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Beurteilung, Bewertung und Benotung

Überblick

Texte interpretieren - Didaktische und methodische Aspekte - Schreibaufgaben -  Gestaltende Interpretation

 
FAChbereich Deutsch
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Schulische Schreibformen: Didaktische und methodische Aspekte
So interpretiert man einen literarischen Text (Schulische Interpretationsmethoden)
Gestaltend interpretieren
Förderliche Begleitung von Schreibprozessen
Überblick
Lehrer-Schüler-Schreibkonferenz
   Kriterienkataloge zur Erfassung von Textqualität
Überblick  
Zürcher Textanalyseraster (1992)
Basisdimensionen und Kriterien
Basiskriterien - Allgemeiner Katalog

Beurteilung, Bewertung und Benotung von produktiv-kreativen Schreibprodukten stehen immer wieder im Fokus der literaturdidaktischen Diskussion über das ▪ gestaltende Interpretieren. Dabei sind es nicht nur die Lehrkräfte, die "oft unsicher (sind), ob und wie sie bewerten sollen" (Abraham 2010, S.93), sondern vor allem Schülerinnen* haben oft keine rechte Vorstellung davon, nach welchen ▪ Kriterien ihre produktiv-kreativen Texte beurteilt werden können.

Nicht zuletzt aus diesem Grunde hat auch das Land Baden-Württemberg den Aufgabentyp der Gestaltenden Interpretation ab 2014 in allen Formen des Gymnasiums durch den ▪ Essay als ▪ Aufgabentyp IV ersetzt. Ob diese Maßnahme kritisch als "eine restaurative Wende" des Deutschunterrichts in der Oberstufe betrachtet werden kann, weil damit "der neue Schwerpunkt im Deutschabitur wieder die klassische, regelgeleitete Interpretation literarischer Werke im textübergreifenden Kontext darstellt" (Ulmer 2012, S.12), ist zumindest eine Frage, die sich aufdrängen kann.

Hauptsache authentisch, Hauptsache einfallsreich?

Schülerinnen*, die im Umgang mit ▪ textproduktiven Umgangsweise dieser Art wenig Schreiberfahrung haben, glauben oft, dass alles, was einem einfällt und wie man es gestaltet, nicht nur zulässig, sondern auch als ideeninduzierte Gestaltung im Sinne des freien assoziativen und expressiven Schreibens eine quasi schöpferisch-geniale Immunität vor Kritik genießt. Hauptsache authentisch, Hauptsache einfallsreich, in jedem Falle eine rein subjektive Angelegenheit. Dass sie dabei die grundsätzliche Gebundenheit des produktiv-kreativen Schreibprodukts verfehlen können, ist ihnen dabei oft nicht bewusst. (vgl. • Happy Ends und Katastrophen)

Das kann dann schon so weit gehen, dass mangelndes sprachliches Ausdrucksvermögen, sprachliche und orthografische Fehler als künstlerische Gestaltungsfreiheit ihres Schreibers bzw. ihrer Schreiberin durchgehen soll. Wessen Gestaltung, selbst im Rahmen einer sachlich gut begründeten Argumentation, nicht als zulässige "gute" kreative Lösung wie alle anderen angesehen wird, begreift die Kritik am eigenen Werk oft als Angriff auf die eigene Person. Wer so reagiert, der versteht nicht, dass es nicht "um die pauschale Würdigung von Originalität" gehen kann, sondern "um die differenzierende Wahrnehmung von Textqualitäten" (ebd.), über die man sich verständigen kann und die für "die oft sinnvolle und mögliche Verbesserung"  (ebd.) des Schreibprodukts unter bestimmten Voraussetzungen genutzt werden kann.

Hinter solchen Vorstellungen seitens der Schülerinnen* stecken häufig auch unangebrachte Alltagshypothesen über das Schreiben im Allgemeinen, die sich besonders stark mit ▪ kreativem Schreiben verknüpfen ( Genie-Hypothese). Besonders problematisch kann dabei die alltagspsychologisch immer wieder gerne genutzte Verbindung von Konzepten zur ▪ Kreativität und ▪ Intelligenz sein.

Die • gestaltende Interpretation wird damit zu einer Schreibform nur für sog. "kreative Köpfe" stilisiert. Daher machen viele potentielle Schreiberinnen* ihre Entscheidung, wenn sie zwischen kognitiv-analytischen und produktiv-kreativen ▪ Umgangsweisen mit literarischen Texten wählen können, oft von ihrer diesbezüglichen Selbsteinschätzung abhängig. Und die, dies muss eigentlich kaum weiter betont werden, ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig, die schulisches Lernen nur bedingt beeinflussen kann.

Die Botschaft, die von sämtlichen Formen der Beurteilung produktiv-kreativer Textgestaltungen ausgehen sollte, ist dagegen, dass es in der Schule generell, aber auch bei diesen Schreibprozessen, stets um das Zusammenspiel von Begabungen, Wissen und Können geht, die als Grundlage von Kompetenzen fungieren.

