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Fragenkatalog zur
sprachlich-stilistischen Analyse erzählender Texte
Die
Kurzgeschichte • "Shared Cheatah" von •
Jens Ludwig gestaltet ihre Aussage mit einer
Reihe unterschiedlicher sprachlicher, stilistischer und rhetorischer
Mittel, die dazu dienen, die Geschichte
lebendig und authentisch wirken zu lassen und die Charaktere und ihre
Beziehungen zueinander zu verdeutlichen.
Spitznamen und Schimpfworte
Yvonne, aus deren
Perspektive die Geschichte in •
Er-Form erzählt wird, gibt
Dimtrij den Spitznamen "Cheatah",
der ihre Abneigung ihm gegenüber verdeutlicht und als Schimpfwort
angesehen werden kann, da damit eine klare Abwertung verbunden ist. oder
Einstellung ihnen gegenüber verdeutlichen. Andere Beispiele für
jugendtypische Diminutive und "Kosenamen" sind oder "Dimi" für
•"Dimitrij" oder "Benny").
Der Spitzname bzw. das Schimpfwort für Dimitrij ist zugleich
Wortspiel und
Neologismus, der
aus dem englischen Verb "to cheat" und dem Namen des Schimpansen »Cheetah
in verschiedenen
Tarzan-Filmen bzw. der US-amerikanischen Fernsehserie »"Daktari"
aus den 1970er Jahren. Das •
Schimpfwort "Affe",
das Yvonne für ihn, zumindest in Gedanken verwendet, wertet ihn mit
seiner •
semantisch-expressiven Stilfärbung
zusätzlich ab.
Die mit einem Bindestrich zu einer Nominalphrase verbundenen
Wörter in den Formulierungen "Yvonne-jetzt-reichts-aber-Wirklich"
oder "Dauer-Word-of-Warcraft-Gamer"
verdichten eine bestimmte Sprachhandlung der Lehrerin und das
Verhalten von Cheatah/Dimitrij als "Computerfreak",
ohne sie in ihren Einzelheiten auszuführen und werten das jeweilige
Verhalten dazu noch ab.
Sie können z. T.
auch als •
Neologismen im Sinne von •
Augenblicksbildungen (auch:
Ad-hoc-Bildungen oder
Okkasionalismen,
angesehen werden, die durch neue Wortzusammensetzungen zustande
kommen und mit ihrer syntaktischen und/oder inhaltlich-semantischen
Bedeutungsverdichtung die Bildhaftigkeit und Expressivität der
Sprach erhöhen. Auch in dieser Kurzgeschichte geht von den
Neologismen z. T. eine
ironische
Wirkung aus.
Mit dem "Brummen"
des Handys, das Yonne, die sich gerade am Fenster befindet, hinter
sich hört, wird mit einem
lautmalerischen, nominalisierten Verb
eine große Anschaulichkeit
erzielt, die hier im Dienst der Spannungserhöhung steht. zu erhöhen.
Weiteres Beispiele: "donnerte
die Lutz";
Jugendsprache und Umgangssprache
Die Sprache ist an
die jugendliche Zielgruppe angepasst und enthält umgangssprachliche
Ausdrücke ("die Lutz", "haarscharf"
nach hinten raus wieder eng werden", "ist
ja echt assi", "ey"
"briet
sie ihm dafür eins über",
"sogar in
echt", "das
muss man sich erst mal reinziehen", "Cheaten", "konnte
sie vergessen", "Der
hatte die Ruhe weg", "briet sie ihm dafür eins über", "Aber
hallo!", "Computerfreak",
"hatte
er such verzockt"), "Spicker",
"memmte". "Mist,
dieser blöde Vibrationsalarm".
Die •
semantisch-expressive Stilfärbung der Jugendsprache wird im Text
mit der Verwendung •
vertraulich wirkender Koseformen und Diminutive ("Dimi",
"Benny"), den •
übertrieben (hyperbolisch) ("dem
Untergang geweiht" (auf der
"Strafbank"), "öffentliche
Hinrichtung) "und den damit zusammenhängenden affektiv
aufgeladenen, •
abwertend (pejorativ) wirkenden Wörtern und Redewendungen sowie
dem •
Spott, den bestimmte Äußerungen ausdrücken, die auch mal zu
einer •
derben
Ausdrucksweise tendieren. Die •
salopp-umgangssprachliche Stilschicht weiter Teile der Erzählung
trifft damit den "Ton" (Henne
1986) jugendspezifischer Sprechweise.
Im Gegensatz dazu
steht der Funktionalstil, der vor allem die Aufgaben kennzeichnet,
aber auch die Alltagssprache, der sich die Lehrerin, Frau Lutz,
bedient.
Zu den "fachsprachlichen"
Ausdrücken und Formulierungen zählen Begriffe, die sich im weitesten
Sinne dem Jargon so genannten Gamer-Szene im Internet oder der
"Insider-Sprache" von Internet-Nutzerinnen und -nutzern zuordnen
lassen, wie z. B. "Sharen",
"Vibrationsalarm",
"Link"
"gepostet".
Im Text dienen sie dazu, die Zugehörigkeit zu dieser Szene sowie die
Kenntnis über moderne Medien wie das Internet zu verdeutlichen.
