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Dreißigjähriger Krieg (1618-1648)
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Alltag zwischen Krieg und
Frieden
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Der
Westfälische Friede 1648
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Barock - Verstaubt, spießig und altmodisch?
Taucht in unserer heutigen
Umgangssprache das Wort Barock auf - man kann das oder der
Barock sagen -, dann geschieht dies oft in einer Weise, bei der seine
Bedeutung zur Abwertung von Sachverhalten, Zuständen und Dingen herhalten
muss.
So spricht man z. B. in
ironischer Weise von »Gelsenkirchener
Barock, wenn man spöttisch auf eine Design- und Einrichtungskultur
verweisen will, für das das Arbeitermilieu der Stahl- und Bergbaustadt
Gelsenkirchen Pate stehen musste. Produkte, die damit konnotiert und
abgewertet werden, gelten als besonders altmodisch, spießig, geschmacklos
und überladen. Waren es früher Möbelstücke, so wird der Ausdruck heutzutage
auf in Ungnade gefallene Einrichtungsgegenstände aller Art angewendet, die
als unzeitgemäß und aus der Mode gekommen oder kitschig angesehen werden.
Kitsch und Barock sind aber zweierlei, auch wenn sie von vielen
umgangssprachlich in eins gesetzt werden.
Und doch hat diese
Verwendung des Begriffs Barock eine lange Tradition. Sie erinnert daran,
dass der Begriff »Barock,
von seiner »Wortherkunft
gesehen, u. a. von dem portugiesischen baroco (= unregelmäßig, ungleichmäßig
bezogen auf die Form von Perlen) und dem französischen baroque, einer
metaphorischen Bezeichnung für bizarr oder exzentrisch, abgeleitet werden
kann, im 18. Jahrhundert von J. J. Winckelmann (1717-1768) dafür verwendet
wurde, um nicht regelkonforme und nur auf vordergründige Effekte setzende
Kunstformen zu bezeichnen. Erst gegen Ende des 18.Jahrhunderts wird der
Begriff als ein allgemeiner historischer Epochenbegriff bezeichnet und von
einem Barockzeitalter gesprochen, dessen Zeitspanne vom Ende des 16.
Jahrhunderts bis ca. 1750/60 dauerte und das über die Kunst hinaus die
Philosophie und allgemein die Geistesgeschichte umfasst.
Unterteilt wird der Barock
oft in die Phasen des Frühbarock (bis ca. 1650), Hochbarocks (ca. 1650–1700)
und Spätbarocks (ca. 1700–1730) und das sogenannte ▪
Rokoko (ca. 1730–1760/70), das aber auch
oft als eigenständige Epoche angesehen wird. Gelegentlich werden Spätbarock
und Rokoko auch gleichgesetzt.
Barockengel als Dekoelemente und Symbole
Der Begriff Barock als
Nomen oder als Adjektiv taucht dabei zur Bezeichnung oder als Attribut
zahlreicher Erscheinungen dieser Zeit auf: Man spricht von barockem
Schlössern und Kirchen, barocken Ornamenten, dem barocken Garten- und
Landschaftsbau oder auch dem barocken Lebensgefühl. Und nahezu jeder hat
schon einmal einen dieser kindlich "putzigen"
»Barockengel
(Putten) gesehen, als Skulpturen oder in Gemälden, die meist wenig bekleidet
oder nackt auftritt, mit oder ohne Flügel, manchmal in besonders
manieristisch-überladen gestalteten Kirchen zu Hunderte n von Altären,
Orgeln, Geländer, Gesimse, Plastiken und Fresken auf ihre Betrachterinnen*
herabblicken.
Wenn sie auch meistens nur
zu Dekozwecken in solchen Gebäuden verwendet wurden, stehen sie doch in
einem engen Bezug zum christlichen Engelsglauben und gemahnen damit auch auf
ihre eigene Art und Weise an die Endlichkeit allen irdischen Daseins und die
himmlische Erlösung. Allerdings gab es auch Putten, die eine andere Funktion
hatten und sich im Barock und im Rokoko großer Beliebtheit erfreut haben.
