von
erzählenden Texten im Literaturunterricht geht es vor allem um die Fragen:
-
Wie hat der
Autor/die Autorin ihre Erzählung sprachlich umgesetzt?
Welche sprachlichen Mittel setzt er/sie dafür ein?
-
Welche
Wirkung geht von der sprachlichen Gestaltung aus? Wie wirken
die sprachlichen Mittel aufeinander?
-
Welche
Bedeutung hat die Wahl der sprachlichen Mittel für die (Gesamt)Aussage
des Textes?
Fragenkatalog zur Stilanalyse (sprachlich, rhetorisch, stilistisch
i. e. S.)
Der nachfolgende kriteriengeleitete Fragenkatalog
erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und universelle
Anwendbarkeit. Wie davon Gebrauch gemacht werden kann, hängt von
zahlreichen Faktoren ab. Dennoch ist er für die schulische
Praxis der •
Analyse und Interpretation
literarischer Texte konzipiert, weil er den Blick für die
Vielfalt der dabei in Frage kommenden Aspekte öffnen kann. Wer
den Fragenkatalog nutzt, wird also stets entscheiden müssen,
welche Fragen für den konkreten Text und die jeweils zu
bewältigende Aufgabe im Umgang mit ihm relevant sind. Und
selbstverständlich kann der Katalog jederzeit um Fragen und
Kategorien ergänzt werden, wenn dies erforderlich ist.
Welche
Wirkung haben sie?
Wortebene
-
Werden
bestimmte
▪
Wortarten besonders häufig verwendet? Verwendet der
Autor deutlich mehr
▪
Verben,
Substantive oder Adjektive?
-
Werden
bestimmte Wörter häufiger wiederholt oder in Abwandlungen
bzw.
Synonymen verwendet?
-
In welchen
Tempora werden die ▪
Verben
verwendet? Gibt es ein einheitliches Erzähltempus?
-
Gibt es einen
auffälligen
Modusgebrauch von Verben (z. B. längere Textpassagen im
Konjunktiv oder im Wechsel von Konjunktiv und
Indikativ)
-
Kommen
Schlagwörter,
Leerformeln oder sonstige
Stereotype vor?
-
Sind
bestimmte Wörter/Wendungen schon veraltet (Archaismus)
oder neu gebildet (Neologismus)?
-
Gibt es
Wörter oder Wendungen, die etwas
übertreiben (Hyperbel) oder untertreiben
(Litotes)?
-
Finden sich
Wörter und Wendungen, die etwas
beschönigen? (Euphemismen)
-
Gibt es
Wörter, die in auffälliger Weise nur einen
Teil von einem Ganzen ansprechen? (Synekdoche)
-
Kommen Wörter
vor, die zwei oder
mehr Bedeutungen haben? (Synonyme)
-
Gibt es
Wörter oder Wendungen, die etwas bildlich veranschaulichen
und in einem übertragenen Sinn verstanden werden müssen (sprachliche
Bilder,
Metaphern,
Vergleiche ...)?
-
Kommen Wörter
und Wendungen vor, die das
Gegenteil von dem meinen, was sie "sagen"? (Ironie)
-
Werden
bestimmte Begriffe in auffälliger Weise umschrieben oder
vermieden? (Euphemismen/Tabuisierungen)
Betrifft dies den gesamten Text oder nur das, was in
Form der
Erzählerrede bei der ▪
Darstellung von Ereignissen,
(Erzählerbericht
i. w. S.) ausgedrückt wird oder auch nur das, was die
erzählten Figuren sagen und denken? ( ▪
Darstellung von Rede und mentalen
Vorgängen)
-
Gibt es im
Text Wörter und Wendungen, die mit anderen Vorstellungen
assoziiert bzw.
konnotiert
werden können?
-
...
Satzebene
-
Welche
Satzarten werden im Text verwendet? Kommt eine Satzart
besonders häufig oder in auffälliger Weise vor?
-
Welche Formen
der
Satzverbindung (Parataxe,
Hypotaxe) sind zu erkennen? Dominiert eine davon? Tut
sie dies den
ganzen Text über oder nur an einer bestimmten Textstelle?
-
Folgt der
Satzbau einem bestimmten
Satzbaustil (Nominal-,
der Verbal-
oder
Periodenstil
-
Werden die
Sätze unverbunden (asyndetisch) aneinandergereiht oder
besteht eine enge Verknüpfung durch beiordnende
(koordinierende) oder unterordnende (subordinierende)
Konjunktionen oder Pronominaladverbien?
-
Werden im
Text auffällig kurze oder auffällig lange Sätze verwendet?
-
Lassen sich
Zusammenhänge zwischen dem Satzbau und der
Aussageabsicht erkennen?
-
Gibt es im
Text Sätze, in denen eine ungewöhnliche Stellung der
Satzglieder auffällt? (Chiasmus,
Inversion)
-
Kommen
hintereinander folgende Sätze vor, die ihre Satzglieder
gleich anordnen? (Parallelismus)
-
Welche
Sprachhandlungen werden mit den verwendeten Satzarten
vollzogen?
-
Ist die im
Erzähltext vorkommende
wörtliche Rede (zitierte
Figurenrede,
zitierte Gedankenrede) mit
Anführungszeichen markiert?
-
Gibt es einen
auffälligen Gebrauch von Satzzeichen?
-
...
Stilebene
-
Erhalten
bestimmte Wörter, Sätze oder Wendungen eine besondere Bedeutung, wenn man den
Kontext berücksichtigt? (Bedeutungserweiterung,
-verengung, -emotionale Färbung) (Stilfärbung)?
-
Lassen sich
die im Text verwendeten Wörter, Ausdrücke oder Sätze einer
bestimmten
Stillschicht
(auch: Stilebene) zuordnen (▪
Vier-Schichten-Modell)
oder gehören z. B. die Wörter, die in der Erzählerrede
vorkommen zu einer anderen Stilschicht als die in der
Figurenrede? (sprachlich-stilistische
Reliefbildung)
-
Gibt es
Wörter und Wendungen, die für den Autor oder die Autorin
typisch sind?
-
Lassen sich
bei der stilistischen Überformung des Dargestellten
bestimmte Stiltendenzen, zeitgenössische Konventionen
und/oder literarische Moden erkennen?
-
Lassen sich
im Text stilistisch ausgeführte
Bewertungshandlungen finden, mit denen der Erzähler oder
die Figuren bestimmte Einstellungen ausdrücken oder das
Geschehen kommentieren?
-
...
Am Ende der
sprachlich-stilistischen Analyse steht stets die Frage, was die
gefundenen Elemente für die eigene Interpretation des Textes
leisten können.
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Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
02.07.2024
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