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Hans Assmann von
Abschatz (1656-1699) stellt seinem Sonettzyklus
"Alexandri Adimari
übersetzte Schertz-Sonnette oder Kling-Gedichte über die auch bey
ihren Mängeln vollkommene und Lieb-würdige Schönheit des
Frauenzimmers (1704)" die
nachfolgende Übersicht aus
epigrammatischen "Dritt-Reimen"
voraus, die das Thema des entsprechenden Sonett "auf den Begriff"
bringen sollen:
"Dritt-Reimen
oder
kurzer Begriff des ganzen Werkes.
(Vermerk: Die doppelten Reimungen und beigesetzten Stern-Zeichen
deuten des Übersetzers Zusatz/ und Erfindung etlicher Kling-Gedichte
an.)
Ihr Nymphen/ (und die ihr das Frauenzimmer ehrt)
Last ein geneigtes Auge auf dies Gedichte fließen/
Das euer hohes Lob auf neue Weise mehrt.
1. Das schöne Kind.
Schaut einen Blumen-Mäy im frühsten Lenz entsprießen.
Da kaum die Morgenrot uns zeigt der Sonnen Licht/
Und wir schon ihre Glut ehe fühlen als kennen müssen.
2. Die Schöne Kleine.
Es
schwächt der kleine Leib den Ruf der Schönheit nicht:
Den Diamant seht ihr ja für großen Steinen prangen
Und wie die zarte Perle aus hellem Gold absticht.
3.
Die Schöne Blattende.
Scheut ihr den Blatter-Schmuck der überstickten Wangen/
Die Hitze und Feuchte kocht? So pflegt ein neues Kleid
Durch heiße Sonne und Bad der Adler zu erlangen.
4. Die Schöne mit
hohem Rücken.
Klagt ihr das liebe Kind/ dem eine Last bereit
Von seiner Buhler Zahl die müden Schultern drücket?
Ach/ nennt sie vielmehr den Atlas dieser Zeit.
5.
Die Schöne Hinkende.
Die/ deren lahmer Fuß sich nicht zum Laufen schicket/
Wird billig auch gelobt/ weil sie nicht so mit Eile
Ihr angenehmes Bild von unserm Auge entrücket.
6. Die Schöne
Übelangelegte.
Hat Fleiß und Zierlichkeit bei Jener keinen Teil/
Verwendet sie auf Putz und Ordnung wenig Sorgen/
Sie beute/ was die Natur geschmückt/ mit Kunst nicht feil.
7.
Die Schöne Gelbsüchtige.
Ein gelbes Wange will der Sonnen Farbe borgen:
Manch Brunnenquell muß auch zur Zeit verstopfet sein;
Man holet Ros' und Gold/ so gelbe/ weit von Morgen.
8. (*Die Schöne Rotäugige.*)
(Ein rotes Auge will des Feuers Farbe borgen/
Durch neuer Flammen Glut der Männer Henker sein:
Matuta zeigt sich so in kühl-betautem Morgen.)
9. Die Schöne Schielende.
Die Nymphe/ die mit Fleiß zerteilt der Augen Schein/
Weiß mit mehr Kunst und Gunst die Herzen zu entzücken/
Als wenn sie auf einmal uns wollten äschern ein.
10.
Die Schöne Taube.
Die/ deren taubes Ohr kein Schmeicheln kann berücken/
Gleicht einer Königin Aus Abyßiner-Land:
Es ehrt sie stille Pflicht/ und sie befiehlt mit Blicken.
11.
Die Schöne Stumme.
Sind Wort und Reden gleich den Lippen unbekannt/
Verbirgt der schöne Mund sein Herz in stillem Schweigen/
Schwätzt Wange und Auge doch von deiner Seele Brand.
12. Die Schöne Krätzige.
Die/ die den Palmen gleich/ will rauhe Rinde zeigen/
Hat doch gelinden Sinn: was ihr Verliebter fühlt/
Muß durch zerrissene Haut ihr selbst zum Herzen steigen.
13. Die Schöne Zernarbte.
Welch Unfall/ was für Grimm hat dieses Feld zerwühlt?
Nicht Feld; den Himmel selbst/ die Tier-bestirnten Auen/
worauf der Augen Sonne in vollen Flammen spielt.
14. Die Schöne Zornige.
Laß deinen Helden-Mut in vollem Eifer schauen/
Und wisse/ daß der Zorn der Liebe Wetzstein heißt;
Was man an Männern rächt/ verträgt man bei Frauen
15. Die Schöne Zerrissene.
Was schadet/ ob das Kleid bei dir in Stücken reisst?
So wird dein schönes Fleisch erblickt bei offenem Herzen/
Wie der Granaten Schatz sich durch die Öffnung weist.
16. Die Schöne Kahle.
Was darf dich der Verlust der sprüden Haare Schmerzen?