Diese Putten in einer Kindsgestalt des antiken Liebesgottes »Amor
werden »Amoretten genannt
und verweisen auf die Freuen der diesseitigen Liebe und Erotik und spiegeln
damit in gewisser Weise die Kehrseite des ▪
carpe diem, das Streben nach
Lebensgenuss in dem ansonsten von Vergänglichkeit und Nichtigkeit und nur
über seinen Jenseitsbezug sinnvoll zu lebendes Leben. Hinzukommt, dass auch
die kleinen Barockengel im Ensemble und Kontext anderer Abbildungen wie z.
B. Totenköpfen, Abbildungen des Gevatters Tod als
Sensenmann im Gerippe (auch: Schnitter Tod genannt) platziert sind, die
dem/der Betrachterin auch schnell die Mahnung ▪
memento mori (Gedenke des
Todes!) zu Bewusstsein bringen.
Spuren und Zeugnisse des Barock: Schlösser, Kirchen und Gemälde
Dem Barockzeitalter als
historische Epoche kann man heutzutage auf vielfältige Weise auf die Spur
kommen. Wer an barockem Baustil interessiert ist, kann sich entlang z. B.
auf eine Fahrt entlang der »Oberschwäbischen
Barockstraße, einer über verschiedene Routen erschlossene Ferienstraße
in »Oberschwaben
begeben, die einen an zahlreichen weltlichen und sakralen Bauwerken der
Barockzeit entlang, und bei Lust auf mehr, dazu noch »in den Bodenseeraum,
die »Ostschweiz
und das österreichische Bundesland »Vorarlberg
führt. Die »Basilika
in Birnau am Bodensee und viele andere Sehenswürdigkeiten harren auf
einen Besuch interessierter Reisender. Aber natürlich kann man sich auch in
anderen Regionen Deutschlands auf die Spur des Barock begeben und zum
Beispiel die Zeugnisse des sogenannten »Dresdner
Barocks bewundern. Und wer im benachbarten europäischen Ausland
unterwegs ist, kann z. B. in Frankreich mit dem »Schloss
von Versailles das stilbildende Bauwerk seiner Art für diese Zeit
einschließlich der barocken französischen Gartenanlage besuchen. Barock, das
wird hier noch einmal ersichtlich, ist eine Europa übergreifende Epoche.
Wo man auch immer
hinschaut, unzähligen Bereichen und Dingen haben barocke Stil- und
Lebensvorstellungen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen und
Schichten ihren Stempel aufgedrückt: der »Bildenden
Kunst ( »Baukunst,
»Innendekoration
und Möbelkunst, »Gartenbau,
»Skulptur,
»Malerei),
der»
Musik und
dem »Theater.
Das Zeitalter hat eine eigene »Festkultur
ausgebildet und eine besondere Literatur hervorgebracht, die in ihrer Zeit
so dominierend wurde, dass sie als eine eigene ▪
Literaturepoche
▪ Barock (1600-1720) aufgefasst
wird. Es gibt eine barocke »Natur-
und aufkommende Gesellschaftsphilosophie, eine spezifische »Schiffsbau-
und »Wagenbaukunst,
eine barocke
Mode u. v. a. m.