Was zur Beurteilung, Bewertung oder Benotung ansteht, ist ein komplexes Ganzes

Die Probleme im Zusammenhang mit der Beurteilung, der Bewertung oder der Benotung von produktiv-kreativen Schreibprodukten zeigen, dass es wirklich nicht leicht ist, geeignete Kriterien zu finden und anzuwenden, mit denen Leistung im Zusammenhang mit dem gestaltenden Schreiben und Interpretieren gemessen werden kann. Das liegt natürlich auch daran, dass diese Leistung deshalb sehr komplex ist, weil "Textverstehen in Bezug auf den Ausgangstext und eigene Schreibkompetenz, besonders stilistisches Können und Gestaltungswille, zusammenkommen müssen." (Abraham 2010, S.92)

Der Sache des kreativen Schreibens in der Schule, wie es im Rahmen des Gestaltenden Schreibens erfolgen soll, tut es indessen nicht gut, wenn man nicht auf brauchbare ▪ Kriterien zur Beurteilung und Bewertung der Schreibprodukte zurückgreifen kann.

Schließlich können auch produktiv-kreative Schreibprodukte, kaum anders als im Kunstunterricht, als "Werk-Stücke, in die Erfahrung, Findigkeit und handwerkliches Geschick eingegangen sind" (ebd., S.94) auch im Hinblick auf einen vollzogenen Lernprozess beurteilt und bewertet werden.

Solange für die Schülerinnen* und die Lehrpersonen transparent und klar ist, welche Gütekriterien dabei herangezogen werden, ist dagegen auch nicht viel einzuwenden, wenn man einmal von den prinzipiellen Einwänden absieht, die Leistungsmessung und Kreativität als grundsätzlich unvereinbar ansehen,

Wenn dies zugleich mit einem "interpretierenden Blick"  (ebd.) auf das entstandene Schreibprodukt und der Einsicht verbunden ist, dass Scheiberinnen* bei einer gestaltenden Interpretation "ein höheres individuelles Wagnis"  (ebd.) (▪ inhaltliches, ▪ sprachlich-formales Wagnis) eingehen, kann der berechtigten Erwartung ihrer Schreiberinnen*, dass auch ihr Gestaltungswille und die von ihnen geschaffene Gestalt gewürdigt wird, selbst wenn das Ganze nicht rundum geglückt ist, durch die beurteilende Lehrkraft Rechnung getragen werden.

Wenn das, was geschrieben wurde, "an Erwartungen und Normen der Leser/-innen" (ebd.) gemessen wird, stehen bei seiner Bewertung durch die Lehrperson oder die Mitschülerinnen* weder die jeweilige Person des/der Schreiberin*, ihr kreatives "Genie" und die Originalität ihrer Schöpfungen im Fokus "und auch nicht Gefühle oder Gedanken als solche (....), sondern die Art und Weisem wie dies alles sich zu Wort meldet." (ebd., S.95)

Dabei kann als idealtypisches Bild, an dem man  sich – mit aller gebotenen Zurückhaltung – durchaus orientieren kann, die Vorstellung von einer ▪ kreativen Person sehen, die über viel Erfahrung beim Bewerten von Ästhetik besitzt, breite Interessen hat, von komplexen Sachverhalten angezogen wird, über sehr viel Energie, Autonomie, Intuition und Selbstbewusstsein verfügt, fähig ist, Widersprüche auszuhalten und zu beseitigen und gegenteilige Ansichten in das eigene Selbstkonzept einzufügen und die sich selbst als kreativ erfährt. (vgl. Barron/Harrington 1981, zit. n. Schmidtgrabmer 2012, S.18)

Perspektiven zur Beurteilung, Bewertung und Benotung von produktiv-kreativen Schreibprodukten

Nach Abraham (2001) kann man ▪ drei Perspektiven zur Beurteilung, Bewertung und Benotung von produktiv-kreativen Schreibprodukten unterscheiden (vgl. Abraham 2010, S.103):

Verständigung über Textqualitäten produktiv-kreativer Schreibprodukte anstreben

Solche Vorstellungen der Schreiberinnen* bedeuten indessen nicht, dass schulisches Lernen und insbesondere literarisches Lernen angesichts solcher Probleme auf grundsätzlich verlorenem Posten stehen.

Zum Erwerb entsprechender ▪ literarästhetischer Rezeptions- und ▪ literarästhetischer Produktionskompetenzen gibt es eine ausreichende Zahl von Methoden und Modellen, die hier von Bedeutung sind. Und auch "aus Respekt vor dem 'persönlichen Ausdruck' jede Bewertung zu unterlassen, ist praktisch keine Lösung und überzeugt auch theoretisch nicht." (Abraham 2010, S.93) Schließlich geht es auch "um die differenzierende Wahrnehmung von Textqualitäten, nicht um die pauschale Würdigung von Originalität." (ebd.)