Das Glücke zeigt sich auch von Locken meistens bloß:
Und dennoch will damit ein jeder spielen und Scherzen.
17.
Die Schöne Lange.
Scheint dir der Helden-Leib/ Verächter/ allzu groß?
Lässt uns nicht Kleines ehe als großes Mangel leiden?
Viel Haselstauden fasst der hohen Fichte Schoß.
18. Die Schöne Blinde.
Wann Wolken das Gesicht der Blinden überkleiden/
Und sie den hellen Tag mit Finstrer Nacht bedeckt/
Kann man die Liebe selbst und sie nicht unterscheiden.
19. (*Die Schöne
Rothhärigte.*)
(Muß
roter Haare Gold dein schönes Haupt bekleiden/
So kann durch solchen Glanz mein schwaches Auge' erschreckt
Die goldene Sonne selbst und dich nicht unterscheiden.)
20. Die Schöne Falschzüngigte.
Was schadet/ wenn mein Liebe die Wahrheit gleich versteckt/
Und/ was sie meint/ verbirgt mit falscher Worte Schatten?
Das Herze bleibt doch getreu und unbefleckt.
21. Die Schöne Lispelnd- und Stammlende.
Gibt deren Stammeln uns die Worte zu erraten/
Ein schöner Widerhall klingt in des Liebsten Ohr/
Und kommt des schwachen Sinns Vergeßlichkeit zu statten.
22. Die Schöne
emmer-lachende.
Dringt zu viel Lachen durch der Lippen offenes Tor/
Die Freundlichkeit wird dir ja selbst nicht mißgefallen:
So schwebt des Herzens Freude und Süßigkeit empor.
23. Die Schöne Weinende.
Netzt diese Tränen-voll die Wangen von Korallen/
Die/ wie Egeria/ trieft in heiße Flut/
So siehstu einen Quell von Perlen und Kristallen.
24. Die Schöne Einäugige.
Den Tag und Himmel ziert nur einer Sonne Glut/
Verjagt der Sternen Licht: Was ist von der zu sagen/
Bei der ein einig Licht so grosse Wunder tut?
25. Die Schöne Zahnlückige.
Was willst_du/ schöner Mund/ der Zähne Mangel klagen/
Von schönem Purpur voll/ von scharfen Klippen frei?
Wer will auf deiner See sich nicht zu schiffen wagen?
26. Die Schöne schwarze.
Deucht dich/ daß
diese schwarz/ und halbe Mohrin sei?
Die Liebe hat sie so zur Kohle wollen brennen:
Das höchste Lob schreibt ihr die Tiger-Tinte bei.
27. Die Schöne Kropfige.
Wenn ich den Blasebalg der Liebe die will nennen/
Die Venus Tauben gleicht/ scheint dir es ein Scherz zu sein:
Gehe mit ihr um/ du wirst/ wie wahr es sei/ erkennen.
28. Die Schöne
ohne Geist und Bewegung.
Nennt die nicht ohne Wirt ein Haus von Marmolstein/
Der Sinn und Wort gebricht/ ihr werdet sonst empfinden/
Daß euch zu Steinen macht der starren Augen Schein.
29. Die Schöne Närrin.
Wer diese Närrin heißt/ muß selbst am Hirne schwinden.
Die süße Raserei/ die ihr Gemähte treibt/
lest sich durch keinen Zwang gefälschter Liebe binden.
30. Die Schöne
Unbeständige.
Wenn Jene sich jetzund zu gleichem Sinn verschreibt/
Und nimmer/ wie vorhin/ will hin und wieder wanken/
Wer ists/ dem von ihr Trost und Hoffnung übrig bleibt.
31. Die Schöne Sauersehende.
Was Wunder/ daß auch der bleibt in der Liebe Schranken/
Den steter Ernst und Haß mit lauter Wermut nährt?
Verwehrt- und Schweres liegt am meisten in Gedanken.
32. Die Schöne
Wundmähliche.
Zwar grausam ist der Stahl/ der diese Haut durchfährt/
Uns aber ist dadurch/ zu unsrer Augenweide/
Von Perlen und Rubin ein Schatz zu sehn beschert.
33. Die Schöne Einfältige.
Wenn Rosen-Rote Scham und weißer Einfalt Seide
Ein Herze sonder Gall in Treue und Demut schmückt/
Ist dies für deine Braut der beste Zeug zum Kleide.
34.
Die Schöne Listige.
Doch ist verschmitzter Sinn zum Lieben auch geschickt/
Weiß nicht der schlaue Fuchs dem Netze zu entgehen/
Wenn ein zu frommes Reh von solchem wird bestrickt?
35. Die Schöne Kupfrige.
Die Wangen/ welche sich mit Bacchus Farbe erhöhen/
Sind Zeugen/ was für Hitze im inneren Herzen steckt.
Den Fürsten pflegt Scarlat und Purpur anzustehen.