Die Kehrseite barocker Punksucht: Ein allseits bedrohtes Leben
Was einem/r Betrachterin barocker Baukunst vor allem in Schlössern wie
Versailles oder anderswo bei allem Staunen und aller Bewunderung schnell zu
Bewusstsein kommt, ist dass sich darin auch stets eine barocke Prunksucht
der privilegierten Schichten der Gesellschaft ausdrückt, die mit dem
normalen Leben der überwiegend auf dem Land als Bauern und Tagelöhner, z. T.
als Leibeigene arbeitenden Frauen und Männer nichts aber auch gar nichts
gemeinsam hatte. Was die privilegierten Stände, Adel und Klerus, und die
überwiegend arme Landbevölkerung einander band, war die althergebrachte, aus
dem Mittelalter stammende soziale und rechtliche Ungleichheit, die von dem
herrschenden christlichen Glauben nicht nur nicht in Frage gestellt, sondern
vehement verteidigt wurde. Das, was man gemeinhin mit barockem Lebensstil
konnotiert, war, unter diesem Blickwinkel betrachtet, Ausdruck einer
elitären und parasitären Lebensweise, die sich der vor allem höhere Adel im
Zeitalter des Absolutismus auf Kosten des Rests der Bevölkerung anmaßte und,
solange es ging, mit Gewalt durchsetzte.
Wer im 17. Jahrhundert das Licht der Welt erblickte, hatte, ob reich oder
arm, eine an heutigen Verhältnissen gemessen, geringe Lebenserwartung vor
sich. Wer das 40. Lebensjahr erreichte, galt schon als alt und konnte damit
eigentlich ganz zufrieden sein. Wahrscheinlich hatte er/sie einige »Hungersnöte
infolge der sogenannten »"kleinen
Eiszeit", einer regional und zeitlich unterschiedlich ausgeprägten
Periode vergleichsweise kühlen Klimas zwischen dem Beginn des 15.
Jahrhunderts mitgemacht und überlebt.
Vielleicht hatte sie auch das Glück gehabt, nicht in den Schlachten des ▪
Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) oder in den sonstigen ▪
Verheerungen, die er über Land und Leute brachte, sein ▪
Leben zu verlieren. (»Hans
Jokob Christoffel von Grimmelshausen (1622-1676) hat mit seinem Roman
"Der abenteuerliche Simplicissimus" (1669) solche Ereignisse
zwanzig Jahre nach literarisch gestaltet.

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Die Darstellung stammt aus dem 18-teiligen
Radierzyklus "Die großen Schrecken des Krieges" (Les Grandes Misères
de la guerre), nach Jacques Callot (1632). Sie stellt die
Hinrichtung von Dieben , wahrscheinlich auch sowie vermutlich auch
Plünderern (Marodeuren) dar, die um ihr Leben würfeln (in der
Abb. rechts dargestellt). Grundsätzlich sind diese Exekutionen keine
Willkürakte, sondern erfolgen im Beisein von Geistlichen. Sie
entsprechen durchaus dem dem zeitgenössischen Kriegsrecht und sollen
dazu helfen, die Disziplin der Soldaten aufrechtzuerhalten.
Kam dann noch hinzu, dass der erwähnte Zeitgenosse in seinen vier
Jahrzehnten durchschnittlicher Lebenszeit nicht von den immer wieder
wütenden Seuchen »Pest, »Cholera,
»Typhus,
»Diphtherie, »Pocken,
»Tuberkulose
hinweggerafft wurde, hatte er/sie quasi das große Los gezogen, von dem die
meisten, wie heute bei der Hoffnung auf einen Sechser im Lotto, nur träumen
konnte.
Ein «Kriegsbericht
aus dem Jahr 1638 gibt einen Eindruck davon, wie gefährdet jedes Leben
war, wenn es diesen allseitigen Bedrohungen ausgesetzt war. Darin heißt es:
"Bald fielen die Schweden über den Rhein herüber und jagten die
Kaiserlichen aus ihren Quartieren, bald jagten diese wieder jene hinaus.