Eines aber wirkt sich meistens sehr schlecht auf Schülerinnen* aus, die beim gestaltenden Interpretieren geglaubt haben, das Wagnis kreativen Schreibens einzugehen: Wenn sie merken, dass ihr notwendigerweise subjektiver Zugang zu einer literarischen Textvorlage Opfer von "Geschmacksurteilen" beurteilender Lehrkräfte wird, die nicht hinreichend berücksichtigen, dass vor allem leistungsschwächere und mit dem kreativen Schreiben nicht so vertraute und weniger "selbstvertraute" Schülerinnen* gerne auf "auf episodisch gespeicherte Wissensbestände und Muster (...) (z. B. Versatzstücke aus Büchern und Filmen" (Fix 2006/2008, S.117) aus ihren eigenen Lebenswelten zurückgreifen. Unter einer ▪ funktionalen Perspektive bei der Beurteilung von Schülerinnenleistungen* können aber gerade solche Gestaltungen für die ▪ Anschlusskommunikation in der Lerngruppe sehr förderlich sein.

Zudem sollte auch nicht verkannt werden, dass gerade solche Bezüge, wenn sie von einer entsprechend in der Jugendkultur bewanderten Lehrperson gezielt genutzt werden, effektive volitionale und motivationale Impulse für kreatives bzw. gestaltendes Schreiben setzen können.

Kriterienkataloge zur Beurteilung

Soll die Verständigung über die produktiv-kreativen Texte und die literarische Textvorlage gelingen, muss man sich über Kriterien zur Beschreibung der anzustrebenden ▪ Textqualitäten verständigen. In der Regel macht man das mit entsprechenden ▪ Kriterienkatalogen, die am besten ▪ gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern im Rahmen vielfältiger Schreiberfahrungen entwickelt werden und sich nur auf diese Textqualitäten beziehen sollten.

Allerdings sollten sie didaktisch reflektiert sein und ▪ ohne vordergründigen Schematismus (vgl. Fritzsche 1994, S.199;  2005, S.30) dazu beitragen, den Schreibprozess der Schülerinnen* anzuleiten, Hilfen zur Überarbeitung bieten und insgesamt dazu beitragen, den Schreibprozess zu strukturieren.

Grundsätzlich sollte man Kriterienkataloge also auch nicht so anlegen, dass damit alle erdenklichen Aspekte der Textqualität vollständig abgedeckt sind. Sie sollen vor allem ein Hilfsmittel sehen für die fördernde Beurteilung sein, sei es durch Mitschülerinnen und Mitschüler im Rahmen kooperativer oder schrittweise kooperativer Schreibprozesse oder durch die als Lernberaterin* agierende Lehrperson. Stets sollten sie vor allem "ein Leitfaden sein für das Sprechen über den eigenen Text, über den Text der Mitschülerinnen und Mitschüler" (Portmann 1996, S.105f.) sein.

Die allgemeinen Dimensionen ( ▪ sprachliche Richtigkeit sprachliche Angemessenheit, ▪ Aufbau, ▪ Inhalt, ▪ Schreibprozess und ggf. ▪ Textverständlichkeit als übergreifendes Kriterium) sind, wo es geht, im Hinblick auf das gestaltende Interpretieren zu konkretisieren. Das kann auch bedeuten, dass das ▪ weiche Kriterium der ▪ Wagnis in Bezug auf inhaltliche und ▪ sprachlich-formale Textqualitäten durchaus Gewicht bekommt, auch wenn es letzten Endes auf sehr subjektiven Eindrucksurteilen beruht und damit auch "Verhandlungssache" ist (vgl. Baurmann 2002/2008, S.140).

Jenseits der Beurteilung solcher Textqualitäten, die vor allem bei der prüfend-bewertenden, am Schreibprodukt orientierten Beurteilung von Leistungsaufgaben zentral sind, kommen natürlich beim ▪ prozessorientierten kooperativen Schreiben im Rahmen der förderlichen bzw. fördernden Beurteilung auch andere ▪ metakognitive und ▪ gruppendynamische Aspekte ins Spiel, die in einem ▪ offenen Unterrichtskonzept, das zu ▪ eigenverantwortlichem Lernen und Schreiben befähigen soll, berücksichtigt werden müssen.

Im Gegensatz zum Leistungsbegriff in herkömmlichen Unterrichtskonzepten geht es dabei um einen ▪ erweiterten Lern- und Leistungsbegriff, der in der Schulleistung eine Gesamtheit von zwangfreiem Lernen, schöpferischen Aktivitäten, Selbständigkeit und Selbstverantwortlichkeit eigenem Handeln gegenüber sieht.

Daher geht es vor allem anderen um eine förderliche bzw. fördernde Beurteilung in meist kooperativen oder schrittweise kooperativen Schreibprozessen (z. B. ▪ Schreibkonferenzen), die ein besonders gestaltetes Lernklima (Lernsetting) verlangen, in dem die beiden Akteure, Schülerinnen* und Lehrkräfte, bestimmte Rollen einnehmen und ausfüllen müssen. Für die Lehrkräfte bedeutet dies vor allem, dass sie ▪ in der Rolle als Lernberaterinnen* agieren müssen  (▪ Scaffolding).

Schulische Schreibformen: Didaktische und methodische Aspekte
So interpretiert man einen literarischen Text (Schulische Interpretationsmethoden)
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Zürcher Textanalyseraster (1992)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 02.07.2024

 
 

 
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