36. Der schöne bemehlte
Hals.
Durch braune Narben wird die Liebe in mir erweckt:
Hat Amors Meißel nicht den Hals durch solche Striemen
Zu deines Ruhms Altar beziert und ausgeeckt.
37. (*Der schöne riechende Mund.*)
(Ob deine Liebste nicht nach fremdem Bisam schmeckt/
Es will sich sie darum zu hassen nicht geziemen:
Weil auch die Biene nicht nur lauter Rosen leckt.)
38. Die Schöne Einhändige.
Den Mangel einer Hand darf niemand viel verblümen;
Dein kühner Freiheits-Raub ist minder offenbar/
Und dennoch kannstu dich manch Herz zu stehlen rühmen.
39. Die Schöne Groß-Nase.
Was ist beim Lieben nicht für Kummer und Gefahr!
Daß ich im Liebes-See den Hafen nicht kann fehlen/
Stellt sich der Leuchte-Turm der hohen Nase dar.
40. Die Schöne Pockengrübigte.
Seht Venus Bienen hier der Liebe Sitz erwählen:
Hier wird so mancher Pfeil und Stachel zugespitzt/
Als dieser Wangen Ros' lest Honig-Grübgen zählen.
41. Die Schöne Unfruchtbare.
Mit ihres gleichen hat der Welt noch nicht genützt
Die Schöne sonder Frucht: was soll sie dies entgelten?
Mehr schön und angenehm ist/ was nicht dicke sitzt.
42. Die Schöne Schwangere.
Was will die den Verlust der eigenen Schönheit schelten/
Die solche mit Gewinn den Kindern übergibt?
Was nicht verjünget wird/ fällt doch und dauert selten.
43.
Die Schöne Magere.
Sei um dein Mager-Sein/ du Schöne/ nicht betrübt.
Kann nicht ein dürres Holz am ersten Brand erregen?
Pan bleibt in ein Rohr/ wie dünn es ist/ verliebt.
44.
Die Schöne Fette.
Jedoch gefällt mir auch der Fetten Schönheit Segen.
Ich finde ja bei ihr/ dran ich mich halten kann/
Und weiß ihr volles Lob so kurz nicht auszulegen.
45. Die Schöne
Fleckige oder Schuppige.
Kommt deren fleckiges Gesicht auch auf die Bahn?
Das schonst Mehl bedecken erst die Kleien:
Man wird bei Sonne und Mond auch Flecken treffen an.
46. Die schönen grauen Haare.
Ein früh-begrautes Haar kommt nunmehr an den Reihen/
Wenn nur im Grunde Witz und Kraft der Liebe blüht/
Laß immerhin den Berg der Scheitel überschneien.
47. Die Schöne Blasse.
Ob
sich der Wangen Feld mit toter Bläß umzieht/
Mein Feuer wird darum die Röte nicht verlieren/
Weil man noch deine Glut aus bleicher Asche sieht.
48. Die Schöne Lange-Geliebte.
Was soll dich dann für Ruhm/ mein alter Schatz/ bezieren?
Was meine Jugend hieß der Liebe Morgenrot/
Muß billig jetzt den Preis der Abendröte führen.
49. Die Schöne Häßliche.
Wie Liebe und häßlich sei zu reimen/ habe ich Not;
Doch ein verborgener Zug/ und was ich nicht kann nennen/
Ist mir zu deiner Liebe ein kräftiges Gebot.
50.
Die Schöne Alte.
Ein schöner Sommer ist am Herbste noch zu kennen;
Will dir der Jahre Zahl der Schönheit Öl entziehen/
So wird ihr Funken doch biß in die Grube brennen.
51. Die Schöne im Fieber.
Erbleichest vom Frost/ musst du von Hitze glühn/
So kannstu fühlen/ wie Begier und Furcht mich plagen/
Und sehn/ wie ich in Glück und Leid dein Diener bin.
52. Die Schöne Tote.
Schau dies entlebte Bild/ wer will nicht von ihr sagen/
Daß ihr verblasster Mund noch voller Anmut sei.
Der Schatten zeiget noch von ihren Frühlings-Tagen.
53. Die Schöne im Grabe.
Hier liegt der Leib bedeckt/ der edle Geist ist frei/
Und ihrer Schönheit Ruhm wird Stein und Grab durchdringen.
Ich lege dieser Gruft auch meine Feder bei;
Denn nach dem Tode weiß ich weiter nichts zu singen.
(Hans Assmann von Abschatz: Alexandri Adimari übersetzte
Schertz-Sonnette oder Kling-Gedichte über die auch bey ihren
Mängeln vollkommene und Lieb-würdige Schönheit des Frauenzimmers
in: Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und
Gedichte. Leipzig, 1704, online verfügbar: In: Deutsches
Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/294>,
abgerufen am 22.03.2022)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.12.2023