Dadurch wurde das ganze Land zwischen Rhein und Main verelendet und kein
Mensch durfte sich auf dem Lande blicken lassen, denn dann wurde ihm
nachgejagt wie einem Wild. Fing man ihn, so wurde er unbarmherzig
misshandelt, und damit er Geld, Vieh und Pferde verriete, [...] geknebelt,
nackt an den heißen Ofen gebunden, aufgehängt [...] oder mir Wasser und
Jauche getränkt, die man den Leuten zuberweise in den Hals schüttete,
worauf man ihnen mit Füßen auf die dicken Bäuche sprang [...] Weil keine Lebensmittel mehr auf dem Lande waren, wurden alle Dörfer [...]
von allen Einwohnern verlassen. Reinheim und Zwingenberg standen zwei
Jahre ganz leer und offen [...] Viele [...] versteckten sich zwar in
Wäldern, Höhlen [...] usw., aber sie wurden auch hier aufgespürt, denn die
Soldaten hatten menschenspürige Hunde bei sich [...] Anno 1635, nachdem
das ganze Land ausgeplündert und kein Vieh noch Pferd mehr vorhanden war,
wurde auch die Sommerfrucht [...] ausgesät [...] Zwischen und neben den Kriegsruten schickte uns Gott die Pestilenz. Sie
kam zu Anfang des [Jahres 1635] [...] auf, an der viele starben [...] Im
Frühjahr [...][fielen] die Leute schnell und haufenweise dahin [...], so
dass man sie gar nicht alle begraben konnte [...] Oft lagen Kranke bei den
Toten in einem Bette [...] Die Pest währte bis in den Herbst [...], sie
riss aber dennoch viele Tausend Menschen im Lande weg, so dass kaum der
zwanzigste Teil, in einigen Dörfern aber gar niemand übrig blieb [...] [In Bieberau] [...] waren es zusammen [...] über 300 Seelen. Nach der Pest
blieben nur noch 25 übrig. [Im Herbst wollte man sich an die Ernte des Wintergetreides und der
Früchte machen, da fiel] eben zur Erntezeit der kaiserliche General Gallas
plötzlich ins Land zwischen Main und Rhein [...] Auf diese Teuerung folgte eine große Hungersnot, die von Anno 1635-1638
dauerte ... [Es] wurden viele dermaßen schwach, dass sie nichts als Haut
und Knochen waren [...] Sie waren ganz schwarz-gelb, mit weiten Augen, fleckigen Zähnen [...] dick
geschwollen, fiebrig [...] Fast alle Ehen wurden daher auch unfruchtbar
[...] Ein Ehegatte zog von dem andern in ein anderes Land, Brot zu suchen.
Kinder liefen von den Eltern weg und ein Teil sah [...] einander niemals
wieder. (Joh. Daniel Minck, zit. n.:
E. Orthbandt 1960,
S.611f. bzw.
Schmid, Fragen an die Geschichte, Bd. 2, S.216)
Keine Frage: Wer ohnehin arm war und in längst prekären Lebensverhältnissen
lebte, der war natürlich von diesen allseitigen Bedrohungen des Lebens um
ein Vielfaches eher betroffen als ein privilegierter Adeliger oder auch
sonstwie Reicher, der sich, wenn z. B. die Pest wütete, auf dem Land, gut
versorgt mit Lebensmitteln in soziale Quarantäne begab. ( u. a. hat »Giovanni
Boccaccio (1313-1375) hat in seinem
Decamerone (1350) davon schon 250 Jahre früher ein literarisches
Zeugnis abgelegt -
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Diese soziale Perspektive ist unverzichtbar, wenn man sich mit dem
Barockzeitalter und seinem absolutistischem Konkurrenzdenken von Fürsten und
Königen ebenso wie der Repräsentation ihrer Macht dienenden barocken
Prunksucht und den ihren barocken Lebensstil ausdrückenden Dingen,
Gewohnheiten, Verhaltensweisen und Moden nur im Entferntesten gerecht werden
will.
Carpe Diem als eine der (ideologischen) Antworten auf die
politischen und sozialen Krisen der Zeit

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Dreißigjähriger
Krieg (1618-1648)
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Zeittafel
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
26.01.2022
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