Dazu zählen aber
natürlich auch die verschiedenen fachwissenschaftlichen Begriffe in
den verschiedenen Aufgaben der Klausur, wie in der zitierten
2. Aufgabe
z. B. "Wertetabelle",
"Funktionsterm",
"Plattenkondensator",
"Dosimeterplakette",
"Geiger-Müller-Zählrohr",
etc., die zu der Fachsprache im Fach Physik im
Kommunikationsbereich von Schule und Unterricht gehören.
Modewörter
Wörter wie "Sharen"
oder "Cheaten"
lassen sich durchaus noch als so genannte •
Modewörter
begreifen, da ihre "inflationäre" Verwendung als eine Art Wortschablone
wirkt, "die das Gemeinte nur ungenau, irreführend oder übertreibend" (Sowinski
1978, S.243) kennzeichnen, aber dessen ungeachtet auch heute in den unterschiedlichsten
Kommunikationsbereichen
wie z. B. in der Gamer-Szene aber wie hier auch in der
Schülerszene "en vogue" sind. Wenn also in diesem Text
von "Sharen"
die Rede ist, geht es weniger um die Bedeutung des Begriffs im
Einzelnen als darum, sich mit dem ihm eigenen
Konnotationsspieltraum
selbst sprachlich als auf der Höhe der Zeit zu präsentieren. (vgl.
ebd.,
S.245)
Metaphern und andere sprachliche Bilder
Der Begriff "Strafbank", auf die Yvonne in der ersten Reihe neben Cheatah gesetzt wird, ist eine
Metapher, die die
Schulbank in einen Bedeutungszusammenhang stellt, der sie mit der
Vorstellung von einem Ort der Bestrafung, Bloßstellung und Isolation
von "Delinquenten" verbindet.
Dazu kommen weitere Ausdrücke im Text, die
eine bildhaft-metaphorische Wirkung entfalten, wie zum Beispiel "ins Visier geraten" oder
"öffentliche Hinrichtung". Diese sind jedoch eher als Redewendungen
oder bildhafte Ausdrücke zu verstehen, da sie nicht unmittelbar
einen Vergleich zwischen zwei unterschiedlichen Bereichen
herstellen, sondern eher eine bildhafte Verstärkung darstellen.
Übertreibungen wie
"Betten
an die Wand!" "dem
Untergang geweiht" (auf der
"Strafbank"), "öffentliche
Hinrichtung zelebrierte" verstärken die Emotionen und die Dramatik der
Situation.
Die im Text
vorkommenden Vergleiche sind nicht immer als direkte Vergleiche im
klassischen Sinn ( "X ist wie Y"), sondern es werden immer wieder
indirekt vergleichende Formulierungen verwendet.
Ein Beispiel für
einen direkten Vergleich ist: "kannte er sich aber aus wie kein
anderer": Hier wird Dimitris Wissen über Computer mit dem
anderer verglichen, um seine besonderen Fähigkeiten zu betonen.
Ein
Beispiel für einen indirekten Vergleich ist z. B. die
Textstelle, an der Dimitrij, allerdings in anderer Schreibweise (Cheatah
von engl. to cheat = täuschen betrügen) mit dem gleich klingenden
Namen, aber anders geschriebenen des Schimpansen (Cheetah)
aus verschiedenen
»Tarzan-Filmen bzw. der US-amerikanischen Fernsehserie
»"Daktari"
aus den 1970er Jahren verglichen wird, um seine vermeintliche
Cleverness und Verschlagenheit beim Abschreiben zu betonen.
Der Ausruf Christians "Betten
an die Wand! "vor Beginn der Klausur, mit der er auf die scheinbar
"lockere" Ansprache von Frau Lutz an die Klasse "Also,
Leute, wie immer" reagiert, vergleicht das
Setting der Klausur sowie
den Gestus der Lehrerin und
ihre Äußerung mit dem im Imperativ formulierten allgemeinen Befehl einer
Gefängnisaufseherin, die beim morgendlichen Appell die Gefangenen anweist,
ihr Bett hochzuklappen und an der Wand zu verankern, um ihnen tagsüber die
Möglichkeit zu nehmen.
Andere Beispiele,
denen ein indirekter Vergleich zugrunde liegt, sind, z. B.
Sätze wie "Manchmal
jedenfalls." "Egal.", "Mist, dieser blöde Vibrationsalarm" sind
unvollständig, was die Umgangssprache imitiert und die das
Erzählgeschwindigkeit erhöht.
Stilistisch
gefärbt sind z. B. die emotional abwertenden
Personenbezeichnungen wie "die
Lutz" oder auch "Cheatah"
(Vergleich mit einem Schimpansen), die Verwendung des •
Schimpfworts "Affe".
Dazu kommen weitere •
semantisch-expressive Stilfärbungen, die von der Verwendung der
jugendsprachlichen Ausdrücke herrühren, die zum Teil •
übertrieben, •
abwertend, •
spöttisch oder auch tendenziell
derb
wirken. Sie stehen im Gegensatz zu der Fachsprache der
Klausuraufgaben, die in diesem Kontrast geradezu • "papierdeutsch"
wirken.
Satzbau und Satzbaustil
Im Text dominiert
der Verbalstil,
der den Text, vom
Satzbaustil her gesehen, dynamisch wirken lässt und dem
dargestellten Geschehen eine gewisse Lebendigkeit verleiht.
Text variiert den
Satzbau, verwendet aber auch häufiger einen
hypotaktischen Stil.
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Fragenkatalog zur
sprachlich-stilistischen Analyse erzählender Texte
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
04.07.2024
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